Ausnahmezustand und neues Arbeitsgesetz – Was ist los in Frankreich?

, von  Gesine Weber

Ausnahmezustand und neues Arbeitsgesetz – Was ist los in Frankreich?
Die „Nuit debout“ ist eine Protestbewegung, die seit März 2016 in Paris und anderen Städten des Landes gegen geplante Änderungen des Arbeitsrechts demonstriert. © Kwikwaju / Flickr / CC BY-NC 2.0-Lizenz

Nachrichten aus Frankreich sind in den letzten Wochen omnipräsent – vom verheerenden Anschlag in Nizza über das Geiseldrama in Saint-Etienne-de-Rouvray bis hin zum Arbeitsgesetz. Die Lage in der Grande Nation scheint chaotisch, auch die Flut an Informationen durch die Medien wirkt teilweise erschlagend. Ein Überblick über die aktuellen Geschehnisse im Land.

Anschlag in Nizza und Terrorismus-Debatte

Schon vor dem Anschlag in Nizza am 14. Juli war die Debatte über innere Sicherheit in Frankreich in vollem Gange. Etwa zwei Wochen vor dem Anschlag hatte ein dafür zuständiger Untersuchungsausschuss der französischen Nationalversammlung seinen Bericht zu den Anschlägen im Jahr 2015 vorgestellt. Dieser Bericht kritisierte die mangelnde Kooperation der einzelnen Einheiten, da laut Bericht die Spezialeinheiten nur unterstützend tätig gewesen seien.

Mit dem Anschlag in Nizza hat sich der Ton in der Debatte verschärft. Nachdem bei dem Anschlag am Nationalfeiertag über 80 Menschen getötet und mehrere Hundert verletzt wurden, steht die Regierung nun noch stärker in der Kritik als zuvor. Insbesondere Innenminister Cazeneuve wird stark kritisiert; er habe die Sicherheit in Nizza nicht ernst genug genommen, wirft ihm beispielsweise der Präsident der Region vor. Die innere Sicherheit ist schon jetzt, im beginnenden Wahlkampf, dominierendes Thema. Insbesondere die rechtsbürgerlichen Republikaner machen sich das Thema zu eigen, um sich klar von der Regierung abzugrenzen; hetzerischer sind die Thesen des Front National, der wie zuvor Muslime unter Generalverdacht stellt und den friedlichen Islam mit Islamismus gleichsetzt.

Ausnahmezustand

In ihrer Sitzung am Dienstag hat die französische Nationalversammlung für eine Verlängerung des Ausnahmezustands um weitere sechs Monate gestimmt. Dies ist einerseits ein politisches Novum, da normalerweise nur eine Verlängerung um drei Monate vorgenommen wird. Darüber hinaus spiegelt sich aber auch hier der beginnende Wahlkampf, da die Verlängerung zunächst eine Forderung der Republikaner war, aber von den in der Nationalversammlung mehrheitlich vertretenen Sozialisten dennoch angenommen wurde.

Zudem bedeutet die Verlängerung, dass sich Frankreich nun bis Ende des Jahres im Ausnahmezustand befinden wird – und damit insgesamt mehr als ein Jahr, da der Ausnahmezustand zunächst nach den Anschlägen in Paris im November 2015 verhängt worden war. In Frankreich zeigt sich eine gewisse Müdigkeit gegenüber diesem Zustand; viele Franzosen zweifeln an seiner Effektivität und wünschen sich stattdessen konkretere Maßnahmen zur Terrorbekämpfung.

Das neue Arbeitsgesetz

Nach monatelangen Diskussionen ist das neue Arbeitsgesetz gestern verabschiedet worden. Kritiker werfen der Regierung vor, vor allem Unternehmen zu stärken und die Arbeitnehmerrechte stark einzuschränken. Das Gesetz könnte man als eine sehr reduzierte Version der Agenda 2010 bezeichnen; es sieht unter anderem eine Abschaffung der 35-Stunden-Woche vor und Erleichterungen beim Kündigungsschutz. Ebenso enthält es allerdings auch beispielsweise eine Jugendgarantie, welche die Umsetzung des gleichnamigen Eu-Projektes bedeutet. Hiermit soll die Jugendarbeitslosigkeit, die in Frankreich bei etwa 25% liegt, durch ein Förderprogramm und staatliche Hilfe bekämpft werden.

Die Regierung hat mit dem Gesetz, welches eines ihrer zentralen Anliegen war, jedoch wohl kaum einen Gewinn gemacht. Die Akzeptanz des Gesetzes war zu keiner Zeit in der Bevölkerung gegeben, auch jetzt lehnen noch etwa zwei Drittel der Franzosen das Gesetz ab, auch wenn sie zugleich die Notwendigkeit von Reformen bejahen. Auch für den politischen Zusammenhalt der Linken war das Gesetz alles andere als vorteilhaft: Der linke Flügel der Regierungspartei fühlt sich verraten, auch die Grünen können dem Gesetz nichts abgewinnen. Diese Tatsache trug dazu bei, dass das Gesetz in der Nationalversammlung keine Mehrheit bekam – und von der Regierung trotzdem durchgepeitscht wurde. Die französische Verfassung sieht vor, dass ein Gesetz als angenommen gilt, wenn die Regierung dafür in Verantwortung gezogen wird und es kein erfolgreiches Misstrauensvotum gibt.

Dies alles wird sich auf den Wahlkampf in hohem Maße auswirken – dieser wird allerdings erst im September richtig beginnen, wenn die französische Politik aus den Ferien zurück ist.

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