Die EU hat an Attraktivität und Einfluss verloren

, von  Franziska Pudelko

Die EU hat an Attraktivität und Einfluss verloren
Die Staats- und Regierungschefs der BRICS-Staaten bei ihrem Treffen in St. Petersburg. Gemeinsam wollen sie an Einfluss in der Welt gewinnen. Foto: „Foto oficial dos Brics“ © Blog do Planalto / Flickr (https://www.flickr.com/photos/blogplanalto/9680403228/) / CC BY 2.0-Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode)

Sie haben großes vor: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – die sogenannten Brics-Staaten. Sie wollen die westlich geprägte Weltordnung ablösen und in einer postmodernen Ordnung regieren. Aufstrebende Märkte wandeln sich zu aufstrebenden Mächten. Gleichzeitig schrumpft der weltpolitische Einfluss Europas. Denn: Die EU ist seit der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr sexy.

Strategische Partnerschaften

Mehr Außenhandel, mehr Direktinvestitionen und eine stärkere Rolle in der Welt hat sich die EU durch den Ausbau und die Vertiefung der „strategischen Partnerschaften“ mit den aufstrebenden Schwellenländern erhofft. Der Plan ist im Rahmen der Ausgestaltung der EU-Sicherheitsstrategie entstanden, die vom Europäischen Rat im Dezember 2003 angenommen wurde. Zweck der Partnerschaften ist es, die Zusammenarbeit in politischen und wirtschaftlichen Bereichen zu intensivieren. Einzelne Projekte und Verträge mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen können so besser gebündelt und koordiniert werden. Ein Projekt ist zum Beispiel der Bau eines Glasfaserkabels zum Schutz des gemeinsamen Datenverkehrs mit Brasilien. Auch arbeitet die EU eng mit afrikanischen Staaten zusammen, um dort die Demokratie und Menschenrechte zu fördern und Fortschritte beim Kampf gegen den Klimawandel zu erzielen.

Strategische Partnerschaften und andere Formen interregionaler Beziehungen verfolgt die EU weltweit. Zu den Partnerstaaten zählen neben den USA oder Kanada auch Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika (BRICS). Fünf aufstrebende Volkswirtschaften, die ein Fünftel des globalen Bruttoinlandsprodukts ausmachen und knapp die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren. Wobei die strategische Partnerschaft mit China für die EU am wichtigsten ist. Die Volksrepublik ist nach den USA der zweitgrößte Handelspartner der EU.

Die Staatengemeinschaft erhebt damit den Anspruch in der Außenpolitik, zielgerichtet und mit einer Stimme zu sprechen. Somit kann sie ihre Gestaltungsfähigkeit in der Welt ausbauen und gemeinsame Antworten auf die globalen Herausforderungen und Risiken geben.

Von Anfang an wurde die EU dafür kritisiert, dass sie ihren außenpolitischen Ansprüchen nicht gerecht werde und als internationaler Akteur eine nur begrenzte Wirkung entfalte. Zwar ist der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) inzwischen ein großer Apparat mit 140 Botschaften in der Welt, seine Gestaltungsmacht ist allerdings immer noch gering. Zu den Aufgaben des EAD gehören die Unterstützung der Hohen Vertreterin bei der Kohärenz und Koordinierung des auswärtigen Handels der Union sowie die Unterstützung des EU -Rates und der Kommission im Bereich der Außenbeziehungen.

Die Hoffnungen und Erwartungen der EU an die strategischen Partnerschaften mit den Schwellenländern wurden zudem seit 2008 durch die Krise der Weltwirtschaft gedämpft.

