Die Wahl des weißen Mannes und die Lehren daraus

, von  Michael Vogtmann

Die Wahl des weißen Mannes und die Lehren daraus
Wie verletzend und zynisch muss es für einen arbeitslosen, sozial verwahrlosten Mann, der beim Strukturwandel auf der Strecke blieb, klingen, wenn jemand von seinen „Privilegien als weißer Mann“ redet? © Marc Nozell / Wikimedia / This image, originally posted to Flickr, was reviewed on 23:20, 31 January 2016 (UTC) by the administrator or reviewer ww2censor, who confirmed that it was available on Flickr under the stated license on that date.

In links-progressiven Milieus ist man sich einig: Schuld an der Wahlniederlage Hillary Clintons sind die rassistischen, sexistischen, weißen Männer. Doch hält diese Interpretation einer genaueren Betrachtung stand? Und welche Lehren kann Europa daraus im Kampf gegen seine Populisten ziehen?

Amerika hat gewählt und es hat sich entschieden für Nationalismus, Rassismus, Sexismus, simple Rhetorik und einfache Lösungen. In den progressiven, linken und urbanen Kreisen der Bildungselite, weiß man wer die Schuldigen sind - die „alten, weißen Männer“. Nachwahlbefragungen belegen, dass Trump vor allem bei älteren Wählern punktete. Eine Mehrheit seiner Wähler war weiß (58%) und männlich (53%). Betrachtet man aber die Zahlen genauer und schaut sich die Wählerwanderung im Vergleich zur letzten Präsidentschaftswahl an, fällt diese Interpretation in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Zwar hat mit lediglich knapp 37% eine Minderheit der Weißen die Demokraten gewählt, jedoch war hier im Vergleich zur letzten Wahl keine große Wählerwanderung zu beobachten. Auch vor vier Jahren haben viele Weiße eine Präferenz für die Republikaner gezeigt. Der Zuwachs betrug gerade mal 1%. Auch Clinton verzeichnete bei einer bestimmten Gruppe lediglich einen geringen Zuwachs von 1% - bei den Frauen. Tatsächlich haben in Wahrheit die Frauen Doanld Trump seinen Wahlsieg beschert, insbesondere die Mehrheit der weißen Frauen, die für ihn stimmte.

Der falsche Kampf

Das Geschlecht war allgegenwärtig in diesem Wahlkampf, der was Schmutzigkeit und Schlüpfrigkeit anging, selbst für amerikanische Verhältnisse extrem war. Interessant dabei ist, das die Strategie beider Parteien darauf abzielte maskuline Sexualität zu dämonisieren. Der Mann als Triebtäter per Definition: Bill Clinton der Vergewaltiger, Hillary die Komplizin, Doanld Trump, für den Frauen nur Sexobjekte darstellen, denen man einfach an die Pussy grabschen kann. Nur um das klarzustellen: unbekannten Menschen tatsächlich in den Schritt zu fassen, hat nichts mit männlicher Sexualität zu tun, sondern damit ein rücksichtsloses, selbstverliebtes Arschloch zu sein, egal wessen biologischen Geschlechts man ist. Letzten Endes hat der Geschlechterkampf als Wahlargument für die Mehrheit der weiblichen und männlichen Amerikaner nicht gezogen. Insbesondere gilt dies für die Art und Weise wie er geführt wurde: Donald Trump gleich destruktiv, korrupt, dumm, arrogant gleich weißer Mann; Hillary Clinton gleich tüchtig, gebildet, intelligent, fürsorglich und sensibel für die Interessen von Minderheiten gleich Frau. Die widersprüchliche Tendenz die Gleichheit der Geschlechter und Rassen als Ziel auszugeben, gleichzeitig aber die naturgegebene Schlechtheit des weißen Mannes per se zu betonen, war in Teilen des Wahlkampfs präsent. Die Strategie mancher Trump-Gegner war durchtränkt mit einer Denke, die die Psychologin Christine Bauer-Jelinek als „Allmachtsfeminismus“ umschreibt. Donald Trump als groteske, absolute Verkörperung der Karikatur von Männlichkeit, lieferte dafür auch die perfekte Angriffsfläche. Trotzdem haben die meisten Amerikaner den „rassistischen Pussygrabscher“ Trump der erfahrenen, politisch korrekten Frau Clinton vorgezogen. Welche Lehren kann man daraus ziehen für den Umgang mit nationalistischen Populisten in Europa?

