Wieder einmal wurde viel diskutiert in Brüssel, die nationalen Medien wählten die Metapher der „Schlacht“ und James Cameron als angelsächsischer Feldherr streitete für einen geringen Anstieg des EU-Budgets. „This is completley unacceptable“, sagt er in einer Stimme, die einen mehr an ein boshaftes und geltungssüchtiges Kind erinnert, als einen verantwortungsvollen Staatsmann. Da tut es gut, dass der luxemburgische Premierminister Juncker ins Gedächtnis ruft, worum es bei dem Gipfel letztes Wochenende eigentlich gegangen ist: „Es geht um die Zukunft des europäischen Wirtschaftsraums. Wir sitzen alle in einem Boot!“, versucht er gereizt den Journalisten klar zu machen.
Es geht um die Zukunft des europäischen Wirtschaftsraums. Wir sitzen alle in einem Boot!
Zentraler Punkt der Reformdebatte ist eine Verbesserung und Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Während 2005 die Regierungschefs noch auf eine flexiblere Auslegung drängten, weil Deutschland und Frankreich bereits im Vorfeld mehrmals gegen den Pakt verstießen und Rechtsstreitigkeiten provoziert hatten, schreit nun der beschränkt-nationale Zeitgeist nach mehr Haushaltsdisziplin.
Wenn man sich die Haushalte der Mitgliedstaaten anschaut, ist das auch bitter nötig und längst überfällig. Dabei sehen die Kommissionsvorschläge einen sehr sinnvollen Ansatz vor, um langfristig ein Einhalten der Maastricht-Kriterien zu erreichen (Weniger als 3% Haushaltsdefizit und geringer Schuldenquote als 60 % des BIP). Einerseits soll die präventive Koordinierung der Wirtschaftspolitiken effektiver gestaltet werden, zum anderen sollen die korrektiven Sanktionsmöglichkeiten glaubwürdiger und abschreckender sein. Im Defizitverfahren soll vor allem das Ermessen des Rates zurückgedrängt werden; die Finanzminister sollen in Zukunft einen Vorschlag der Kommission über Sanktionen nur noch mit zweidrittel Mehrheit innerhalb von 10 Tagen zurückweisen dürfen(umgekehrtes Mehrheitsprinzip).
Auch die kleinen Mitgliedstaaten sollten sich an dieser Stelle noch einmal den Satz von Juncker vor Augen führen: „Wir sitzen alle in einem Boot.“ Da alle von guter Haushaltspolitik profitieren, bringt es nämlich wenig, den Teufel eines neuen „German Reichs“ an die Wand malen. Zudem will die Kommission in ihren Vorschlägen zur präventiven Wirtschaftskoordinierung ohnehin verstärkt auch so genannte Wirtschaftsungleichgewichte in den Blick nehmen, d.h. damit auch die Exportüberschüsse Deutschlands. Der Vorwurf, die Deutschen wollen die kleinen Staaten einem Spardiktat unterwerfen, ist daher, milde gesagt, irreführend.
Blöd nur, dass wir seit dem Wochenende wissen, dass sich Berlin womöglich bei der Vorstellung, blaue Briefe aus Brüssel zu erhalten, selbst nicht so wohl gefühlt hat. Insbesondere hat Merkel auf ihren noch im September geforderten vollautomatischen Sanktionsmechanismus verzichtet. Zwar sollte auch bereits nach dem Vorstellungen von Olli Rehn das Ermessen des Rates zur Eröffnung des Verfahrens (sogenannte Feststellung eines übermäßigen Defizits) bestehen bleiben, Sanktionen hätten dann aber eher gegriffen, als es nun nach Vorstellung der Regierungschefs der Fall sein soll. Diese wollen hingegen noch eine Art Zwischenstufe bestehen lassen, d.h. das dem Mitgliedstaat zunächst eine vom Rat zu bestimmende Frist gesetzt werden muss, geeignete Maßnahmen zu treffen, um das Defizit abzubauen. Kommentatoren sehen hier einen Hebel, Sanktionen zu erschweren.
Bereits im Vorfeld einigten sich Sarkozy und Merkel in ihrem Treffen auf diesen Deal, dem nun die Mehrheit der Finanzminister gefolgt ist. „Sünder richten über Sünder“, so heißt das Schlagwort und lässt erahnen, dass es die Vernunft der Kommission so schwer haben wird in der Zukunft. Daher kommt es nun auf das Europaparlament an: Die Berichterstatterin Corien Wortmann-Kool (NL, EPP) im Parlament für den Stabilitäts- und Wachstumspakt sagte bereits im Vorfeld selbstbewusst: „Wir sind bereit unsere Rolle zu spielen. Wenn die Mitgliedstaaten entscheiden, ist die Gefahr einer Politisierung einfach zu groß.“ Man darf auf jeden Fall gespannt sein. Wir sollten den Parlamentariern viel Geschick und Glück wünschen!
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