Auf die aktuelle Legislatur konnten sich die Assistenten der Parlamentarier eigentlich freuen. Eine neue Regelung sichert ihnen den Status eines befristeten Bediensteten des Parlaments zu. Doch die rechtliche Sicherheit hat einen hohen Preis. Wie alle offiziellen Angestellten müssen nun auch sie eine Musterung über sich ergehen lassen. Darin enthalten ein Fragebogen, der aus einer Blutplasmabank stammen könnte.
Unverschämte Fragen
Der Bogen ist in vier Bereiche aufgeteilt. Zuerst kommen die persönlichen Daten, die jeder Arbeitgeber nötig hat: Name, Nationalität, Adresse und so weiter. Blättert man um, verschlägt es einem jedoch die Sprache. Fragen [1] zu Krankheitsgeschichte der Familie: „Hatte irgendein Mitglied Ihrer Familie:“ „Krebs?“ oder eine „Geisteskrankheit (Schizophrenie, Alzheimer, Depressionen...)?“ Aber es wird noch besser. Anschließend wird man nämlich zu seiner persönlichen Krankenakte gefragt. Einige Auszüge: „Haben Sie unter einer der folgenden Krankheiten oder Beschwerden gelitten“:
- Hepatitis
- Beschwerden in den Harnwegen
- Depressionen
- Sexuell übertragbare Krankheiten
- Tumore, Krebs
- und und und
Eine Seite weiter plötzlich Fragen zur Lebensführung:
- Haben Sie in den letzten drei Jahren Gewicht gewonnen oder verloren? [...] wieviel?
- Rauchen Sie? Falls JA, rauchen Sie Zigaretten, Pfeife, Zigarren?
- Was ist Ihr täglicher/wöchentlicher Alkoholkonsum?
- Machen Sie Sport? Welchen?
- Für Frauen: [...] bitten geben Sie das Datum Ihrer letzten Periode an.
Der Hintergrund
Mit den gesammelten Daten möchte die Institution die „physische Fitness des Angestellten“ herausfinden und „[...] ihre/seine Gesundheit schützen“, so steht es auf dem Fragebogen. Der eigentliche Grund ist allerdings weniger die Fürsorge der Verwaltung, als vielmehr eine Kosten-Nutzen Rechnung. Fällt ein Assistent aus, wegen Krankheit, Schwangerschaft oder Invalidität, so muss Ersatz angestellt werden und das kostet. Natürlich will ein Arbeitgeber so etwas vermeiden und alle würden wohl gerne solche Fragebögen benutzen. Doch das Recht erlaubt nur Fragen, die unmittelbar mit der beruflichen Eignung etwas zu tun haben.
Das Parlament duldet Verrat an den eigenen Prinzipien
Die Stärkung des Daten- und Verbraucherschutz war eines der großen Errungenschaften des Parlaments. Doch nun scheint es, dass ein offensichtlicher Missbrauch im eigenen Haus kaum jemanden stört. Die erste Reaktion stammt von Cornelia Ernst, Europaabgeordnete der LINKEN, die im vergangenen Dezember die Assistenten dazu aufrief, den Fragebogen nicht auszufüllen [2]. Doch die Vorwürfe sind bereits seit 2008 bekannt. Damals hatte der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx in einem Bericht angemahnt, den Bogen unter den Gesichtspunkten der Relevanz und Angemessenheit zu überarbeiten. Außerdem müsse ein genauer und vernünftiger Zeitpunkt festgelegt werden, wann die Daten zu löschen seien. Dieser liegt momentan nämlich bei 30 Jahren.
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