Weder Frauen noch Männer schaffen es allein

Gerade im linken politischen Spektrum gibt es neuerdings die Tendenz alles Männliche als etwas abgrundtief Böses anzusehen bzw. alles Destruktive als klassisch männlich zu verklären. Dies hat mittlerweile zu einer Art Selbstkastration der Linken geführt, wie selbst linke Frauen bemängeln. Die Linke-Progressive schwächt sich selbst und beraubt sich ihres Ying, während rechte, konservative Populisten sowohl auf Ying und Yang setzen, was Anführerinnen wie Marine Le Pen, Frauke Petry und Beata Szydło immer wieder unter Beweis stellen. Mehr noch generieren sich diese rechten Parteien als Kümmerer, der durch den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel Zurückgelassenen. Diese Menschen fühlen sich machtlos, abgehängt, benachteiligt und sind nicht selten männlich. Wie verletzend und zynisch muss es für einen arbeitslosen, sozial verwahrlosten Mann, der beim Strukturwandel auf der Strecke blieb, klingen, wenn jemand von seinen „Privilegien als weißer Mann“ redet? Aber auch viele Frauen gehören zu den Abgehängten. Man darf nicht vergessen, dass knapp über 40% der Wähler von Populisten Frauen sind.

Der Elfenbeinturm und der Mob

Bei der Wahl von Trump war die größte Wählerwanderung innerhalb der Arbeiterklasse zu beobachten. 14% der Weißen ohne Universitätsabschluss wählten diesmal die Republikaner, die bei der letzten Wahl noch Demokraten wählten. Für 16% aller Amerikaner mit einem Jahreseinkommen unterhalb von 30.000 US-Dollar gilt das gleiche. Diese Menschen wenden sich ab von einer linksliberalen politischen Elite, die sich ihnen moralisch überlegen fühlt und sich nicht für ihre Sorgen und Nöte interessiert. Exakt hier griff das Argument des „Anti-Establishment-Kandidaten“ Trump, bei dem sich viele sicher dachten: „Er ist zwar ein Idiot, aber im Vergleich zu Hillary ist er wenigstens authentisch.“

Der kalte Bürgerkrieg und der wahre Kampf

Segregation, Cliquenbildung, Ideologisierung und Polarisierung sind zivilisatorische Sackgassen und der Tod jedweden gesellschaftlichen Gemeinwohls. Durch den technologischen Fortschritt und die Informationsfilter- um nicht zu sagen Hirnwäsche-Algorithmen in sozialen Medien, vollziehen sich diese zersetzenden Prozesse sogar noch schneller. Besonders schädlich ist diese Auflösung der Gesellschaft für die schwachen Mitglieder, die mit dem Fortschritt nicht mithalten können und auf Unterstützung angewiesen sind. Auf diese Gruppe überheblich als abgehängten, ungebildeten „White-Trash“ einzudreschen, während sie wiederum auf Migranten einprügelt erinnert an Bum-Fights. Man assoziiert „deine Armut kotzt mich an“-Rhetorik, die in keinster Weise von Stil oder Empathie besser ist als Donald Trumps Rassismus und Frauenfeindlichkeit. Der wahre Kampf lässt sich auf eine simple Formel herunter brechen, die jeder beherzigen könnte, wenn er wollte. Es geht nicht um Frau gegen Mann, Reich gegen Arm, Christ gegen Moslem. Es geht um Zuhören und darum das Gesagte zu ertragen und zu tolerieren, dass man es sagen darf, vielleicht sogar um Kompromisse. Es geht um einen allgemeinen Kampf gegen den Egoismus, der die Gesellschaft immer weiter spaltet. Wer über den Abbau von Privilegien sprechen will, sollte bei seinen eigenen Privilegien beginnen, oder dafür sorgen, dass sie auch anderen zugute kommen.

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