Den europäischen Politkern fällt es schwer, Ausgaben für Entwicklungshilfe für Länder in der Ferne zu legitimieren, angesichts der hohen heimischen Arbeitslosigkeit, einer drohenden Rezession und scharfen Einschnitte im Haushalt. Griechenland etwa verwendete 2011 nur 0.11% seines Bruttonationaleinkommens für offizielle Entwicklungshilfe. Dieser Anteil soll sich zwar bis 2015 auf 0.7% erhöhen, doch wie soll dieses Vorhaben einer zutiefst verunsicherten Bevölkerung vermittelt werden?
Die Ausgaben für Entwicklungshilfe der Kommission hingegen sind im auf sechs Jahre angelegten Haushalt der EU eingebettet. Diese Mittel sind zwar geperrt, so dass sie weniger gefährdet sind, zum Spielball politischen Drucks zu werden, nichtsdestotrotz benötigt die Aufrechterhaltung der Legitimation europäischer Entwicklungspolitik sowohl Kreativität, als auch eine effiziente Finanzierung. In diesem Kontext hat die Europäische Kommission die “Agenda for Change” (Agenda für Veränderung) vorgestellt.
Die “Agenda for Change”
Das Hauptziel der “Agenda for Change” ist eine Verbesserung von Effektivität und Effizienz im globalen Kampf gegen die Armut. Da die Kommission mit einem Etat von 11 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe der zweitgrößte Spender der Welt nach den USA ist, würden diese Reformen signifikante Verbesserungen bedeuten. Die Kommission hat verschiedene Vorschläge unterbreitet. Sie möchte eine bessere und engere Kooperation sowohl zwischen den Mitgliedsstaaten, als auch mit den Empfängerländern der Hilfszahlungen erreichen, da die Mitgliedsstaaten bisher immer noch zu 80% selbst über die Gelder verfügen. Engere Kooperation würde deshalb bedeutende Vorteile mit sich bringen. Da die EU außerdem keine Last einer Kolonialvergangenheit tragen muss, hat sie zusätzlich die Möglichkeit mit einem reinen Tisch gegenüber Hilfsempfängern zu beginnen. Weiterhin ist eine bessere Koordination zwischen Innen- und Außenpolitik der EU notwendig. So ist es beispielsweise schwierig, örtliche Farmen zu fördern, wenn der Markt mit europäischen Agrarprodukten in Folge von Exportsubventionen überschwemmt wird.
Die Hilfen müssen zwei Prioritäten untergeordnet werden: An erster Stelle steht die Beseitigung der Armut, zusammen mit einer verantwortungsbewussten Regierungsführung und einem beständigen Wirtschaftswachstum. Zweitens muss die Hilfe für so genannte Schwellenländer zugunsten ärmerer Länder zurückgefahren werden. Schwellenländer sind die Staaten, die sich heute als die führenden Volkswirtschaften der Zukunft abzeichnen. Es wird angenommen, dass sie ausreichende Mittel generieren, um sich in naher Zukunft selbst weiterentwickeln zu können. So erhielt China beispielsweise im Jahr 2010 mehr als 33 Millionen Euro Entwicklungshilfe, während die Chinesen selbst im gleichen Jahr 900 Millionen Euro in die EU investierten.
Die Verhandlungen
Im Laufe der Verhandlungen von Europaparlament und Ministerrat, der die Mitgliedsstaaten repräsentiert, haben sich verschiedene Problempunkte ergeben.
Erstens die Frage, welche Länder zukünftig weniger erhalten. Dies stellt eine schwierige politische Entscheidung dar. Einige Länder in beispielsweise Lateinamerika sind zwar als Länder mittleren Einkommens zu qualifizieren und müssten daher eine Reduzierung der Förderung erwarten – Spanien stellt sich aber gegen eine Kürzung der Förderungen für diese Länder aufgrund der historischen Verbindung zu seinen ehemaligen Kolonien. Ein grundsätzlicher Kompromiss ist notwendig.
Zweitens argumentiert das Parlament, dass 70% der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, in eben diesen Ländern mittleren Einkommens leben. Eine Reduzierung der Hilfen für diese Länder würde deshalb das Ziel einer vollständigen Beseitigung von Armut sogar noch schwieriger machen.
Drittens gehen die Präferenzen der Mitgliedsländer weit auseinander. Einige, so zum Beispiel Großbritannien und die Niederlande, wünschen sich eine größere Rolle für die Vereinten Nationen. Andere, darunter Spanien und Italien, tendieren zu einer Renationalisierung der Entwicklungshilfe. Es besteht zudem keine Einigkeit darüber, ob mit den Hilfen ein Fokus auf die Beseitigung von Armut oder auf strategische Ziele gelegt werden sollte. Diese Uneinigkeit wird in der Zukunft mit der Etablierung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) eine noch größere Schwierigkeit darstellen. Der EAD fungiert als Außenministerium unter Leitung von Catherine Ashton und könnte sich dem Fokus auf Armut entgegenstellen – zu Gunsten der geo-politischen Interessen der EU.
Fazit: Zusammen ist besser für alle
Zahlreiche Herausforderung liegen voraus in der Entwicklungspolitik der EU. Die Mitgliedsstaaten sind zögerlich, Mittel an die EU abzugeben, besonders in der gegenwärtigen ökonomischen Krise. Weiterhin werden die Ziele von Entwicklungspolitik immer in der Diskussion stehen. Nichtsdestotrotz bleibt es wichtig, die positiven Konsequenzen einer guten Entwicklungspolitik herauszustellen. Sie hilft nicht nur den direkten Empfängern, sondern auch der Entwicklung unserer Gesellschaft. Eine gute Politik schafft Handelsvorteile für beide Seiten. Darüber hinaus fördert sie eine gesündere Gesellschaft, verringert die irreguläre Migration und erspart der EU damit teure Maßnahmen für den Grenzschutz.
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