Brexit - Ein Tagebuch

, von  Amy Cooper, übersetzt von Marie Menke

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Brexit - Ein Tagebuch
Schlagzeilen britischer Zeitungen nach der Brexit-Entscheidung. © threefishsleeping / Flickr/ CC BY-NC-ND 2.0-Lizenz

Vor zwei Monaten entschieden sich die Briten in einem historischen Referendum für den EU-Austritt. Unsere Autorin Amy Cooper verfolgte das Votum ihrer Landsleute in ihrer Wahlheimat Spanien. In diesen Zeilen schildert sie ihre persönlichen Gefühle und Hoffnungen angesichts des feststehenden Brexits.

Am Wahlabend konnte ich nicht schlafen, ich blieb wach und beobachtete ungläubig, wie meine Landsleute für den Austritt aus der Europäischen Union wählten. Am nächsten Morgen waren die Sozialen Netzwerke voll mit Nachrichten von meiner Familie und meiner Freunde, dazwischen Unterhaltungen, die auf den Schock hinwiesen, den wir durchlebten. Niemand konnte glauben, was geschehen war. War es vielleicht ein Scherz? Seitdem habe ich mich tagelang gefühlt, als beendete ich eine Beziehung, fühlte mich verwirrt, traurig und wütend. Alle zwanzig Minuten blickte ich auf mein Handy, ich hatte falsche Hoffnungen auf Neuigkeiten oder Rechenfehler, kurz auf etwas, das letztendlich nicht eintrat. Wir wissen, dass wir uns voneinander trennen. Aber wir wissen weder wann, noch wo, noch wie das Leben danach aussehen wird. Und diesmal betrifft das Gefühl alle.

Ich habe mich immer eher europäisch als britisch gefühlt, ich war immer stolz darauf, ein Teil einer Union zu sein, die es ihren Bürgern erlaubt, problemlos über Grenzen hinweg zu reisen, in der es möglich ist, in wenigen Stunden in ein anderes Land zu fahren, eine andere Kultur, eine andere Landschaft und eine andere Sprache zu entdecken. Wo es die Möglichkeit gibt, in jedem der 27 Länder zu leben, zu arbeiten und zu studieren. Ich finde es sehr schade, dass die Jugend ab jetzt nicht mehr die Möglichkeiten haben wird, die ich hatte: im Sommer auf Interrailtouren gehen, sich im Erasmussemester in einen Jungen oder ein Mädchen verlieben, ein beliebiges europäisches Land aussuchen und es zur neuen Heimat machen, und unter Umständen auch junge Menschen kennenzulernen, die aus anderen Ländern kamen und im Vereinigten Königreich die Möglichkeit zum Studieren, Arbeiten und Leben hatten.

Natürlich mache ich mir auch Sorgen um mich selbst in meinem Adoptivland Spanien und auch um die Möglichkeiten von jungen Menschen hier. Noch mehr bedrückt mich jedoch das Gefühl, mein eigenes Herkunftsland nicht wieder zu erkennen.

Ich verstehe, dass die Dinge politisch weit davon entfernt sind, perfekt zu laufen. Es ist klar, dass das Referendum nur die fundamentalen Problemen des Vereinigten Königreichs und des dortigen politischen Systems betont – aber woher kommt unter diesen Umständen der Gedanke, dass wir allein besser dran sind als mit anderen? Es scheint, dass das Ergebnis des Referendums die Entfremdung von europäischen und nicht-europäischen Bürgern, die im Vereinigten Königreich leben, begünstigt hat. Als Ergebnis hört man vermehrt rassistische Rufe auf der Straße. Ich mache mir Sorgen um meine Freunde und meine Familie, die darüber nachdenken, in eine Region umzuziehen, die dafür stimmte, Mitglied der EU zu bleiben, weil sie sich nicht mit den Werten ihrer jetzigen Nachbarn identifizieren. Die Botschaft, die das Vereinigte Königreich der Welt gegeben hat, gefällt mir nicht. Ich fühle mich abgeschreckt von dieser Außenwirkung meines Landes. Das Vereinigte Königreich, das ich kenne, ist ein Land der Freiheit, der offenen Mentalität, des Mitgefühls, der Möglichkeiten, ein Land, wo die Mehrheit der Probleme bei einer Tasse Tee gelöst werden kann.

Man könnte sagen, dass diese Entscheidung auch von Politikern und schlecht informierten Personen lebte, die ihre Wahl inzwischen bereuen. Die drohende Realität ist jedoch, dass das Vereinige Königreich und die Europäische Union bald nicht mehr zusammen gehören werden. Die nächsten Monate werden schwierig sein, wir wissen noch nicht, was sie bereit halten. Mit Sicherheit bin ich trotz des Ergebnisses nun erst recht motiviert, für ein Europa zu kämpfen, das noch stärker zusammensteht als je zuvor. Europa, bitte, kehre den „48%“ nicht den Rücken zu, denn wir möchten nicht mit dir Schluss machen.

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