„Was fehlt, ist eine einheitliche Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union“

Im Gespräch mit Daniela Behrens (MdL Niedersachsen)

, von  Patricia Karl

„Was fehlt, ist eine einheitliche Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union“

Daniela Behrens ist Mitglied im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien des Niedersächsischen Landtages. Gleichzeitig nimmt sie die Tätigkeit der Kultur- und Medienpolitische Sprecherin der SPD Landtagsfraktion in Niedersachsen wahr. Im Treffpunkt Europa spricht sie über die aktuelle Euro-Krise und die Bedeutung der EU für Europäer und ihre politische Arbeit im Landtag.

Treffpunkt Europa: Die Europäische Union muss sich immer wieder Kritik aussetzen. In den vergangenen Wochen war häufig von der Euro-Krise zu hören. Mitte Dezember hatte der EU-Gipfel die Eckpunkte eines dauerhaften Krisenmechanismus für die hoch verschuldeten Staaten innerhalb der EU beschlossen. Glauben Sie, dass die Eckpunkte ab Juli 2013 als letzter Schritt helfen werden, die Krise einzudämmen?

Daniele Behrens: Ich befürchte, dass die Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs zu kurz greifen, denn sie behandeln nicht den wirklichen Kern des Problems. So springt zum Beispiel der beschlossene Rettungsschirm nur ein, wenn der Euro als Ganzes in Gefahr ist. Das erzeugt keine Stabilität in der Eurozone, denn die Finanzmärkte werden nicht daran gehindert, gegen einzelne, schwache Mitgliedstaaten zu spekulieren. Die jetzt vereinbarten einseitigen Sparprogramme werden die verschuldeten Staaten weiter in die Krise treiben. Das kann zu enormen negativen Auswirkungen in unserer vernetzten europäischen Wirtschaft führen, vor allem für Deutschland als Exportland. Wir brauchen eine starke Finanzmarktregulierung in Europa.

Treffpunkt Europa: Es wurden Stimmen laut, die empfahlen, finanzschwache Nationalstaaten wie Griechenland, Portugal usw. aus der Eurozone zu entlassen, um so den Euro zu stabilisieren. Halten Sie dies für eine brauchbare Methode? Oder sollten andere Alternativen entwickelt werden?

Daniele Behrens: Eine reduzierte Eurozone kann ich mir nur schwer vorstellen. Sie wäre auch für die Weiterentwicklung der Europäischen Union fatal – wirtschaftlich wie emotional. Die gemeinsame Währung hat sich meiner Meinung nach bewährt. Was fehlt, ist eine einheitliche Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union.

Was fehlt, ist eine einheitliche Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union.

Diese findet bisher nicht wirklich statt, sondern die einzelnen Mitgliedstaaten verfolgen ihre Interessen. Länder wie Griechenland, Irland oder Portugal leiden jetzt unter der relativ starken Gemeinschaftswährung. Vor dem Euro hatten sich diese Krisenländer darauf eingestellt, ihre eigenen Währungen zu denen der industriellen Kernstaaten Europas abzuwerten. Diese Option ist mit der einheitlichen Eurozone dahin. Nun ist wichtig, dass Griechenland und Portugal Reformen einleiten – mit Hilfe der Europäischen Union.

Treffpunkt Europa: Glauben Sie, dass sich wegen die Euro-Krise die Menschen immer weniger mit der Europäischen Union identifizieren können?

Daniele Behrens: Die veröffentlichten Meinungen in Deutschland stellen mehr die Krisen und negativen Seiten von Europa in den Vordergrund. Die vielen positiven Erfahrungen schaffen es selten in die Schlagzeilen. Die Europäische Union ist eine Erfolgsgeschichte, die noch nicht zu Ende geschrieben ist. Wir haben seit über 60 Jahren Frieden in Europa, wir können grenzenlos reisen und Jobs annehmen, wir zahlen mit einer Währung und wir können viele Projekte mittels EU-Gelder in Deutschland verwirklichen. Vor allem in der strukturschwachen Elbe-Weser-Region. Dieses muss man immer wieder betonen. Die Euro-Krise erschwert zwar diesen Kommunikationsprozess, sie kann aber auch dazu führen, dass der Fokus mehr auf die Europäischen Union gelegt wird.

Treffpunkt Europa: Das Europäische Gesellschaftsmodell beinhaltet unter anderem auch die Aussage „Gemeinsam sind wir stark“. Wenn Sie jetzt an die aktuelle Diskussion um den dauerhaften Krisenmechanismus, Eurobonds, einen „Nord- und Südeuro“ denken, inwieweit halten Sie diese Idee für gefährdet?

