EuGH-Urteil: EU-Bürger ohne Anspruch auf Hartz IV

, von  Lea-Verena Meingast

EuGH-Urteil: EU-Bürger ohne Anspruch auf Hartz IV
Ein Urteil mit Signalwirkung? Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Deutschland einer arbeitslosen Rumänin nicht Hartz IV bezahlen muss. Foto: © Daniel Bagel / Flickr (Link) / CC-BY-NC 2.0-Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/)

Deutschland darf Zuwanderern aus anderen EU-Mitgliedstaaten staatliche Leistungen wie Hartz IV verweigern, wenn sie nur zum Bezug von Sozialleistungen einreisen. So lautet das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. Damit bestätigten die Richter das geltende nationale Recht. Das Urteil wurde unterschiedlich aufgenommen.

EuGH weist Klage einer Rumänin zurück

Im konkreten Fall ging es um die 25-jährige Rumänin Elisabeta Dano, die seit 2010 mit ihrem fünfjährigen Sohn in Leipzig lebt. Sie erhält zwar Kindergeld und einen Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt. Da sie aber niemals eine Arbeit aufnahm und auch nicht arbeitssuchend gemeldet ist, hatte das Jobcenter Leipzig ihren Antrag auf Hartz IV abgelehnt. Bereits im Mai hatte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs erklärt, dass das voll und ganz im Sinne des Europarechts sei. Dano wollte das nicht hinnehmen und reichte Klage ein. Auch das Leipziger Sozialgericht stufte sie als nicht arbeitssuchend ein und bat den EuGH um Klärung. Nun mussten die europäischen Richter in Luxemburg entscheiden. Der EuGH argumentierte, die Frau verfüge nicht über „ausreichende Existenzmittel“. Laut EU-Recht könne sie deshalb kein Recht auf Aufenthalt in Deutschland geltend machen. Sie könne sich deshalb auch nicht auf das Diskriminierungsverbot berufen, das im EU-Recht verankert ist.

EU-Ausländer, die zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen, sind generell von Sozialleistungen ausgeschlossen. So schreibt es das deutsche Sozialgesetzbuch II vor. Nur wer einer Arbeit nachgeht, hat nach einem Aufenthalt von drei Monaten Ansprüche auf Sozialhilfe. Auch der Gerichtshof wies ausdrücklich darauf hin, dass kein Aufnahmestaat von EU-Bürgern nach EU-Recht dazu verpflichtet sei, während der ersten drei Monate des Verbleibs Sozialleistungen zu zahlen. Erst danach wird geprüft, ob die Zuwanderer ins Land kamen, um Arbeit zu finden. Auf wen das zutrifft und auf wen nicht, will der EuGH aber auch künftig im einzelnen Fall prüfen können.

Debatte um Sozialmissbrauch geht weiter

Die Debatte um den möglichen Missbrauch von Sozialleistungen durch EU-Zuwanderer dauert schon länger an. Dabei geht es vor allem um Migranten aus Rumänien und Bulgarien. Seit Januar 2014 gilt für Bürger dieser Länder die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. Seitdem sind etwa 100 000 Bulgaren und Rumänen nach Deutschland eingewandert. Zwar finden nach Angaben des Nürnbergers Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) mehr Zuwanderer aus den beiden Ländern einen Job. Gleichzeitig stieg aber die Zahl der Hartz-IV-Bezieher. Viele der Migranten hätten lange nicht von ihrem Recht auf Sozialleistungen gewusst, lautet eine mögliche Begründung der Forscher für den Anstieg.

Erst kürzlich hatte der Bundestag die Gesetze für EU-Einwanderer verschärft: Wer nach sechs Monaten Aufenthalt noch keine Arbeit gefunden hat und nicht eigenständig für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann, soll sein Aufenthaltsrecht in Deutschland verlieren.Der Gesetzentwurf war zwar schon eine abgespeckte Version dessen, was die CSU forderte. Trotzdem gibt es Kritik. Wohlfahrtsverbände und Opposition werfen der Regierung vor, die Verschärfungen beruhten nicht auf einer zahlenmäßigen Grundlage. EU-Zuwanderer würden stattdessen unter den „Generalverdacht des Missbrauchs“ gestellt, heißt es in einer Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbandes.

Ein vielbeachtetes Urteil in ganz Europa

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs wurde in anderen Ländern mit Spannung erwartet. Der konservative britische Premier David Cameron fordert seit Monaten Sozialleistungen für EU-Einwanderer einzuschränken. In den Niederlanden und Belgien gibt es eine ähnliche Debatte. Das EuGH-Urteil könnte Europa sogar stärken, so Spiegel Online. Das Urteil mache deutlich, dass Ansprüche auf Sozialleistungen in einem anderen EU-Land Zuwanderern nicht automatisch zustehen. Sie beruhen vielmehr auf Ansprüchen, die erworben werden müssen. Zudem nehme das Urteil Freizügigkeitsskeptikern den Wind aus den Segeln. Denn es bedeute auch: Das Freizügigkeitsprinzip funktioniert, nur eben mit Einschränkungen.

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