Viele Entscheidungen, die von den europäischen Institutionen getroffen werden, schaffen es gar nicht in die Öffentlichkeit, und wenn, dann erst wenn sie in Kraft treten. Dies ist zweifelslos ein großer Unterschied zur nationalen Politik, über die täglich berichtet wird. Doch heißt das, dass die EU-Institutionen hinter verschlossenen Türen arbeiten? Dass sie Entscheidungen treffen, die nicht transparent sind?
Kommission: Eine Politik mit vielen Konsultationen
Die legislative Vorschläge der Kommission werden im Internet veröffentlicht. Sie müssen immer einer öffentlichen Konsultation folgen. Daran können sich alle Bürger beteiligen. In der Tat ist es so, dass die gut organisierte Verbände, NGOs und vor allem reiche Unternehmen dabei viel aktiver als einzelne Bürger sind. Doch das heißt längst nicht, dass die Konsultationen intransparent sind. Als Beispiel kann man das Gesetz über Luftsicherheitsentgelte nehmen, eine ganz klassische Richtlinie. In einem Dokument fasst die Kommission ihren Vorschlag und die von ihr vertretenden Positionen zusammen. Die Webseite EUR-LEX veröffentlicht diese und alle Folgedokumente.
Es ist nicht so, dass die Kommission intransparent arbeitet. Ein Mangel an Beteiligung mag es geben, doch dies ist nicht auf die Arbeitsweise zurückzuführen.
Europäisches Parlament: Immer live dabei
Das Europäische Parlament arbeitet wie die nationalen Parlamente in Ausschüssen und Plenarsitzungen. Jede Sitzung, bei der die Abgeordnete über die – zahlreichen – Verordnungen und Richtlinien [1] diskutieren, wird im Internet übertragen und steht einige Wochen später zum Download in den 23 Sprachen der EU bereit.
Die Bürger haben also Zugang zu allen Sitzungen und können sich gut darüber informieren, welcher Parlamentarier in Brüssel welche Position vertritt. Darüber hinaus zeichnet Votewatch das Wahlverhalten bei jeder Abstimmung auf und arbeitet diese grafisch auf. Auch Jahre später lässt sich noch zurückverfolgen, wer wann wie abgestimmt hat.
Verbesserungsbedarf bei einigen Verhandlungen
Diese Transparenz ist selbstverständlich nicht perfekt und es besteht in der EU, wie in unseren Staaten, Verbesserungsbedarf. Zum Beispiel ist es unverständlich, dass die Staats- und Regierungschefen ihre Treffen zum Thema Schuldenkrise – wie am 21. Juli in Brüssel – nicht öffentlich übertragen. Es wäre notwendig, zu wissen, welcher Staatschef wofür steht. Dabei sollte das Europäische Parlament oder nationale Institutionen als Beispiel gelten. Schließlich werden in Deutschland im Bundesrat Debatten zwischen Länderregierungen geführt, die auch eine entschiedene Rolle spielen und trotzdem übertragen werden.
Die EU arbeitet nicht mehr oder nicht weniger intransparent als eine andere Institution. Wie alle andere Institutionen muss sie ständig reformiert und demokratischer werden. Die erste Voraussetzung dafür bleibt jedoch, dass die Bürger sich an die Entscheidungen mehr beteiligen. Die Rahmen für diese Beteiligung kann immer erweitert werden, aber sie ist heute schon da.
1. Am 27. Juli 2011 um 14:23, von Fabian Als Antwort Die Europäische Union arbeitet intransparent
Also ich muss dir tweilweise widersprechen, ich finde die EU ist sogar deutlich transparenter als nationale Regierungsapparate, so ist zum Beispiel in den brisanten Wikileaks-Veröffentlichungen nie was über die EU aufgetaucht, weil es wenig/nichts gibt, was sowieso nicht schon alle wissen. Auch wenn die Nationalstaaten hier vllt nicht der Maßstab sein müssen und es immer noch transparenter geht, gerade was den Rat anbelangt!
2. Am 27. Juli 2011 um 18:06, von Axel Als Antwort Die Europäische Union arbeitet intransparent
„Warum werden die Treffen der Regierungschefs im“Rat der Europäischen Union„nicht übertragen?“, so ungefähr könnte die Frage lauten und meine Gegenfrage dazu wäre: „Was hat die Union damit zu tun?“
Jetzt werden sich Manche fragen, ob ich wohl gar nicht´s mehr peile, aber doch! Der Rat arbeitet im Gegensatz zu weiten Teilen der EU eben NICHT nach der Gemeinschaftsmethode, da der Rat kein Teil der supranationalen Organisation EU ist!!! Der Rat ist immer noch eine rein inter-gouvernmentale Einrichtung in welchem die EU eigentlich gar nichts zu melden hat, sondern von den Regierungschefs deren Entscheidung „auf´s Ohr gedrückt bekommt“! Also Folge eines, rein national beeinflußten, Verhandlungsmaratons, wo mit Geschäften und Gegengeschäften der Nationalpolitiker ein maximaler Nutzen für einzelne Nationalstaaten ausgehandelt wird. Europa ist dabei meist Nebensache.
Und genau an dieser Stelle muß sich etwas verändern, wenn wir es mit Europa ernst meinen! Je schneller desto besser!!!
Europäische Grüße Axel
3. Am 27. August 2011 um 11:29, von Christoph Als Antwort Die Europäische Union arbeitet intransparent
Eine wissenschaftliche Untersuchung (Koch-Kohler, Quittkat:2011) kommt zu dem Schluss, dass die Kommission dahingehend gegen ihr eigenes Transparenzgebot verstößt, als dass die Konsultationen nicht immer in vollem Maße und durchgängig auf dem YviE angekündigt und dokumentiert wurden. Auch sei bei den Abschlussberichten die „Auswahl, Bewertung und Gewichtung von Eingaben nicht immer angemessen und nachvollziehbar“. Es gibt also selbst bei dieser sehr wörtlichen Auffassung von Transparenz Nachholbedarf. Ich will jedoch noch eine andere Perspektive aufführen und zwar die des „gemeinen Bürgers“. Der gemeine Bürger ist mittleren Alters, hat die mittlere Reife und arbeitet irgendwo als Angestellter in einem mittelständischen Unternehmen. Dieser Mensch interessiert sich ein bischen für Politik, liest regelmäßig Zeitung und sieht die Tagesschau - erfüllt seine staatsbürgerlichen Pflichten also vollauf. Trotzdem muss dieser Mensch die EU für intransparent halten, schon aus dem Grund, als dass ihre Strukturen zu komplex sind um sie aus seiner Perspektive zu verstehen. Die Intransparenz hat also viel mit mangelnder medialer Berichterstattung und rudimentärer politisch-europäischer Bildung zu tun. Diese Form der Intransparenz ist in einer Demokratie aber mindestens genau so wichtig (und gefährlich) und führt nicht zuletzt zu ausgeprägtem Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber der EU, zumal dann, wenn sie das Gefühl haben, dass die EU ihre wirtschaftlich und soziale Abgesichertheit bedroht oder untergräbt (was in der derzeitigen Krise der Fall ist). Die JEF ist NICHT der Anwalt der EU sondern der Verfechter einer europäischen Vision. Insofern wäre ein bischen mehr kritische Distanz zu den europäischen Institutionen durchaus angebracht.
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