Das Manifest der Partei der Europäischen Sozialisten entstand aus der Idee einer Bewegung auf europäischer Ebene, in der mittels des Internets die Parteimitglieder aktiv mit einbezogen werden sollen. Der Titel des Manifestes ist: “Die Bürger zuerst: Eine neue Richtung für Europa” (PDF-Datei, 203 Ko). Es listet sechzig Vorschläge für die Europäische Union auf.
Poul Nyrup Rasmussen, ehemaliger Premierminister Dänemarks und Vorsitzender der SPE, erklärte: “In unserem Manifest wird den Wählern gezeigt, dass es einen klaren Unterschied zwischen der PES und seinen Opponenten gibt. Es gibt eine klare Unterscheidung zwischen einer zukunftsorientierten europäischen Union, in der die Mitgliedsstaaten im Namen ihrer Bürger zusammenarbeiten, um die Wirtschafts- und Umweltkrise zu überwinden, und einer konservativen europäischen Union, die unsere Zukunft dem freien Markt überlässt.”
Man kann sich über das Verabschieden dieses Manifests nur freuen, da es viele positive Punkte für die Befürworter der europäischen Konstruktion beinhaltet, unter anderem den Wunsch den Lissabonner Vertrag in Kraft treten zu sehen, der übrigens von der neuen Leitung der französischen sozialistischen Partei (sog. “Parti Socialiste”) als Bezugstext angenommen wurde.
Dennoch können die EU-Bürger, die sich der demokratischen Linken zugehörig fühlen, nur voller Verwunderung dastehen. Zweifeln können sie nämlich, wenn sie genauer lesen, welche Wörter im verabschiedeten Manifest stehen: “eine neue Richtung für Europa”, zwischen “einer zukunftsorientierten EU” und “einer konservativen EU” wählen, und “die Bürger zuerst” stellen. Und dies noch mit einem konservativen Kandidaten!
Was nämlich am ehesten überrascht, ist dass die SPE in der Tat die Neuwahl des aktuellen konservativen Kommissionspräsidenten, José-Manuel Barroso, zu unterstützen scheint, in dem sie keinen Alternativkandidaten vorschlägt.
In Madrid wurde diese Hypothese von zwei sozialistischen Regierungschefs, dem Spanier José Luis Rodriguez Zapatero und dem Portugiesen José Socrates vertreten, genauso wie sie vorher auch von mehreren konservativen Regierungschefs, unter anderem vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy unterstützt wurde.
Steht alles schon fest?
Das Verhalten der SPE, welches vom Blog Eurojunkie als “Feigheit” bezeichnet wurde, kann die Wähler nur verwirren, da die Verantwortlichen der sozialdemokratischen Partei durch die stillschweigende Annahme der Neuwahl des aktuellen Präsidenten nur sechs Monate vor der Europawahl ein besonders negatives Zeichen setzen und diese Wahl unterstützen, bevor überhaupt gewählt wurde.
Wie es leider zu oft vorkommt wird durch das europäische Establishment den nationalistischen Parteien eine Chance gegeben in den Vordergrund zu treten und als angeblich größte Oppositionsmacht in der europäischen Debatte zu kandidieren. Im besten Fall werden die linksorientierten Wähler somit zur massiven Stimmenthaltung bewegt. Falls manche die Absicht hatten, die Europawahl zu sabotieren – eine Wahl, die als wichtiges Zeichen gesehen werden kann, um über den Kurs der EU abzustimmen – hätten sie keine bessere Gelegenheit finden können.
Trotzdem wird die Protestwelle jeden Tag größer. Die Grünen scheinen das Ablehnen von Barroso zu ihrem wichtigen Kampagnemotto gemacht zu haben. So denkt wenigstens Daniel Cohn-Bendit, als auch der ehemalige Außenminister Deutschlands, Joschka Fischer. Beide werfen dem jetzigen Kommissionspräsidenten Inkompetenz vor. Zudem haben mehrere Blogger, unter ihnen auch der Autor dieses Artikels,eine Minikampagne mit dem Motto “Alles außer Barroso” gestartet, um eine Debatte zu starten. Diese Kampagne wird über eine Facebook-Gruppe unterstützt.
Zweifelsohne wird es mehr Unzufriedene geben, je näher die Wahl rückt. Bis dahin werden sich die linksorientierten Wähler diese Frage stellen: “Wozu gibt es die SPE?”. Margot Wallström fällt es mittlerweile schwer diese Frage zu beantworten. (Video-Interview bei Eurojunkie)
Glücklicherweise sind sich viele Sozialisten darüber bewusst, dass diese Lage unerträglich ist. Der ehemalige französische Minister für Europäische Beziehungen Pierre Moscovici, unterstreicht dies auf seinem Blog in dem Artikel über die Verabschiedung des Manifests mit dem Titel “Währenddessen... arbeitet die SPE.”
Dort erklärt er: “Eine Frage bleibt noch offen: welchen Kandidaten wird die SPE für die Leitung der Europäischen Kommission unterstützen? Diese Frage, die am Montag sorgfältig ausgespart wurde, muss im Februar 2009 wieder gestellt werden. Wir wissen, dass die europäischen Parteien in der Ernennung des Kommissionspräsidenten einen starken Einfluss haben wollen. Es wird ihnen umso leichter fallen, da sie im Vorfeld ihres Sieges eine Bewerbung unterstützen, die die Mitgliedsstaaten kaum, beziehungsweise gar nicht, ignorieren können, wenn der Lissabonner Vertrag in Kraft tritt. Wir können und wir dürfen nicht die Wiederwahl von José Manuel Barroso an der Spitze der Europäischen Kommission als ein unabwendbares Schicksal annehmen. Gerade da dieser stark konservative Präsident für jegliche Regulierung innerlich unempfänglich ist und sie prinzipiell ablehnt. Nachdem sie sich über die Leitlinien einig geworden ist, sollte sich die SPE nun ein neues Gesicht für den Wahlkampf suchen. Muss ich noch hinzufügen, dass ich diese Methode befürworte?”
Um diese Ansicht zu verteidigen, haben die föderalistischen Aktivisten die Teilnehmer des SPE-Kongresses in Madrid interpelliert. Sie wurden von zahlreichen Prominenten unterstützt, bisher dennoch ohne, dass die SPE ihren Kandidaten nennt. Es kann nur noch gehofft werden, dass bis zur Europawahl ein Aufwachen stattfindet, welches eine hochwertigere Debatte initiiert.
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