Daniele Behrens: Ein Nord- und Südeuro würde zur Schwächung und langfristig zur Spaltung des Europäischen Gesellschaftsmodells führen. Damit würde man den Anspruch einer immer enger zusammenwachsenden Europäischen Union aufgeben. Daher müssen wir die Konstruktionsfehler, die zu der Euro-Krise geführt haben, beheben. Wir brauchen einheitliche Standards in der Finanz- und Wirtschaftspolitik sowie einen funktionierenden Stabilitätsmechanismus. Wir benötigen eine europäische Sozialpolitik, die die jetzigen Ungleichgewichte aufhebt, und wir brauchen enge Regeln für die Finanzmärkte. Dazu gehört zum Beispiel die Beteiligung der Verursacher an den Kosten der Krise durch eine Finanztransaktionssteuer.

Treffpunkt Europa: Ist die Europäische Union für Sie ein zukunftsfähiges Modell? Und welche Themen sind speziell für Sie wichtig?

Daniele Behrens: Ich glaube an Europa. Wir müssen die Europäische Union weiterentwickeln. Dazu gehört zum Beispiel die Entwicklung gemeinsamer Standards in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.

Ich glaube an Europa. Wir müssen die Europäische Union weiterentwickeln.

Entscheidend bleibt aber, dass die Menschen zu Europa stehen und dass die EU ausreichend demokratisch legitimiert ist. Hier haben wir noch viel zu tun. Das Europäische Parlament muss mehr Einfluss bekommen. Die Rolle des Ministerrates ist zu stark. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Bewertung des Lissabon-Vertrages hier deutliche Worte gefunden: Derzeit ist das Europäische Parlament mehr als Vertretung der Völker der Mitgliedstaaten angelegt und nicht als Vertretung einer europäischen Unionsbürgerschaft. Wir müssen Europa mehr vom Interesse der Bürger her denken und nicht allein aus der Sicht der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Treffpunkt Europa: Halten Sie es für möglich, dass das Bürgerbegehren zu mehr Akzeptanz der EU unter den Bürgern führt?

Daniele Behrens: Das mit dem Vertrag von Lissabon eingeführte Europäische Bürgerbegehren kann zu einem wichtigen Instrument werden. Das Europaparlament hat ja gerade den Weg für Bürgerbegehren frei gemacht und die Regeln zur Durchführung beschlossen. Demnach können Bürger mit Petitionen, die mindestens eine Million Unterschriften erhielten, von der EU-Kommission Gesetzesvorschläge fordern. Ich bin überzeugt, dass damit die Kommission zukünftig mehr auf die Bürger hören muss. Nur so kann die Distanz zwischen den Menschen und den Institutionen der Europäischen Union verringert und ein Europa der Bürger geschaffen werden.

Treffpunkt Europa: Als Landtagsabgeordnete bekommen Sie die aktuellen politischen Debatten und Strömungen direkt mit. Zum Schluss möchte ich gerne von Ihnen erfahren, inwieweit sich auch Europa auf Ihre politische Arbeit auswirkt.

Daniele Behrens: Als Mitglied im Europaausschuss bekomme ich zahlreiche Unterrichtungen durch die Europäische Kommission zu den unterschiedlichsten Themen. Einige der Themen behandeln wir dann intensiver im Ausschuss, lassen uns von der Landesregierung dazu unterrichten. Anregungen aus den EU-Papieren fließen auch in die Beratung des Landtages ein. Die Arbeit in der Europäischen Union kann für die eigene Arbeit inspirierend sein, wenn man es zulässt. Durch den Lissabon-Vertrag hat der Landtag mehr Mitspracherecht bei Rechtssetzungen und Vertragsänderungen, das heißt bei für Niedersachsen wichtige Themen können wir Stellung nehmen und müssen gehört werden. Dieses Recht muss der Landtag dann aber auch in Anspruch nehmen. Hier sind wir in Niedersachsen noch am Anfang, erproben gerade, wie praktikabel dieses Mitspracherecht genutzt werden kann. Für meine medien- und kulturpolitische Arbeit finde ich auf europäischer Ebene viele Anregungen. Netzpolitik und Denkmalschutz sind zum Beispiel gerade aktuelle Themen, die auch in der Europäischen Union diskutiert werden.

Treffpunkt Europa: Ich danke Ihnen herzlich für das Interview und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.

Offizielle Webseite:

www.daniela-behrens.de

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