Debatte um EU-Richtlinien: Die JEF muss sich für die Subsidiarität stark machen

Bei den Forderungen nach europäischer Demokratie, sollte immer auf die Subsidiarität geachtet werden. Denn die EU-Bürokratiekosten machen den Kommunen zu schaffen.

, von  Niklas Kramer

Debatte um EU-Richtlinien: Die JEF muss sich für die Subsidiarität stark machen

Die diskutierte Richtlinie im Bereich der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen hat bereits für einen großen Aufschrei gesorgt. Die EU-Kommission wolle das Wasser privatisieren, so lautet die Schreckensnachricht. Dass dies zu schrill ist wurde bereits an mehreren Stellen hervorgehoben. Die Richtlinie überlässt den Kommunen einen Spielraum, in dem sie weiterhin vergabefrei agieren können. Eine Zwangsprivatisierung findet nicht statt. Doch unproblematisch ist die Sache dennoch nicht.

Die Debatte um die Dienstleistungsrichtlinie steht letztlich für ein Fanal seit Jahren steigender Regulierungsanforderungen gegenüber Kommunen, welche sich zunehmend unverstanden fühlen. Sie sind frustriert und klagen über eine Brüssler Bevormundung. „Die Kommission sollte endlich den in den seit Lissabon vertraglich statuierten Schutz der regionalen und lokalen Selbstverwaltung ernst nehmen“, sagt zum Beispiel Joachim Reck, der Präsident des europäischen Spitzenverbandes kommunaler Unternehmen (CEEP) in einem Interview, das demnächst in diesem Onlinemagazin erscheinen wird.

Nicht die Kommunen müssen sich rechtfertigen!

Und tatsächlich sind die Klagen der Kommunen ernst zu nehmen. Sicherlich nicht in einem anti-europäischen Sinne, sondern im Rahmen einer konstruktiv-kritischen Haltung, welche die JEF Deutschland bereits mit einem Beschluss über Wasser als Menschenrecht auf dem Bundesausschuss vom 1. bis 3. Februar eingenommen hat. Sollte die Konzessionsrichtlinie durchkommen, werden sich für die Kommunen Schwierigkeiten stellen, die Tradition sogenannter Mehrsparten-Unternehmen aufrecht zu erhalten. Auch die ja eigentlich unter dem Zeichen der Modernisierung stehenden PPP-Projekte werden damit noch einmal mehr an Reiz verlieren, weil bei kleinsten Beteiligungen von Privaten der Vergabezwang besteht.

Gegen diese Befürchtung wird eingewandt, dass sich die Kommunen durch Aufspaltung der Unternehmen innerhalb der Sektoren anpassen könnten – dies sei ordnungspolitisch ohnehin sauberer. Ist das überzeugend? Abgesehen von dem weiterhin bestehenden Modernisierungswiderspruch im Bereich der PPP, ist der wirtschaftliche Nutzen derartiger Umstrukturierungen fraglich. Auch muss nachgehakt werden, ob hier der Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung überhaupt gerechtfertigt ist. Es geht um einen Perspektivenwechsel: Nicht die Kommunen müssen sich erklären, sondern Brüssel.

Die Frage ist dann: Erfordern Wettbewerb und Binnenmarkt wirklich diese Regularien? Müssen die Kommunen wirklich alles ausschreiben? Müssen die Kommunen bei der Finanzierung ihrer Daseinsvorsorge wirklich an Flexibilität einbüßen, weil alles transparent und wettbewerbskonform ablaufen muss?

In Zeiten der Eurokrise in denen um eine Europäische Wirtschaftsregierung gekämpft wird, ist eine solche sinnvolle Kompetenzabgrenzung umso dringender. Freilich muss man eingestehen: Die Kommission hat bereits auf den politischen Druck reagiert und versucht, mehr Spielraum und Flexibilität für die Kommunen zu ermöglichen. Es gibt Schwellenwerte, unter denen die öffentlichen Stellen grundsätzlich frei agieren können. Dabei verstrickt sie sich jedoch leider in einem Geflecht von Ausnahmen, was das Ganze noch komplizierter macht als vorher. Teure Gutachter von außen müssen her, weil die Juristen der lokalen Verwaltungen kaum noch durchblicken.

Demokratisierung reicht nicht – Es braucht Subsidiarität!

Ein weiteres Problem ist die unklare Rechtslage: Die Kommission bewegt sich in einem Feld, das rechtlich nicht eindeutig definiert ist. Denn die Mitgliedstaaten und das Europaparlament haben entweder gar keine Gesetze erlassen oder lediglich grobe Regeln, dessen Auslegung sie der Kommission und den Richtern überlassen.

Die JEF und Wissenschaftler wie Manuel Müller kritisieren dies schon länger, da die Demokratie darunter leide: Erst wenn ein richtiger Meinungskampf im Europaparlament bestehe und eine politisierende Opposition vorhanden sei, könne es eine sinnvolle und rationale Kontrolle geben.

Das ist eine berechtigte Forderung. Was macht man allerdings, wenn die Mitgliedstaaten ganz andere Traditionen haben und so etwas wie das deutsche System der kommunalen Selbstverwaltung gar nicht kennen? Was macht man, wenn die Europaparlamentarier in Brüssel auch bei einer gesteigerten Demokratisierung nicht so recht den Wert der kommunalen Selbstverwaltung verstehen? Als Junge Europäische Föderalisten können wir daher nicht nur eine Demokratisierung fordern: Bei einem möglichen neuen Konvent müssen neben der Wirtschaftsregierung auch die ebenfalls alte JEF-Forderung nach dem Subsidiaritätsprinzip und einer klaren Kompetenzordnung auf den Tisch kommen.

