„Die EU wird nach der Krise eine andere Europäische Union sein als vor der Krise“, schloss Thomas Risse von der FU Berlin seinen Vortrag. Damit fasste er gleichzeitig auch die Beiträge seiner Kollegen zusammen. Europa steht vor den größten Veränderungen seit dem Fall der Mauer und alle Redner betonten, dass die EU sich bewegen müssen. Bei der Frage der Richtung, waren sie sich natürlich weniger einig. Drei Diskussionsrunden behandelten die Themen „Europe as a social space“, „Global Europe“ und „Changing the debate on Europe“. Im Folgenden eine persönliche Zusammenfassung mit Links zum Blog des Symposiums (auf Englisch).
Europe as a social space
Der Tag begann sacht: „Europa als sozialer Raum“ – nicht gerade ein Thema, das einem übermüdeten Blogger beim Wachwerden hilft. Dabei wird die Bedeutung dieser Komponente der europäischen Einigung unterschätzt, besonders von Leuten wie mir, die an Außenpolitik und „high politics“ interessiert sind. Doch wie soll die EU nach außen geschlossen auftreten, wenn es intern kein Sozialgefüge gibt? Einen Rück- und Ausblick auf die Schaffung dieses gab Helmut Anheier von der Hertie School. Über die wachsende Bedrohung von Rassismus mit demokratischer Tarnung sprach Eric Fassin.
Nach 90 Minuten Diskussion kommentierte Cem Özdemir: „Wir kennen die Vorteile der EU doch auswendig. Doch die Menschen fühlen sie nicht. Sie sind zu ungerecht verteilt.“
Die Diskussionsrunde zum Nachschauen. Quelle: Hertie School of Governance
Global Europe
Drei Theoretiker und zwei Praktiker diskutierten über Europas Rolle in der Welt und besonders über unser Verhältnis mit den USA: Mary Kaldor, LSE, Thomas Risse, FU Berlin, und Richard Youngs, Universität Warwick, besetzen die akademische Seite und Michael Arthur sowie Colin Budd, beide frühere UK-Botschafter, die politische. Kaldor betonte zu Beginn, die Frage sei nicht, ob wir Europa brauchen, sondern welches Europa wir wollen. Schnell wurde klar: Während die erste Fraktion sich für Reformen aussprach, bremsten die letztere eher ab – große Veränderungen seien in der Politik nur schwer durchzusetzen und eventuell gar nicht zwingend notwendig. Beispielsweise teilte Budd nicht die Auffassung von Diskussionsleiter Michael Cox, dass Europas Bedeutung stark unter dem Aufstieg von China leiden würde. Das Außenverhältnis zur USA müsse daher nicht komplett neu definiert werden. Der interessanteste Gedanke dieser Runde war die Frage, ob die globalen Herausforderungen der EU als neuer roter Faden dienen können. Colin Budd ist sich sicher, dass die EU ein großes Potential in der Außenpolitik hat. Dieses könne genutzt werden, um die Menschen von Europa zu überzeugen.
Changing the debate on Europe
Die letzte Runde war die Runde der echten politischen Diskussion – was sicherlich mit dem geringeren Akademikeranteil auf der Bühne zusammenhing. Giuliano Amato brachte Erfahrung aus seinen Tagen als italienischer Premierminister mit und Werner Hoyer als Staatsminister von Außenminister Guido Westerwelle mischt aktuell ordentlich in der Europapolitik mit. Quentin Peel von der Financial Times und Tim King von der European Voice standen für die Medien, während Bernhard Giesen, Universität Konstanz, und Chiara Saraceno, Universität Turin, die akademischen Standpunkte einbrachten.
Mitgenommen aus dieser Runde: Erstens, Hoyer und Westerwelle sollten Plätze tauschen. Nicht nur ist das Englisch des Staatsministers dem des Außenministers weit überlegen, sondern auch die Klarheit der Aussagen. Zweitens, leidet die EU wirklich unter der Führungslosigkeit der Spitzenpolitiker, wie Tim King es bemerkte. Drittens, Föderalisten sollten sich mehr Gedanken darüber machen, wie wir den europäischen Demos fördern.
Die Diskussionsrunde zum Nachschauen. Quelle: Hertie School of Governance
Unter’m Strich
Die zwei Tage Dahrendorf Symposium waren zwei wertvolle Tage. Zugegeben, revolutionäre Ideen gab es nicht zu hören, aber vielleicht wäre das auch zu viel verlangt. In zwei Jahren soll das nächste Symposium stattfinden, dazwischen Workshops, die die visionärsten Ideen prüfen sollen.
Interessant war auch, wie klar sich Bundesminister Röttgen und Hoyer ausdrückten. Von Mitgliedern der deutschen Regierung hört man ansonsten nicht so offene Worte. Röttgen forderte beispielsweise ein Zweikammerparlament für die Europäische Union.
Zum Abschluss bleibt zu hoffen, dass es die Ideen und Einsichten aus der akademischen Welt in die politische schaffen. Vielleicht braucht es aber auch mehr Politiker, die in beiden Welten zu hause sind – so wie Ralf Dahrendorf einst.
Kommentare verfolgen: |