Was Trump für Föderalisten bedeutet

, von  Tom Vasseur, übersetzt von Marie Menke

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Was Trump für Föderalisten bedeutet

Obwohl Trump nun schon seit fast vier Wochen fester Bestandteil der internationalen Szene ist, bleibt einiges unklar. Trotz dieser Unsicherheit können wir geopolitische Konsequenzen, die seine Präsidentschaft für die Europäische Außenpolitik haben wird, und zum anderen die ideologischen Entwicklungen, die dahinter stecken, analysieren.

Beziehungen zwischen Europa und Amerika: die Kluft wird tiefer

In erster Linie bereiten vier Bereiche Sorgen: Außenpolitik, Wirtschaft und Handel sowie Umweltpolitik. Die von Trump vorgestellte außenpolitische Strategie hat das Potential, die Europäische Union und deren Einheit durch den Artikel 5 der NATO zu untergraben, sodass Europäische Politiker bereits dazu drängten, Trump gegenüber der NATO Loyalität verkünden zu lassen. Diplomatie wird nicht ausreichen, denn sobald Artikel 5 in Frage gestellt wird, ist die Stabilität und Macht der NATO gefährdet. Europäische Regierungen werden akzeptieren müssen, dass viele von ihnen tatsächlich ihre Chance vertan haben, den Schaden, den die NATO von sich getragen hat, durch finanzielle Mittel zu beheben. Europäische Länder mit NATO-Zugehörigkeit können nicht von den USA fordern, ihren Pflichten nachzukommen, wenn sie dies selbst nicht tun. Das Verteidigungsbudget wird auf 2% des BIP ansteigen müssen. Föderalisten sollten nicht das Ende der NATO entgegen sehnen, in der Hoffnung, dass darauf eine Europäische Armee folge.

Stattdessen sollten Föderalisten versuchen, eine Alternative zur NATO aus dem Inneren heraus zu bauen. Dies ist nötig, denn auch wenn die europäischen Mitgliedsstaaten ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen, bleibt mit Trump doch eine von Unsicherheit und Argwohn geprägte Stimmung. Es sollten daher zwischen der EU und der NATO europäische Strukturen aufgebaut werden, die die Leitung übernehmen könnten, sollte es zu einem Ende der NATO kommen.

Die Situation in der Ukraine ist dabei der nächste wichtige Punkt. Trump hat sich gewillt gezeigt, mit Putin zu verhandeln, um eine Eskalation der Beziehung zwischen den beiden Staaten zu vermeiden. Noch wissen wir allerdings nicht, was dies für die Ukraine bedeuten wird. Schon zu Obamas Zeiten hatten die EU und die USA in diesem Punkt unterschiedliche Interessen, aber immerhin bestand der Konsens, dass es nicht tragbar ist, wenn Teile der Ukraine zum Stellvertreter russischer Macht werden. Es ist nicht sicher, ob die USA nun ihre Einstellung der Ukraine gegenüber ändern wird, aber Föderalisten sollten gewarnt sein. Es darf nicht vergessen werden, dass Föderalisten zwar oft die Interessen der EU teilen, dies jedoch nicht immer der Fall sein muss. Sollte die USA ihren Kurs im Ukrainekonflikt ändern, wird die EU vielleicht dazu gezwungen sein, sich zwischen dem Halten der Beziehungen zu den USA und einer freien und unabhängigen Ukraine zu entscheiden. Wenn dies passiert, dürfen Föderalisten nicht vergessen, dass sie sich der Demokratie verschrieben haben.

TTIP

Dann wäre da noch TTIP. Waren die Verhandlungen um das transatlantische Handelsabkommen auch ohne Donald Trump schon nicht einfach, werden sie nun nur noch schwieriger. In diesem Punkt können Föderalisten und mehr noch gespaltener sein als bei der Frage rund um die NATO und die Ukraine. Es könnte ein Problem für jeden sein, wenn Europa darunter leidet, dass Donald Trump die amerikanische Industrie durch Zollbarrieren protegiert.

Klimawandel

Der Klimawandel hat zwar wenig mit der europäischen Einheit zu tun, dafür ist Trumps Klimawandelagenda umso wichtiger für alle von uns. In einer Zeit, in der Klimatologen zu dem Schluss kommen, dass es zu spät ist, um die von Menschen herbeigeführten Konsequenzen des Klimawandels noch auszugleichen, stellt Trump Pläne vor, die den Ausstoß von schädlichen Stoffen noch erhöhen werden. Auch hier kann es so zu einer größer werdenden Kluft zwischen der EU und den USA kommen. Auch wenn eine direkte Auflösung des Paris-Abkommens unwahrscheinlich ist, ist die beste, vorstellbare Option wohl, dass der Prozess stagniert und es keine Verschärfung geben wird. Föderalisten, die durchaus die Gefahr erkennen, die der Klimawandel für die Welt und für Europa bedeutet, sollten darauf drängen, dass die Mitgliedsstaaten freiwillig einwilligen, dass die EU darin gestärkt wird, im Bereich der internationalen Umweltpolitik handeln zu können. Damit können wir sichergehen, dass die USA nicht einzelne europäische Mitgliedsstaaten gegen andere ausspielen können. Gleichzeitig müssen wir im Hinterkopf behalten, dass auch die Europäische Kommission selbst in der Umweltpolitik nicht immer die Rolle eines Vorbilds gespielt hat.