Ihr Kommentar
  • Am 11. Februar 2013 um 01:29, von  Stephanell Als Antwort Debatte um EU-Richtlinien: Die JEF muss sich für die Subsidiarität stark machen

    Ich freue mich echt mal einen Deutschen zu lesen, der sich über Wettbewerb beschwert. Sehr unerwartet, das ist eine grosse Premiere für mich.

    Ich muss gestehen, dass diese PPP-Frage mir eher sehr technisch scheint und ich kann mir schwierig vorstellen, woher sich die JEF damit beschäftigen sollte / könnte.

    Diese Organisation sollte nie das Ziel des Föderalismus vernachlässigen statt zu versuchen, die Arbeit von (vielen) anderen Lobby-Gruppen zu übernehmen. Subsidiarität ist natürlich ein wichtiger Bestandteil des Föderalismus, aber wie Subsidiarität sich in eine Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge überstetzen lassen kann, ist eine Frage, die auf zwanzig verschiedene Antworten führen kann, und die EU verabschiedet jedes Jahr Hunderte von neuen Richtlinien, und nicht nur über Auftragsvergabe...

  • Am 12. Februar 2013 um 13:35, von  Christoph Als Antwort Debatte um EU-Richtlinien: Die JEF muss sich für die Subsidiarität stark machen

    Lieber Stephanell,

    der Treffpunkt Europa online hat sich schon immer auch als kritisches Organ gesehen und hat durchaus auch die dunklen Seiten des Wettbewerbs beleuchtet. Jüngst erschien hier etwa der Artikel von Sven Giegold MdEP, der sich sehr kritisch gegenüber einem europäischen Steuerwettbewerb äußert hat: http://www.treffpunkteuropa.de/Russlands-Oligarchen-sind-nicht-der-teuerste-Skandal,05531

    Aber bereits vor über einem Jahr wies ich in einem Artikel schon auf diese Problematik hin: http://www.treffpunkteuropa.de/Die-heimliche-Transferunion,04677

    In eine ähnliche Richtung argumentieren folgende Artikel: http://www.treffpunkteuropa.de/Arbeitsmigration-in-der-EU-eine-Kritik,05069 http://www.treffpunkteuropa.de/Steuerharmonisierung-jetzt,04493

    Gerade bezüglich hinsichtlich Steuern haben wir uns also durchaus über einen sinnlosen Wettbewerb beschwert, der den Mitgliedstaaten keinen nutzen bringt, da sie sich nur gegenseitig ausspielen, anstatt zusammen an einem Strang zu ziehen und Steuersätze abzusprechen oder Mindeststandards einzuführen.

  • Am 14. Februar 2013 um 18:21, von  Niklas Als Antwort Debatte um EU-Richtlinien: Die JEF muss sich für die Subsidiarität stark machen

    Hallo Stephanell,

    erstens dachte ich versuchen wir als JEFer Vorurteile über „den Deutschen“ und „den Franzosen“ hinter uns zu lassen. Dein Satz klingt also ziemlich arrogant. Zweitens geht es bei dem Prinzip der Subsidiarität um den Versuch einen rechtlichen Rahmen zu stecken gegenüber einer zentralisierenden Instanz. Das ist tatsächlich schwierig, muss aber angestrebt werden. Dabei habe ich weder gefordert dass sich die JEF über PPP und speziell zur Vergaberichtlinie (letzteres wenn auch eher) umbedingt äußern muss. Aber wir brauchen gute Antworten auf die Ängste des Föderalismus als Gleichmacherei. Da braucht es mehr als nur die Forderung nach mehr Demokratisierung und Politisierung auf Brüssel Ebene!

  • Am 16. Februar 2013 um 15:09, von  Stephanell Als Antwort Debatte um EU-Richtlinien: Die JEF muss sich für die Subsidiarität stark machen

    Ich denke dass alle sich über Wettbewerb beschweren können; bzw jeder über den Wettbewerb, der ihm nicht gefällt. Und dementsprechend wirft man Europa mängelnde oder übermässige Harmonisierung vor.

    Die einen sprechen dann von Gleichmacherei, die anderen von entfesseltem Wettbewerb oder Deregulierung.

    Aber diese beide Attitüden sind letztendlich genau die gleiche : es geht um die Verteidiung von Interessen, um die Definition einen Gemeinwohls. Es hat wenig mit Subsidiarität zu tun.

  • Am 16. Februar 2013 um 20:07, von  Niklas Als Antwort Debatte um EU-Richtlinien: Die JEF muss sich für die Subsidiarität stark machen

    Ja nur ist die Frage wo dieses Gemeinwohl definiert werden soll, was nicht immer auf EU-Ebene geschehen kann. Das ist der Kern. An dieser Stelle sage ich die Kommunen müssen in ihren Entscheidungen grundsätzlich frei bleiben, wenn Sie mit ihren öffentlichen Diensten betrauen. Würde man dies ernst nehmen, dann bräuchte man auch keine gegensteuernden Maßnahmen auf europäischer Maßnahme im Sinne einer Harmonisierungsrichtlinie... Das hat also sehr viel mit Subsidiarität zu tun!

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