Der Preis der Freiheit

Ein Nachmittag in Konstanz

, von  Marian Schreier

Der Preis der Freiheit

Es ist Samstagnachmittag in einem Konstanzer Café, unweit der Schweizer Grenze. Es ist viel los. Drinnen wie draußen. Viele Schweizer nutzen das schöne Wetter für einen Ausflug in die Konstanzer Innenstadt oder wollen einfach nur den Wochenendeinkauf erledigen.

Am Nebentisch sitzt ein Schweizer Paar bei Kaffee und Kuchen. Sie sind wohl nicht zum ersten Mal in Konstanz. Denn auf dem Tisch liegen mehrere Ausfuhrscheine, mit denen Schweizer an der Grenze sich die Differenz zwischen der deutschen und der eidgenössischen Mehrwertsteuer erstatten lasen können. Als die Rechnung kommt beginnt der Mann hektisch dutzende Münzen und Scheine auf dem Tisch zu sortieren. Die Verwunderung der Tischnachbarn, mich eingeschlossen, nimmt er gelassen und erklärt lakonisch, dass es ihm mitnichten darum geht seinen Wohlstand zur Schau zustellen, sondern er viel mehr Schweizer Franken und Euros sortiert. Durch die häufigen Besuche in Deutschland führe er immer beide Währungen mit.

Schnell entspinnt sich ein kurzer Wortwechsel über den Euro und dessen Zukunft. Ein aufschlussreicher Blick auf die Schweizer Sicht der Dinge. Die Schwäche des Euro, beginnt er, sei für ihn als Schweizer natürlich von Vorteil. Gerade die Grenzregion zu Deutschland ist der natürliche Nutznießer der Eurokrise, profitieren sie doch am meisten vom günstigen Wechselkurs und den niedrigen Preisen. Dieser Sachverhalt konnte einem Einwohner Konstanz’, der mit einiger Regelmäßigkeit seine Wohnung verlässt, kaum entgehen. Insbesondere an Wochenenden scheint sich die Einwohnerzahl der Stadt zu verdoppeln. Dabei geht die Kauflust der Schweizer so weit, dass sogar Busreisen nach Konstanz organisiert werden um dem gemeinsamen Einkaufen frönen zu können.

Sorgen um Griechenland mache er sich aber schon, führt der Eidgenosse aus. Das lässt mich kurz aufhorchen. Ich dachte gerade die Schwäche Griechenlands gereicht der Schweiz zum Vorteil?

Ja, das sei auf den ersten Blick richtig, aber Griechenland dürfe in keinem Fall Pleite gehen. Das könne die Existenz des Euros bedrohen und damit das Schweizer Einkaufsparadies Konstanz zerstören. Jetzt wird mir klar woher der Wind weht. Der Euro darf ruhig schwächeln, aber verschwinden soll er nicht.

So einfach ist die Rechnung für die Schweiz nicht, werfe ich ein. Denn: die eidgenössische Wirtschaft leidet stark unter den einbrechenden Exporten und dem Rückgang im Tourismus. Nicht ohne Grund hatte sich die Schweizer Nationalbank im September vergangenen Jahres dazu entschieden ein Wechselkursziel von 1,20 Franken für den Euro auszugeben und dieses mit milliardenschweren Stützungskäufen auch durchzusetzen. „Das ist kein Problem“, erwidert er, „da ist noch genug Gold im Keller und, naja, das ist eben der Preis der Freiheit!“

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