Herausforderungen der allerersten EU-Mission
Als sich Bosnien-Herzegowina (BiH) 1992 von Jugoslawien als unabhängig erklärte, brach innerhalb weniger Monate ein brutaler Völkerkrieg aus, der bis 1995 dauern sollte. Da die obersten Prioritäten der EU Frieden und Stabilität sind und ein Krieg im „Vorhof“ auf Unmut stieß, musste gehandelt werden. Doch hierfür fehlten die Instrumente und die NATO musste unter der Führung der USA intervenieren. 1995 wurde unter dem Abkommen von Dayton BiH in zwei Teilrepubliken unterteilt: Die serbische Republik Srpska und die bosniakisch-kroatische Föderation von BiH, zwischen denen es bis heute Spannungen gibt. Im Jahre 2003, fast zehn Jahre nach Ausbruch des Krieges, startete die allererste Mission unter der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), welche die UN-Truppen ablöste.
Alleine gegen die Mafia
Die Polizeimission der Europäischen Union (EUPM) begann im Januar 2003. Das aktuelle Mandat, der bis zu 500 Mitarbeiter starken Mission, läuft Ende 2011 aus. Während die vorangehenden UN-Missionen den Ausbruch eines neuen Bürgerkriegs verhinderten, hat die unbewaffnete EUPM lediglich eine beratende und überwachende Funktion und konzentriert sich auf die dringend notwendige Reform der Polizeistruktur. Diese ist sehr zerteilt und es existieren mehrere unabhängige Polizeitruppen und Zuständigkeitsbereiche – ein Nährboden für die organisierte Kriminalität und Korruption im Land.
Während EUPM zu beachtlichen Fortschritten geführt hat, ist der Reformprozess dagegen noch nicht abgeschlossen. Dies liegt nicht an der Mission selbst, sondern vielmehr an äußerst komplexen Sachverhalten im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenhang.
Vom Goliath zum David
Im Jahr 2004 entschied der Europäische Rat, eine weitere Mission in BiH zu beginnen: EUFOR Althea (benannt nach der griechischen Göttin des Heilens) umfasste ursprünglich 7000 Soldaten und ersetzte die NATO SFOR Mission. Die SFOR Mission war ein voller Erfolg, denn sie verhinderte den Ausbruch eines neuen Bürgerkrieges. Da die EU während des Krieges unfähig war zu reagieren, wollte sie sich folglich aktiver an der Friedenssicherung beteiligen. Schwerpunkte waren die Beseitigung der Folgen des Krieges, die Unterstützung des EU-Sonderbeauftragten und der örtlichen Behörden im Kampf gegen die organisierten Kriminalität. Da Althea bisher in keinerlei Kampfeinsätzen verwickelt war und die beteiligten Länder die Kosten des Einsatzes reduzieren wollten, wurde die Truppenanzahl auf 1600 reduziert. Dadurch spielt die Mission gegenwärtig nur eine repräsentative Rolle. Das aktuelle Mandat endet am 31. August 2011 und wird vorrausichtlich nicht verlängert.
Langfristiges Ziel: EU-Beitritt
Die Hauptziele der beiden EU-Missionen sind die Schaffung eines stabilen, friedlichen und multi-ethnischen Staates. Seit 2003 gehört BiH zu den möglichen EU-Bewerberländern und dadurch hat das Land Anspruch auf Gelder: für das aktuelle Jahr sind 108,1 Millionen Euro veranschlagt. Haupt-sächlich werden die Gelder für die Förderung der Wirtschaft und Zivilgesellschaft verwendet. Jedoch ist das Land noch weit vom EU-Beitritt entfernt und ein Beitritt vor dem Jahre 2020 gilt als unrealistisch.
Zu viele Köche verderben den Brei
Der Einsatz in BiH war wohl die Feuertaufe der ESVP. Nach mehrfachen Verzögerungen und Unstimmigkeiten war sie nun im Einsatz – doch bekanntlich mangelt es Europa an Abstimmung und Koordination. Die Ursache dafür liegt nicht nur an den Mitgliedsstaaten, sondern auch an den Europäischen Institutionen. Denn zwischen den beiden EU-Missionen gab es Abstimmungsprobleme: Teilweise überschnitten sich deren Aufgaben, beispielsweise waren beide Missionen im Kampf gegen die organisierte Kriminalität einbezogen, was sich als kontraproduktiv erwies. Jedoch gelang es der EU durch allgemeine Richtlinien und Koordinationsprinzipien die Probleme zu lösen.
Ein weiteres Problem ergibt sich im Zusammenhang der Erweiterung und den ESVP-Elementen. Das Instrument für Heranführungshilfe (IPA) sieht Aktionen wie die Personal- und Organisationsentwicklung, Entminung und Anti-Korruption vor. Diese sind bereits auch in der ESVP-Mission vorgesehen. Bislang hat es die EU aber verpasst, hierauf zu reagieren und koordinierende Maßnahmen einzuleiten. Koordiniert wird das IPA von der Generaldirektion für Erweiterung der Europäischen Kommission, während EUPM und Althea von drei verschiedenen Direktoraten des Generalsekretariats des Rates der Europäischen Union ausgehen.
Bei der Implementierung von Reformen stößt die ESVP auf lokale Probleme: BiH ist weiterhin ethnisch polarisiert und Reformen lassen sich durch die bruchstückhafte politische Verwaltung im Land nur schwer durchsetzen. Das Land ist faktisch ein Protektorat, das sich beim Erlangen der eigenen Hoheit selbst Steine in den Weg legt. Aufgrund dieser Zerstückelung ist eine allgemeine Verfassung Zukunftsmusik. Die EU kann aufgrund des Mangels an institutionellen und rechtlichen Grundlagen hierbei nicht helfen und kann nur Anreize in Form von Finanzspritzen und Weiterbildung bieten.
Lissabon-Vertrag löst die Probleme nur zum Teil
Seit dem 1. Januar 2011 ist der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) unter Führung von Catherine Ashton im Einsatz. Darin soll eine bessere Koordination der ESVP, die nun in Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik umbenannt wurde, stattfinden. Verständlicherweise ist es noch zu früh, die Wirkung des EAD zu bewerten. Dennoch schafft der EAD Voraussetzungen für eine abgestimmtere Sicherheitspolitik in BiH. Doch man muss sich vor Augen halten, dass das Land vor gewaltigen politischen, wirtschaftlichen und zivilen Herausforderungen steht, die es selbst lösen muss. Die EU kann bei diesem Prozess lediglich unter die Arme greifen.
Kommentare verfolgen: |