Die Bundestagswahl aus Sicht Italiens

, von  Jacopo Barbati, Übersetzt von Anja Bošković

Die Bundestagswahl aus Sicht Italiens
All zu lange konnten sich Angela Merkel und Italiens Premier Enrico Letta nicht aneinander gewöhnen. Am Sonntag entscheiden die deutschen Wähler, ob sie diese Beziehungen weiterhin vertiefen können oder nicht. Foto: © Palazzo Chigi: „Il Presidente Enrico Letta, a Berlino, con il Cancelliere, signora Angela Merkel, 30 aprile 2013“, https://www.flickr.com/photos/palazzochigi/9407300539/, Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Generic: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Für viele Kommentatoren und Journalisten ist die kommende Bundestagswahl von größter Bedeutung für die Zukunft Europas. Durch die Abstimmung wird es zwar keine Zäsur innerhalb der EU geben, doch die nächste Regierung muss Antworten auf wichtige europäische Fragen liefern.

Die bevorstehende Bundestagswahl

Rund 61 Millionen Deutsche sind am 22. September aufgerufen, über die Zusammensetzung des 17. Bundestags zu entscheiden. Umfragen sehen nach wie vor Angela Merkel auf dem Weg in ihre dritte Amtszeit. Nicht nur die Prognosen legen dies nahe, sondern auch die bayerische Landtagswahl vergangene Woche, bei der die CSU abgeräumt hat. Die Partei konnte 49 Prozent der Stimmen gewinnen, während die SPD nur 20,5 Prozent erhielt.

Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat im Wahlkampf alles versucht, um die Aufmerksamkeit auf sich und sein Programm zu ziehen: wie Umberto Bossi, Mitglied der separatistischen norditalienischen Regionalpartei Lega Nord, der 2008 zu den Klängen der Nationalhymne Italiens den Mittelfinger streckte, ließ Steinbrück sich in der gleichen Pose auf einem Titelblatt abdrucken. Kritik und Lob zog er gleichermaßen auf sich, vor allem aber war er dadurch in den Medien omnipräsent.

Das Hauptproblem der SPD ist derzeit aber der wichtigste Verbündete: Bündnis 90/Die Grünen. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 lag die Partei in der Wählergunst bei 27 Prozent, jetzt sind es nur noch neun Prozent. Unpopuläre Vorschläge wie den Veggie day sowie die jüngsten Skandale, Stichwort Paschedag und Pädophilie, ließen die Umfragewerte purzeln.

Auch wenn ein Sieg der CDU/CSU wahrscheinlich ist, wer am Ende regieren wird, ist weiterhin offen: Eine Koalition aus Union und FDP würde derzeit 45 Prozent der Sitze erhalten, ein rot-rot-grünes Bündnis 44 Prozent. Jedoch ist noch lange nicht klar, ob es die FDP tatsächlich wieder in den Bundestag schafft. Dass die Wähler unzufrieden mit den Liberalen sind, zeigte nicht zuletzt die Bayern-Wahl, bei der die Partei nur 3,3 Prozent erhielt.

Das Auge Europas

Anders als in Italien, drehte sich der Wahlkampf in Deutschland viel intensiver um europäische Themen, allen voran welche Rolle die Bundesrepublik zukünftig in der EU einnehmen soll. Angela Merkel versprach den Wählern im TV-Duell ein „starkes, aber solidarisches Deutschland“, das anderen Ländern auch weiterhin helfen wird. Peer Steinbrück forderte „konkrete Solidarität“ für die schwächeren Länder der Eurozone und Europas - nicht nur mit Worten.

Solche Aussagen haben Gewicht in Deutschland, besonders nach der Debatte vom August. Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte damals weitere Griechenland-Hilfen für das Jahr 2014 in Höhe von 10 bis 11 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.Schuld an der Misere, so Merkel, seien die SPD und Ex-Kanzler Schröder. Seine Regierung habe den Stabilitätspakt aufgeweicht und damit den Beitritt Griechenlands zum Euro erst ermöglicht. Damit reagierte die Kanzlerin auf Vorwürfe der SPD, die Kosten der Krise nicht offen auf den Tisch zu legen.

Die EU kann und muss allein fortschreiten

Unumstritten ist, dass Deutschland während der Wirtschaftskrise eine führende Rolle innerhalb der Union übernommen hat. Das Land war maßgeblich an der Durchsetzung der Sparpolitik beteiligt und übernahm einen Großteil der Bürgschaften für angeschlagene Mitgliedstaaten. Kein Wunder also, das die anderen europäischen Länder den Wahlausgang mit Spannung beobachten.

Erwartet wird, dass die zukünftige Bundesregierung eine führende Rolle bei der Reformierung Europas einnimmt. Wird Deutschland dieser Verantwortung gerecht, wird es auch eine Antwort auf die Frage geben, die seit einiger Zeit im Raum steht: Bringt die Zukunft ein europäisches Deutschland oder ein deutsches Europa?

Mitarbeit: Julius Leichsenring

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