Eine süße Feier mit fadem Beigeschmack?
Zu einer Zeit, da sich jeder über den Rücktritt Mubaraks freut, darunter auch ein Teil von mir, komme ich nicht umhin auch ängstlich zu sein. Die wunderbare Volksbewegung, die in Tunesien geboren wurde und nun dabei ist, sich in der ganzen arabischen Welt oder gar darüber hinaus auszubreiten, und an dessen Spitze Ägypten steht, verdient unsere Bewunderung –auch die meinige – denn es handelt sich um eine Revolution, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Mein Kollege Schams El-Ghoneimi hat es besser erklärt, als ich es jemals könnte, und ich schließe mich seinem Lob des Mutes und der Würde unserer Landsleute an. Der Rücktritt Mubaraks war notwendig, davon bin ich überzeugt. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die mit dem islamistischen Schreckgespenst kommen und auf sein unbedingtes Bleiben pochten.
Allerdings, und ich mache mir schreckliche Vorwürfe deswegen, schaffe ich es einfach nicht diese dumpfe Angst, die mich erschüttert, sobald ich an die Zukunft meines Landes denke, zum Schweigen zu bringen. Denn Mubarak hinterlässt einen Staat ohne politisches Leben, niedergeschmettert von der jahrzehntelangen unerbittlichen Diktatur und basierend auf einem Polizeiregime, das ungeniert Folter betrieb. Aber es ist das aktuelle Chaos, das mich in Angst und Schrecken versetzt.
Das Volk gegen Mubarak – aber für wen?
Heute ist niemand im Stande vorherzusagen, welchen Weg Ägypten nehmen wird, genauso wenig, wie gestern Niemand die Revolution vorhersagen konnte. Und diese Unsicherheit erlaubt es mir nicht, den allgemeinen Optimismus zu teilen – zu meiner großen Schande.
Denn woraus besteht die ägyptische „Opposition“ in dem gegenwärtigen Wirrwarr? Die wichtigste Kraft ist niemand anderes als die Muslimbruderschaft. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich lehne es ab, mich der Furcht zu bedienen, die dazu führte die Diktatur zu rechtfertigen, so wie es die westlichen Diplomaten lange pflegten. Aber Tatsache ist, dass die islamistische Option besteht.
Diese Möglichkeit ist der Nährboden, auf dem meine Befürchtungen gedeihen. Glauben Sie mir, ich hoffe aus vollem Herzen, dass meine Landsleute den Islamismus ablehnen werden, und ich weiß glücklicherweise, dass viele von ihnen dies längst tun.
Die Armee allein am Steuer
Schließlich möchte ich anmerken, dass konträr zu dem, was alle Welt zu glauben scheint, das Regime nicht gefallen ist. Es handelt sich vielmehr um Militärs, die einen anderen Militär, Mubarak, ersetzt haben. Auch wenn derjenige, der das Regime verkörperte, weg ist, so bleibt das Regime selbst– wenigstens während der Übergangsphase. Und diese ist durchzogen von vagen Begrifflichkeiten, vielleicht sogar absichtlich.
Denn Nichts bindet die Armee wirklich an ihre Versprechen, und man muss sich die Frage stellen, ob diese Armee freiwillig auf ihre Privilegien und beträchtliche Machtbefugnisse verzichten will und kann. Auch wenn man auf die Aufrichtigkeit der Militärelite hoffen muss, so ist es dennoch angesagt, gleichzeitig zu zweifeln und nicht in Naivität zu versinken.
Sollte die Armee gegen ihre Versprechen verstoßen, würden die Ägypter ohne Zögern zurück auf die Straße gehen – zu Recht. Dies würde jedoch bedeuten, dass zu jetzt schon hunderten von Todesopfern neue hinzukämen, zumal die Armee nicht wie zuvor als Vermittler fungieren würde. Die Demonstranten würden ihr diesmal direkt gegenüberstehen. Es zeichnet sich somit ein unheilvoller Schatten am Horizont ab, der mir unerträglich erscheint, und dessen Namen ich kaum auszusprechen wage: der Bürgerkrieg.
Ich hoffe aufrichtig, dass mich die Geschichte eines Besseren belehren wird, und dass ich in ein paar Jahren den 11. Februar auf dem Tahrir-Platz als Geburt der ägyptischen Demokratie feiern werde.
Aber zur Stunde, auf die Gefahr hin als miesmacherischer Pessimist zu gelten, ist mir nicht zum Feiern zumute. Und das bedauere ich.
1. Am 25. Februar 2011 um 17:25, von Frank Stadelmaier Als Antwort Ägypten: Was kommt nach der Revolution?
Die Angst ist besiegt! Das ist das Fazit, das man von vielen hört, die in der Region leben, dort ihre Wurzeln haben oder sich professionell mit ihr beschäftigen. Es geht um die Angst, sich zu äußern, frei zu sein, zu leben. Ein Mensch zu sein. Insofern wäre es schade, sich von einer neuen Angst vereinnehmen zu lassen, die sich doch in der neuen, offenen Situation in gestalterische Energie umwandeln lässt. Energie, die bei der Ausprägung der neuen Herrschafts- und Gesellschaftsstrukturen mithelfen kann. Die Befürchtungen des Autors scheinen berechtigt, doch die wahre Angst, die Angst zu leben, sich frei zu äußern, mitzugestalten, die ist besiegt. Diese Angst darf nicht wiederkehren, und das ist das entscheidende.
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