Wahlen in Moldau

15 Jahre Stürmung des moldauischen Parlaments

, von  Hendrik Heim

15 Jahre Stürmung des moldauischen Parlaments
Demonstrierende vor dem Verwaltungsgebäude der Regierung während der Proteste in Chişinău im April 2009. Quelle: VargaA CC BY-SA 4.0 auf https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Chisinau_riot_2009-04-07_29.jpg

Wenn Moldau am 20. Oktober sein neues Staatsoberhaupt bestimmt, passiert das durch freie und sichere Wahlen. Und das ist gut so. Denn in einem Europa, das von Krisen und von aufkommendem Populismus erschüttert ist, sind funktionierende Demokratien enorm wichtig. Vor 15 Jahren hingegen löste die moldauische Parlamentswahl 2009 eine politische Krise aus. Ein Rückblick auf Moldaus jüngere Geschichte.

How to Wahlrecht in Moldau

Bevor wir tiefer ins Thema einsteigen, brauchen wir die Grundlagen zur Politik in Moldau. Die Republik Moldau entstand 1994, drei Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. Die Regierungsform ist ein „semipräsidentielles Regierungssystem“. Das Staatsoberhaupt ist ein starker Präsident oder, wie aktuell, eine Präsidentin. Das bedeutet, dass die Person die Republik nach innen und außen vertritt und dabei politische Entscheidungen trifft. In Deutschland ist das zum Beispiel anders. Unser/e Bundespräsident*in hat weitestgehend repräsentative Aufgaben und hält sich aus dem politischen Tagesgeschäft raus. Neben dem/der Präsident*in gibt es in Moldau auch noch eine*n Ministerpräsident*in, der*die die Regierung führt. 2024 wird aber nur das Staatsoberhaupt gewählt - es finden Präsidentschaftswahlen statt. Diese Aufgabe war von 2000 bis 2016 noch dem Parlament vorbehalten. Als gewählt galt, wer mindestens 60% der Stimmen auf sich vereinen konnte. Seit 2016 wählen die Bürger*innen den/die Präsident*in direkt. Eine Wahlperiode dauert vier Jahre.

Begeben wir uns nun ins Jahr 2009 und beschäftigen uns mit der politischen Krise in vier Phasen:

Phase 1 – Wirtschaftskrise und leere Versprechen

Seit 2001 war in Moldau die Partei der Kommunisten (PCRM) unter der Führung von Staatspräsident Vladimir Voronin an der Macht. Er war damals angetreten, um das Land sozial und wirtschaftlich nach vorne zu bringen. Denn korrupte Eliten hatten in den 90ern die Politik und die Medien kontrolliert und das Land in die Armut gestürzt. Doch auch im April 2009 war die Korruption noch immer nicht bekämpft. Das Land sah sich noch dazu von einer globalen Wirtschaftskrise gebeutelt. Die Arbeitslosenquote war weiterhin hoch, die Zukunftschancen eher mau. So verlor die kommunistische Regierung immer mehr an Zuspruch und nach acht Jahren Regierungszeit galten Voronins Wahlversprechen als gescheitert.



Der russische Präsident Putin mit dem moldauischen Präsidenten Voronin im Jahr 2001. Quelle: ©Kremlin.ru by Presidential Press and Information Office CC BY 3.0. 19.01.2001


Phase 2 – Die Wahl und ihre Folgen

Im April 2009 standen die Parlamentswahlen an. Wer Präsident*in und Regierung stellen wollte, brauchte eine Drei-Fünftel-Mehrheit von 101 Sitzen im Parlament. Vorherige Wahlprognosen sahen die regierenden Kommunisten unter Vladimir Voronin deutlich unter diesem Wert. Während auf dem Land noch viele der Kommunistischen Partei treu blieben, lagen die Hochburgen der Oppositionen besonders in den Städten und in Transnistrien, einer international nicht anerkannten unabhängigen Exklave Moldaus. Trotz schlechter Umfragewerte konnte die Regierungspartei eine umstrittene Regelung im Wahlrecht nutzen, nach der Parteien erst ins Parlament einziehen, wenn sie sechs Prozent der Stimmen erzielen. Am 5. April fand daraufhin die fünfte Wahl zum moldauischen Parlament statt. Vollkommen entgegen der Prognosen und durchgeführten Nachwahlbefragungen, erlangten die Kommunist*innen nach dem vorläufigen Endergebnis, ganz knapp die nötige Mehrheit im Parlament. Dieses Ereignis überraschte viele Wahlbeobachtende und löste Ungläubigkeit aus. Einige Wähler*innen waren wütend und zweifelten die Gültigkeit der Wahl an. Ein Grund – ausländischen Staatsbürger*innen war das Wählen nur erschwert möglich.

Phase 3 – Demonstrationen

Besonders junge Moldauer*innen waren wütend auf die Regierung und erkannten das Ergebnis der Wahl nicht an, das vier weitere Jahre der kommunistischen Führung in Aussicht stellte. Zwei Tage nach der Wahl stürmten tausende gewaltsame Oppositionelle das Parlament und den Präsidentensitz. Die Demonstrant*innen waren vor allem Jugendliche. Ihr Ziel – Neuwahlen. Bei den Ausschreitungen starb eine junge Frau und es kam zu 50 Verletzten. Die kommunistische Regierung bezeichnete die Ausschreitungen als „versuchten Staatsstreich“. Die gewaltsamen Proteste zeigen, wie gespalten das Land damals war. Das war jedoch noch nicht das letzte Kapitel dieser folgenschweren Wahl.



Protestausschreitungen in Chisinau nach den Parlamentswahlen 2009. Quelle: © VargaA CC BY-SA 4.0. 07.04.2009


Phase 4 – Eine Stimme verhindert die Kommunisten

Drei Tage nach der Wahl korrigierte die Wahlleitung das Ergebnis leicht. Danach kam die Kommunistische Partei nur noch auf 60 statt 61 Sitze. Somit brauchte die Partei mindestens eine Stimme der Opposition, um einen Präsidenten wählen zu können. Aus Protest über die vermeintliche Wahlfälschung verweigerten die Oppositionsparteien aber, mit den Kommunisten zu kooperieren. Staatspräsident Vladimir Voronin sah sich gezwungen, das neu gewählte Parlament aufzulösen. Bereits am 29. Juli 2009 fanden zum wiederholten Mal Neuwahlen statt. Die Partei der Kommunisten bekam dabei nur noch 42 Prozent der Stimmen, erneut war die Wahl eines/einer Präsident*in unmöglich. Erst 2012 konnte wieder ein Präsident gewählt werden. Bis dahin übte der Parlamentspräsident die Rolle des Staatsoberhaupts kommissarisch aus.

Moldau heute – westlicher, stabiler, aber nicht unbedingt demokratischer

Vergleicht man Moldau 2009 mit heute, orientiert sich das Land inzwischen stärker westlich. Neue Regelungen im Wahlrecht, wie die Direktwahl des Präsidenten, verhindern heute ein solches politisches Chaos. Auf dem Demokratieindex ist Moldau in den letzten 15 Jahren leicht angestiegen. Von Platz 68 in 2010 auf Platz 65 in 2023. Auch wenn die Kommunistische Partei mittlerweile keinen Einfluss mehr in der Politik Moldaus hat, ist das Land auch 2024 noch sehr weit vom EU-Beitritt entfernt. Denn dafür bräuchte es eine robuste Marktwirtschaft und einen stabileren Rechtsstaat. Vorhaben, an denen die aktuelle Präsidentin Maia Sandu im Falle einer Wiederwahl kontinuierlich arbeiten möchte.

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