Krise dämpft Erwartungen

Die EU galt als weltpolitisches Schwergewicht, zumindest in handelspolitischer Hinsicht. Handel und Direktinvestitionen entwickelten sich mit den aufstrebenden Mächten bis 2012 sehr dynamisch. Doch nun dreht sich der Spieß um: Plötzlich sind es die Schwellenländer, die das einst wirtschaftsstarke Europa unterstützen müssen. Beim G20-Gipfeltreffen der führender Industrie und Schwellenländer im mexikanischen Los Cabos im Juni 2012 beschlossen die Schwellenländer eine Aufstockung der Krisenmittel des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Das Angebot klingt großzügig: Indien, Brasilien, Mexiko und Russland steuerten jeweils zehn Milliarden Dollar bei, um die Finanzmittel der EU-Krisenländer aufzustocken, China sogar 43 Milliarden. Insgesamt beteiligten sich zwölf Schwellenländer an der Finanzspritze. Doch die gibt es nicht ohne Gegenleistung: mehr Mitspracherechte beim Währungsfond und eine IWF-Reform zu ihren Gunsten fordern die Geldgeber.

Gleichzeitig hagelt es auf Europa Kritik. Dass die Schuldenkrise nicht allein das Problem der Europäer ist und die EU im eigenen Interesse der Schwellenländer unterstützt werden muss, wird dabei gern übersehen. Auch aus Bitterkeit: statt die eigene Ökonomie zu stärken, müssen die Schwellenländer weitaus reicheren Staaten helfen. Sie haben gar keine andere Wahl: Die ökonomischen Verflechtungen mit den Eurostaaten dämpfen das Wachstum und führen zum Verlust von Arbeitsplätzen im eigenen Land. Darunter leiden das Ansehen und die Möglichkeit der EU, auf die Partnerstaaten einzuwirken. Die Hilfsmaßnahmen machen die EU von Subjekt zum Objekt der Weltpolitik.

Arme helfen Reichen

Gleichzeitig intensivierten sich die Außenwirtschaftsbeziehungen der BRICS-Staaten vor allem untereinander und mit anderen Volkswirtschaften Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Folglich büßte die EU strukturelle Marktanteile in den Schwellenländern ein. Europa hat an Ansehen verloren. Mit seiner Sparpolitik, Strukturreformen und Konjunkturprogrammen steht es auf internationalem Parkett nicht mehr für ein erfolgreiches Wirtschafts- und Sozialmodell. Die EU-Außenpolitik fällt in einen politischen Tiefschlaf, wird gestaltungsunfähig. Während der restliche Einfluss schwindet, rücken jetzt die Außenwirtschaftsbeziehungen in den Vordergrund.

Europa verlagert seine Prioritäten, wie sich im Falle Chinas deutlich erkennen lässt. In einem Beitrag für die Stiftung Wissenschaft und Politik von 2013 beschreibt Hanns W. Maull wie die wirtschaftlichen Beziehungen der EU ihre politischen Ziele überschatten: „Besonders betroffen hiervon ist die normative Agenda der EU wie etwa der Menschenrechtsdialog.“ Zudem versuche Peking über bilaterale Partnerschaften mit EU-Mitgliedstaaten Einfluss auf die Positionen der EU zu nehmen - bislang allerdings ohne Erfolg. Aber: Die außenpolitische Wahrnehmung der EU wird von Peking offensichtlich nicht mehr ernst genommen.

Zukunft der EU-Außenpolitik

Die Kräfteverhältnisse verschieben sich. Schon jetzt muss der Westen einen Teil seiner unangefochtenen Führungsrolle zugunsten neuer und wieder erstarkender Akteure abgeben. Die EU ist zu groß und zu bedeutsam, um sich aus der internationalen Politik und den globalen Herausforderungen herauszuhalten. Dennoch muss sie ihre ursprüngliche Idee der strategischen Partnerschaften weiterhin verfolgen, damit sie auf internationalem Parkett nicht zum Zaungast wird.

Wichtig wären eine Stärkung des EAD und eine verstärkte europäische Zusammenarbeit mit den nationalen Botschaften in Drittstaaten. Außerdem müssen außenpolitische Themen wieder dauerhaft und nicht nur in Krisensituationen auf die Agenda der EU gesetzt werden. Gerade jetzt ist dafür ein guter Zeitpunkt: Die transnationalen Bedrohungen verlangen eine europäische Antwort. Eine gemeinsame EU-Außenpolitik ist möglich, sie muss aber gewollt sein.

Dieser Artikel erschien zuerst im JEF-Mitgliedermagazin 02/2014.

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