Das europäische Engagement in Mali und der Sahelzone
Nicht erst seit dem Beginn der aktuellen Auseinandersetzung in Mali im Januar 2012 und dem folgenden Putsch im März beschäftigen sich die europäischen Institutionen mit der Sicherheitslage in der Sahelzone. Bereits im März 2011 verabschiedeten die EU-Außenminister eine Strategie für Sicherheit und Entwicklung in der Sahelzone.
Diese Strategie beschäftigte sich nach dem gewaltsamen Ende des Ghaddafi-Regimes mit der Verschärfung der Sicherheitslage in der gesamten Region und der unkontrollierten Weitergabe des libyschen Waffenarsenals im angrenzenden Ausland. Ende 2011 warnten die Abgeordneten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU vor der anschwellenden Gefahr dieser Waffen, die bereits in die Hände islamistischer Gruppierungen in der Sahelregion gelangt waren.
Der Mali-Konflikt: die EU hält sich militärisch zurück
Vor dem Hintergrund der gewaltsamen Besetzung Nord-Malis durch Islamisten im Lauf des Jahres 2012 formierte sich mit internationaler Unterstützung eine afrikanische Front zur Wiederherstellung der malischen staatlichen Integrität.
Der malische Präsident Traoré bat die EU in einem Schreiben vom 18. September 2012 um Unterstützung zur Wiederherstellung der territorialen Integrität Malis. Der EU Außenministerrat beschloss am 15. Oktober 2012 beschleunigte Vorbereitungen zur Entsendung einer EU-Trainingsmission. Seither arbeitete Lady Ashton, Vize-Präsidentin der Kommission und Hohe Beauftragte der EU, an einem Einsatzkonzept hierfür zur Unterstützung der malischen Armee und afrikanischer Einsatzkräfte.
Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) beschloss am 11. November 2012 eine Eingreiftruppe mit einer Stärke von 3300 Mann. Es wurde anvisiert, dass die ECOWAS-Truppe Ende 2013 in Mali zum Einsatz kommen sollte. Das Europäische Parlament begrüßte im Jahresbericht zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik die Vorbereitungen dieser Trainingsmission und forderte ein rasches und kohärentes Handeln der EU.
Im Rahmen des europäischen Ansatzes vernetzter Sicherheit griff die EU auf humanitäre Hilfe, Diplomatie, Militär und Entwicklung gleichermaßen im Umgang mit den sicherheitspolitischen Herausforderungen in der Sahelzone 2012 zurück. Angesichts 18 Mio. hungernder Menschen in der gesamten Sahelregion hat die EU bisher 337 Mio. Euro an Nahrungsmittelhilfe zur Verfügung gestellt, davon 51 Mio. Euro für Mali. Darüber hinaus haben einzelne EU-Mitgliedstaaten mit 94 Mio. Euro den Sahelstaaten geholfen, davon 30 Millionen für die Opfer des Konflikts in Mali.
Vor dem Hintergrund der militärischen Drohkulisse warteten die Islamisten nicht auf die Einsatzbereitschaft der ECOWAS-Truppen und der EU-Ausbildungsmission, sondern versuchten erfolgreich zum Jahreswechsel 2012/13 den eigenen Herrschaftsraum weiter in den Süden Malis auszuweiten. Diese Konflikteskalation führte zum militärischen Eingreifen Frankreichs an der Seite der malischen Armee und gezielten französischen Schlägen gegen islamistische Stellungen.
Zwar beschäftigen sich die EU-Gremien im Januar 2013 mit der Verschärfung der Lage, jedoch verzichteten die EU-Mitgliedstaaten darauf, eine gemeinsame militärische Antwort zu geben. Vielmehr wurden lediglich die Vorbereitungen zum Einsatz der EU-Trainingsmission verstärkt vorangetrieben und der Beginn des Einsatzzeitraumes auf spätestens Mitte Februar vorgezogen.
