Ein nüchterner Blick auf Ungarn ist nicht mehr möglich!

Eine Streitschrift gegen die Politik der Zensur in Ungarn.

, von  Niklas Kramer

Ein nüchterner Blick auf Ungarn ist nicht mehr möglich!

Mit dem neuen Mediengesetz verstößt Ungarn gegen die Grundwerte der Union. Die EU und die EVP-Fraktion dürfen nicht schweigen, sondern müssen mit starken Druck agieren. Sonst ist nicht nur die außenpolitische Glaubwürdigkeit der Union am Ende, sondern auch jede Hoffnung auf eine vertrauensvolle und wertorientierte Politikkultur in Europa.

Eine neue ungarische Aufsichtsbehörde soll die Medien in Ungarn kontrollieren. Dabei soll sie weitreichende Befugnisse erlangen und bei Verstößen Geldstrafen von bis zu 750 000 Euro verhängen können. Ein versucht-nüchterner Blick auf die Situation in Budapest ist nun nicht mehr möglich.

Verstoß gegen europäische Werte

Auch wenn der Kommentator der FAZ herausstellt, dass es durchaus Gründe gibt für einen gesetzlichen Eingriff in die Publikationslandschaft Ungarns - so soll das ungarische Verfassungsgericht die Meinungsfreiheit bisher extrem weit ausgelegt haben mit der Folge, dass so ziemlich alles, von Antisemitismus bis Pornographie, veröffentlicht werden konnte. Ein Argument ist dies jedoch nicht. Denn hätte es auch weitaus mäßigere Möglichkeiten gegeben, Persönlichkeitsrechte zu stärken. Das neue Gesetz kontrolliert stattdessen nicht nur die öffentlich-rechtlichen, sondern auch die privaten Medien und das Internet. Der Vorsitzende der neuen Medienbehörde NMHH soll sogar in Zukunft Verordnungen ohne das Parlament erlassen können. Ein erster Fernsehmoderator musste sich bereits für eine Schweigeminute rechtfertigen. Auch kursieren bereits Gerüchte, die Schlimmeres erahnen lassen.

So etwas kennt man sonst nur aus Diktaturen.

So etwas kennt man sonst nur aus Diktaturen, wie die OSZE unlängst festgestellt hat. Ein noch offensichtlicherer Bruch mit den vertraglich verbrieften Grundwerten unserer Europäischen Union ist kaum denkbar.

Orban will mehr Macht

Das Gesetz ist zudem nur ein weiterer Schritt im Machtstreben von Victor Orban. So hat die Fidesz bereits im Vorfeld der Kommunalwahlen im Oktober das Wahlrecht erheblich zu ihren Gunsten geändert. Es kommt hier immer klarer das Bild einer Partei zutage, die nach ihrem erdrutschartigen Sieg im vergangenen April, alles daran setzt, ihre stabile zweidrittel Mehrheit langfristig zu sichern und dabei wenig Skrupel hegt, mit überhöht nationaler Rhetorik und offener Provokation, die seit Jahren verunsicherten ungarische Bevölkerung mitzureißen. Bereits im August hatte ein ehemaliger ungarischer Parlamentarier und Volkswirt an der Uni Frankfurt in einem Gastbeitrag in der FAZ sehr empathisch auf diese Entwicklung aufmerksam gemacht. Nicht zu vergessen sei Orbans sehr aggressive Politik gegen die Slowakei! All dies wird noch untermauert durch eine altmodische nationalistische Wirtschaftspolitik, die Konflikte mit der Kommission und dem IWF dankbar in Kauf nimmt. Es regiere die harte Hand, so schreit es am Magyarenhimmel!

Es mag sein, dass die westlichen Medien einen gewissen Geist der Nobelklasse gegenüber den osteuropäischen Staaten pflegen. Auch das die Fidesz bisher eine breite Bevölkerung hinter sich vereinigt, ist kein Zufall. Sie versteht es, die Menschen anzusprechen, die jahrelang von eine postkommunistischen und korrupten politischen Elite enttäuscht worden sind. Nur: Das ist ebenfalls kein Argument dafür wegzuschauen und die Zensur zu tolerieren!

Keine Toleranz der Zensur

Im Gegenteil, gerade deswegen muss die EU sich nun voll und ganz der Situation in Ungarn widmen. Sie darf einfach nicht die demokratischen Kräfte und all die freidenkenden Journalisten in diesem Land im Stich lassen, sondern muss mit koordinierten und starken Druck auf die Regierung Orban einwirken. Ansonsten wäre nicht nur die außenpolitische Glaubwürdigkeit der EU am Ende. Vielmehr würde es zu einem weiteren Vertrauensverlust innerhalb der Union führen und einen politischen Stil des Wegschauens etablieren. Eine demokratisch föderale Einigung erscheint dabei wie ein harmoniesüchtiger Traum!

Eine demokratisch föderale Einigung erscheint dabei wie ein harmoniesüchtiger Traum!

Dass sich die EVP-Fraktion bisher mit keinem Wort gegenüber dem neuen Medienrecht geäußert hat, ist dramatisch. Wie soll ich als weißrussischer Diplomat die Kritik dieser europäischen Parteifamilie denn jemals ernst nehmen, wenn die Parlamentarier in den eigenen Reihen ähnlich gesinnte Halunken gutmütig decken? Das Herman van Rompuy einen Tag vorher in Ungarn war und mit keinen Wort die Lage angesprochen hat, lässt ihn ebenfalls nicht gut aussehen. Er wirkt hier wie ein peinlicher Possenreißer!

Kommission und JEF müssen handeln

Europapolitische Handlungsfähigkeit hin oder her, so geht das nicht! Die Kommission muss viel entschlossener das Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Eine Aussetzung der ungarischen Ratspräsidentschaft muss in Erwägung gezogen werden, genauso wie der Ausschluss der Fidesz aus der EVP-Fraktion.

Die Jungen Europäischen Föderalisten sollten die Initiative ergreifen und mit einem offenen Brief voranschreiten. Außerdem sollten die europäischen Jugendverbände vereint protestieren, gegen diese uneuropäische Zensurpolitik!

Initiative gegen die kommende ungarische Ratspräsidentschaft: NoToHuEU

Titelbild: „People demonstrating against the new government at the Heroes’ Square in Budapest.“ Bestimmte Rechte vorbehalten von zsoolt. See www.budapestdailyphoto.com

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