Hohe Hürden für Europäische Bürgerinitiative

Europäische Kommission präsentiert in Brüssel restriktiven Vorschlag für eine Verordnung.

, von  Thomas Heimstaedt

Hohe Hürden für Europäische Bürgerinitiative
Abstimmung im EP - ob wohl die Bürger auch bald eine Stimme erhalten? ©European Parliament/Pietro Naj-Oleari

Mit Spannung hat die JEF auf den Gesetzesvorschlag der Kommission zur Europäischen Bürgerinitiative gewartet. Schließlich hat sich der Verband auf seinen unterschiedlichen Ebenen auch an der öffentlichen Konsultation beteiligt und setzt sich seit langem für eine stärkere Beteiligung der Bürger in der Europäischen Union ein. Selbst bei der öffentlichen Anhörung am 22. Februar 2010 in Brüssel war eine Vertreterin der JEF zugegen. Auch die Redaktion des Treffpunkt Europa hat sich des Themas in den vergangenen Wochen und Monaten nicht nur einmal angenommen (vgl. u.a. hier). Heute präsentierte die Kommission nun ihren Entwurf für eine Verordnung (pdf). Wer sich nicht durch das 34 Seiten pdf durchwühlen möchte, findet leichter verdauliche Berichte bspw. auf den Seiten von euractiv, EUobserver und EuropeanVoice. Die entsprechende Presseseite der Kommission scheint derzeit leider nicht erreichbar.

Nach einer ersten Analyse ist der Kommissionsvorschlag für die JEF mehr als enttäuschend. Zahlreiche unserer Anregungen (pdf) und Wünsche blieben unberücksichtigt. Um nur einige Beispiele zu nennen:

  • Die Kommission fordert nun, dass für eine erfolgreiche Initiative innerhalb eines Jahres insgesamt eine Million Unterschriften aus mindestens eine Drittel der derzeit 27 Mitgliedstaaten gesammelt werden müssen. Damit schafft die Kommission eine recht hohe Hürde.
  • Gleiches gilt auch für das Mindestalter von 18 Jahren (bzw. 16 in Österreich). Nach Ansicht der JEF hätte auf ein Mindesalter in Gänze verzichtet werden können. Denn weder handelt es sich bei der Bürgerinitiative um einen Wahlakt, noch ist aus unserer Sicht nachvollziehbar, warum ein beispielsweise 15jähriger Schüler nicht auch eine politische Unterstützungsbekundung äußern dürfte.
  • Die Rergelung zur Zulassungsprüfung sind ebenfalls unbefriedigend. Erst nach 300.000 Unterstützungsbekundungen kann der Organisator einer Initiative bei der Kommission eine Entscheidung über die Zulässigkeit ebendieser beantragen. Bei einem negativen Ausgang wären nicht nur die 300.000 Stimmen futsch, sondern vermutlich auch das Instrument Bürgerinitiative in der Öffentlichkeit beschädigt.

Die Kommission, namentlich Maroš Šefčovič, sieht dies freilich anders (nachzulesen bspw. in einem byliner von Šefčovič im Guardian). Wie dem auch sei. Der Kommissionsvorschlag muss erst noch das Europäische Parlament und den Rat passieren, bevor die Verordnung in Kraft tritt. Bleibt also noch Zeit für Nachbesserungen. Und wenn alle Stricke reißen, hat die Kommission eine Überprüfung der Regelungen fünf Jahre nach Inkrafttreten eingeplant.

Ihr Kommentar
  • Am 7. April 2010 um 00:45, von  Cédric Als Antwort Hohe Hürden für Europäische Bürgerinitiative

    Hat jemand den Verordnungsentwurf für die Europäische Bürgerinitiative gelesen? Neben der Tatsache, dass diese Verordnung niemals nützlich sein wird (es wird nie eine Initiative geben, die die Kriterien erfüllen wird) möchte ich ein sehr lustiges und lustvolles Aspekt des Vorschlags unterstreichen: die nationale Schwellenwerte von Unterschriften, die eine Initiative bei einem Drittel der Mitgliedstaaten sammeln sollte, sollten nicht mehr wie eingangs geplant einem festen Proporzsatz der Bevölkerung entsprechen, sondern einem Vielfachen der Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments für jeden Mitgliedstaat, nach dem Entwurf der Kommission. Und die Kommission begründet ihren Vorschlag so:

    „Gestützt auf das während der Anhörung vorgebrachte Argument, dass ein fester Prozentsatz für alle Mitgliedstaaten nicht gerecht wäre, sieht der Vorschlag einen festen Schwellenwert für jeden Mitgliedstaat vor, der degressiv proportional zu der Bevölkerung jedes Mitgliedstaats ist. Um zu gewährleisten, dass diese Schwellenwerte auf objektiven Kriterien beruhen, hat die Kommission für sie ein Vielfaches der Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments für jeden Mitgliedstaat zugrunde gelegt3. Dieser Faktor beträgt 750“

    Von „objektiven Kriterien“ zu sprechen ist sowohl zynisch und sehr clever seitens der Kommission:

    (1) Erstens, wir wissen wohl, dass die Verteilung der EU-Abgeordneten ist alles andere als objektiv, und dass das „Prinzip der degressiven Proportionalität“ ein Witz ist (keine mathematische Formel). Die Verteilung der Mandate ist nur das Ergebnis von politischen Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten. Die Kommission macht als ob sie es nicht wusste. Das gefällt mir!

    (2) Beiläufig scheint die Kommission, eine Anspielung auf den Urteil vom Bundesverfassungsgericht zu machen: die allzu ungleiche Vertretung der EU-Bürger im Parlament. Mit diesem Vorschlag würde die EU einigermaßen die Gleichheit zwischen den Staaten wiederherstellen: ein im EP überrepräsentiertes Land wird ein Land sein, wo Initiativen am schwierigsten die Schwellenwerte von Unterschriften werden überschreiten können. Dies ist nur Gerechtigkeit!

    (3) Und dieser Berufung auf die Verteilung der Sitze im Parlament ist eine gute Möglichkeit für die Kommission, ihre Nase inkognito in diese Frage hineinzustecken, während die Verträge es auszuschließen versuchen. Seltsamerweise ist der Multiplikator für die Berechnung der nationalen Schwellenwerte 750 ... Purer Zufall. Als einfacher Beobachter finde ich es positiv, dass die Kommission so versucht, die Ruhe unseren lieben Diplomaten und Abgeordneten zu stören!

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