Kritische Fragen bleiben
Es ist zu begrüßen, dass Frankreich aktiv in den malischen Konflikt eingriff, da ein weiteres Vordringen der islamistischen Gruppierungen in die südlichen Teile Malis verhindert werden musste. Dabei handelten die französischen Truppen nicht nur im Interesse der Regierung in Paris, sondern im Interesse der gesamten EU. Es existiert keine Sonderbedrohungslage Frankreichs.
Islamistische Gruppierungen bedrohen in der Sahelzone die fragile Staatlichkeit. Blieben sie ungestört, würden sie Al-Qaida Strukturen dauerhaft errichten und schließlich die Menschen im Sahel unter ihre Kontrolle zwingen und eine Bedrohungslage auch für die EU und ihre Bürger darstellen. Dieser Zusammenhang wurde Europa jüngst schmerzlich verdeutlicht, als bei der Befreiung des besetzten Ölfeldes In Amenas in Algerien neben Algeriern auch Europäer und weitere internationale Mitarbeiter zu Tode kamen.
EU-Strukturen verhindern schnelles Eingreifen
Die Antwort der gesamten EU auf die Verschärfung des Konflikts zu Jahresbeginn ist unzureichend und beschämend. In diesem Zusammenhang warf General Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, der EU ein „völliges Versagen“ in Mali vor. Es ist nicht akzeptabel, dass die zuständigen EU-Strukturen in Brüssel im Januar noch immer an den Planungen der EU-Trainingsmission sitzen, obwohl ein solcher Beschluss bereits am 15. Oktober getroffen worden war.
Es wird offensichtlich, dass die EU-Strukturen schneller zu konkreten Ergebnissen und Handlungsmodalitäten kommen müssen. Zwar ist der im Juli 2010 etablierte Europäische Auswärtige Dienst (EAD) durchaus in der Lage, Sicherheitsrisiken zu analysieren und zu identifizieren. Ein lediglich reaktiver Dienst reicht aber nicht aus. Die vorausschauende Planung auf sich abzeichnende Konflikte muss vorangetrieben werden.
Der Einsatz europäischer Gefechtsverbände ist geboten
Es ist bedauerlich, dass die Mitgliedstaaten bisher nicht gewillt waren auf bestehende und bereitstehende Fähigkeiten der EU zum Umgang mit militärischen internationalen Gefahren zurückzugreifen. Gefragt nach der Einsatzoption eines europäischen Gefechtsverbandes (EU-Battlegroup) im Mali-Konflikt, blieb Lady Ashton den Europaabgeordneten während der Plenarbefragung im Januar in Straßburg eine Antwort schuldig.
Bei den EU-Gefechtsverbänden handelt es sich um 1.500 Mann starke Infanterieeinheiten, die von den Mitgliedstaaten für ein halbes Jahr der EU bereitgestellt werden und die innerhalb von 10 Tagen weltweit einsetzbar sein sollen. Es stellt sich nach wie vor die Frage, warum aus Gründen der europäischen Solidarität nicht auf die aktuell bereitstehende deutsch-polnisch-französische Battlegroup zurückgegriffen wird. Im Jahr des 50. Jubiläums des Elysée-Vertrages bestünde die Chance über Symbolpolitik hinauszugehen und einen aktiven deutsch-französischen Beitrag zu Gewähr internationaler Sicherheit zu leisten.
SERIE: "Gebt dem EU Parlament eine Stimme!"
Zwei Wochen bringen wir Gastbeiträge von Abgeordneten des Europäischen Parlaments.
- Teil 1: Jutta Steinruck MdEP (S&D/SPD): Armut in Europa muss endlich wirksam bekämpft werden
- Teil 2: Michael Gahler MdEP (EVP/CDU): Gut gebrüllt, Löwe - Europäische Aktivitäten und Unterlassungen im Mali-Konflikt
- Teil 3: Dr. Eva Lichtenberger MdEP (GRÜNE): Die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T): Nationale Prestigeprojekte verhindern europäische Verkehrspolitik!
- Teil 4: Prof. Dr. Lothar Bisky (LINKE): Düstere Aussichten für EU-Mobilitätsprogramme
- Teil 5: Alexander Alvaro MdEP (ALDE/FDP): Cybersicherheit: Eine überfällige EU-Strategie
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