„Was erlauben Malta?“

Von der Festung Europa und ihrer goldenen Zugbrücke

, von  Christoph Sebald

„Was erlauben Malta?“

Unverhohlen verscherbeln die Malteser ihre Staatsbürgerschaft und mit ihr die europäischen Bürgerrechte. Diese Praxis wurde vom Europäischen Parlament kritisiert. Zu Recht, denn der Verkauf der Staatsbürgerschaft untergräbt die Wertegemeinschaft. Ein Kommentar

Man möchte toben wie Trapattoni ob dieser migrationspolitischen Geisterfahrer. Zweifellos haben zahlreiche Mitgliedstaaten der EU fragwürdige Praktiken, wenn es um Einreise, Aufenthaltsrechte und Einbürgerung geht. Geld oder „Investitionen“ spielen da fast immer eine Rolle. So plump wie die maltesische Regierung hat die Staatsbürgerschaft bisher allerdings noch keiner verhökert. Dreist ist dabei der Versuch, die ganze Sache zur nationalen Angelegenheit zu stilisieren. Mitnichten, kann da nur gesagt werden.

Die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedsstaats geht mit der Unionsbürgerschaft einher. Diese gewährt unter anderem die Teilnahme an Wahlen zum Europaparlament, Zugang zu Freizügigkeit in allen Mitgliedstaaten oder konsularischen Schutz in diplomatischen Einrichtungen anderer Mitgliedstaaten. Darüber hinaus ist die Unionsbürgerschaft der Schlüssel zum EU-Grundrechtekanon. Tatsache ist, die Staatsbürgerschaft ist schon lange keine rein nationale Angelegenheit mehr und selbst wenn die Verleihung der Staatsbürgerschaft in den Zuständigkeitsbereich nationaler Behörden fällt, so ist jeder Mitgliedstaat noch immer verpflichtet, die Werte und Interessen der Gemeinschaft zu wahren.

Eine Staatsbürgerschaft ist unverkäuflich

Allein der Gedanke an eine käufliche Staatsbürgerschaft muss jedem Europäer eine ehrliche Kränkung sein. Rechte, Pflichten und Anteilnahme an gemeinschaftlichen Belangen sind Kernbestandteile des Konzepts der Staatsbürgerschaft. Nicht der Pass, sondern die rechtliche, soziale und kulturelle Verbundenheit mit anderen Menschen, ohne Ansehen der Person oder ihrer Mittel, ist was uns zu Polen, Franzosen oder Deutschen macht. Die Staatsbürgerschaft ist ein zutiefst metaphysisches Wertekonzept, das im Grunde auf dem impliziten Übereinkommen beruht, füreinander einzustehen und einen Großteil seines Lebens auf den Erhalt gemeinsamer Institutionen zu verwenden.

Wenn nun ein Staat anfängt Staatsbürgerschaften zu verkaufen, noch dazu ohne dass der Käufer in irgendeinem Bezug zum Land stehen muss, dann ist die Idee der Staatsbürgerschaft gründlich sabotiert. Sabotiert deswegen, weil der implizite Grundkonsens entwertet wird. Fremde profitieren plötzlich ohne Not oder persönlichen Einsatz von den Leistungen der Gesellschaft, für deren Aufrechterhaltung Staatsbürger viel Zeit aufwenden. Ist die Staatsbürgerschaft käuflich zu erwerben, so ändert sich ihre Natur und der Staat wird mehr und mehr zu einem Club der mehr oder minder Begüterten. Die staatsbürgerliche Moral nimmt Schaden und mit ihr der gesellschaftliche Zusammenhalt. Schon deswegen ist die maltesische Nummer ein gründlicher Irrweg.

Keine goldene Zugbrücke für Betuchte

Noch vor wenigen Monaten sorgte eine ganz andere Insel für Schlagzeilen. Vor Lampedusa waren wiederholt Flüchtlinge in Seenot geraten und mehrere hundert von ihnen ertrunken. Diese menschliche Tragödie warf ein Schlaglicht auf die ziemlich missglückte Migrationspolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Aber auch die zeitweise menschenunwürdige Lage in den Auffanglagern für illegale Migranten und Asylbewerber in Griechenland spricht Bände. Offensichtlich sind eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten nicht Willens eine gemeinschaftliche und angemessene Migrationspolitik zu betreiben. Man kann sich deshalb des Eindrucks nicht erwehren, die Festung Europas werde von hartherzigen Burgherren gehalten.

Desto mehr Sprengkraft birgt der Fall Malta. Dieser Kontext ist es, der ihn so richtig abgeschmackt macht. Es ist nicht besonders kohärent, wenn Europa politische und Armutsflüchtlinge an der hohen Pforte abweist, gleichzeitig aber die Zugbrücke für Betuchte herunterlässt; ein solches Verhalten zumindest nicht entschieden missbilligt.

Dabei kann es nicht im Interesse der EU und ihrer Mitgliedstaaten sein den Eindruck entstehen zu lassen, Geld ebne den Weg in die ach so oft beschworene europäische Wertegemeinschaft. Denken wir nur an den Erweiterungsprozess und seine hohen Hürden. Um Teil der europäischen Gemeinschaft zu werden, nahmen etwa die zentral-osteuropäischen Staaten eine lange und einschneidende Transformation auf sich. Mit dem Verkauf der Staatsbürgerschaft ist dieser Prozess ad absurdum geführt.

Das Problem ist, dass der Verkauf der Staatsbürgerschaft das legitimierende Fundament angreift, auf das sich die europäische Wertegemeinschaft stützt. Damit schadet Malta der EU und ihren Bürgern. Gerade deshalb muss diesem Treiben ein Ende gesetzt werden und das zügig.

Bild © Government of Malta 2013

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