Trump: eine Geschichte von verdrehter Hoffnung

Trumps Erfolg impliziert auch politisch-ideologische Konsequenzen. Aus dem gesamten politischen Spektrum folgten weltweit darauf Erstaunen und Enttäuschung. Jetzt da „die Populisten“ in eins der wichtigsten Büros dieser Welt einziehen werden, werden mit Sicherheit weitere folgen. Uns sollte aber Sorgen bereiten, wie wenig ernsthaft diese Vorgänge reflektiert wurden. Als Europäische Föderalisten sollten wir die Kategorien in Frage stellen, die bei einer solchen Analyse genutzt werden. In den Tagen nach der Wahl wurde hin und wieder Václav Havels Aussage angesprochen, dass „Hoffnung nicht dasselbe ist wie Optimismus. Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas am Ende gut werden wird, aber die Sicherheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es sich letztendlich entwickelt.“

Die Botschaft dahinter ist eindeutig: Clinton hat verloren, aber gibt nicht auf. Auch wenn Havels Beobachtung als Gegenposition zu Trump zitiert wird, könnte man diese Sichtweise auch anders interpretieren. Egal wie hart zu akzeptieren es sein mag, so verkörperte Trump doch eine Art von Hoffnung. Seine Wahlkampagne basierte nicht auf Hoffnung: Er lehnte den Mythos vom Glauben an die amerikanische Einzigartigkeit ab und zeigte auf, wie schlecht es um den „American Dream“ steht. Dennoch ist die Hauptaussage kein Ablehnen von Obamas Hoffnungspolitik, aber eine verdrehte Fortsetzung davon: Yes we can (make America great again) – Ja, wir können (die USA wieder groß werden lassen)!

Clintons Kampagne auf der anderen Seite hat eine optimistische Botschaft: America ist schon jetzt groß und die besten Jahre liegen noch vor uns, aber diese Botschaft war weit von der Lebensrealität vieler Amerikaner entfernt. Die fundamentale Unverträglichkeit von Optimismus mit reiner Unzufriedenheit war die größte Schwäche der Kampagne.

Dies ist natürlich nur grob skizziert. Trumps Kampagne enthielt auch optimistische Elemente und Clinton ignorierte nicht komplett die problematische Lage der USA. Dennoch findet dieses Muster in der EU Parallelen: In vielen Staaten ist das politische Feld aufgeteilt in den bereits bekannten Optimismus und auf der anderen Seite die, die wir als „Populisten“ bezeichnen. Erstere – und mit deren Ansichten identifiziert sich auch zu großen Teilen die föderalistische Bewegung – beschreibt die „Populisten“ als manipulativ und Uneinigkeit stiftend. Die populistische Botschaft wird nicht richtig als hoffnungsvolle Botschaft angesehen. Stattdessen kommt es zu einem Rückzug in den Optimismus: es gibt vielleicht Probleme und Herausforderungen, aber im Großen und Ganzen ist alles gut und wird besser. Föderalisten sollten einen distanzierteren, kritischeren Blick darauf werden. Viele Elemente dieser Bewegung – so zum Beispiel die trans-ideologische Orientierung oder der Fokus auf Einigung – machen es uns leicht, uns zu den Nicht-Populisten zu stellen. Gerade die Präferenzen einzelner nationaler Regierungen bezüglich nationalem Egoismus entsprechen aber nicht denen der Föderalisten und haben die „Krise“ unserer Zeit verlängert und verschlimmert – bis zu einem Ausmaß hin, bei dem der Begriff Krise der Situation nicht mehr gerecht wird. Wiederholt wurden die Basiselemente der europäischen Integration gefährdet. Wenn sie die Wahl hatten, mit dem Finger auf andere zu zeigen und Vorurteile auszunutzen oder die Fehler ihres eigenen Handelns zuzugeben, wurde erstere Variante gewählt.

Es gibt vieles, mit dem Föderalisten ebenso wie andere unzufrieden sein können. Die föderalistische Bewegung muss mehr als nur eine Minderheit sein und zu einer konstruktiven Gegenbewegung werden. Noch eine Lektion kann aus Clintons Scheitern gelernt werden: Dies ist die Zeit, in der ein entschiedener Kampf für die eigenen Ideale nicht länger Untauglichkeit bedeutet. Und das ist, was wir tun sollten.

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