Westminster vor der Wahl

Es wird auch über die EU gestritten. Die Liberaldemokraten gewinnen an Fahrt.

, von  Niklas Kramer

Westminster vor der Wahl

Am 6. Mai wird in England das Unterhaus gewählt. Es dürfte spannend werden. Umfragen erwarten eine für die Insel äußerst seltene Situation. Keine der Parteien erhält eine absolute Mehrheit. Am Donnerstagabend fand bereits die zweite der drei TV-Debatten statt. Während es in Deutschland bereits üblich ist, stellen solche ein Novum im englischen Wahlkampf dar. Dementsprechend groß ist die Aufmerksamkeit. Mehr noch: Die Liberaldemokraten unter Nick Clegg könnten das ewige Hin und Her zwischen der Labour Partei und den Torries durchbrechen.

Der Führer der Liberaldemokraten Nick Clegg, den die meisten Briten vor kurzem noch gar nicht kannten, wirkte in beiden Duellen spritziger und ehrlicher als die anderen Kandidaten. Bewusst nannte er die Parteien von David Cameron (Konservativen) und Gordon Brown (Labour), dem amtierenden Premierminister, die „alten Parteien“. Wer einen wirklichen Wechsel haben will, der muss die Liberaldemokraten wählen, so seine Botschaft. Umfragen zeigen den ehemaligen Europaabgeordneten, der fünf Sprachen spricht, nicht nur als Gewinner der TV-Duelle, auch wird ihm die Chance zugesprochen, die Unterhauswahlen zu gewinnen. Er profitiert dabei unter anderem von einer herrschenden Vertrauenskrise in die englische Politik. So hatten sich Abgeordnete jeder Couleur in einem umfassenden Spesenskandal auf Kosten des Steuerzahlers bereichert. Die durchweg für David Cameron schreibende und einflussreiche Boulevard Zeitung „The Sun“ ist bereits wegen Nick Clegg nervös und hat sich dazu entschlossen einen Teil der Umfrageergebnisse nicht zu veröffentlichen.

Themen im Wahlkampf: vor allem die öffentlichen Finanzen

Bei der zweiten Übertragung auf Sky News konnte man wieder die ganze Bandbreite der Themen verfolgen, um die es im britischen Wahlkampf geht. Der Ausweg aus der Finanzkrise, öffentliche Finanzen, Afghanistan, der Klimawandel usw. Aufgrund des Spesenskandals wird auch über eine Umstrukturierung der Politikergehälter geredet. Zudem soll das Wahlrecht reformiert werden. Das was gesagt wurde, lässt sich auch in den Wahlprogrammen nachlesen. [1]

Während Gordon Brown – der nach dem ersten TV-Duell gezwungen war, sich gegenüber Nick Clegg stärker abzugrenzen– auf Stabilität und den Erhalt von Arbeitsplätzen Wert legt, will Cameron vor allem sparen und effizienter haushalten. Letzteres wollen auch die Liberaldemokraten, welche für sich in Anspruch nehmen, als einzige Partei konkrete Vorschläge für eine Gegenfinanzierung zu haben. So will er das Trident-Nuklear Programm, welches noch aus dem kalten Krieg stammt, einstellen. Ebenso soll am Eurofighter gespart werden. (Gordon Brown und David Cameron sehen ihn daher als Gefahr für die Sicherheit des Landes). Auch verspricht er als einzige Partei einen umfassenden Plan zur Regulierung und finanziellen Haftung der englischen Banken an den Folgen der Finanzkrise.

Europapolitik – “Cameron has joined a bunch of nutters”

Auch um die Europäische Union ging es. Gleich die erste Zuschauerfrage zielte auf Englands außenpolitische Ausrichtung. Hier versuchte vor allem David Cameron zu punkten, indem er die in England weit verbreitete Phobie eines bürokratischen, zentralistischen Europas ansprach. „We have to stand up for Britain“, so wiederholte er mehrfach und versprach ein Gesetz zu verabschieden, welches es für die Zukunft unmöglich machen würde, Kompetenzen nach Brüssel abzugeben ohne ein Referendum abzuhalten. Hier waren sich die anderen Kandidaten einig und bezichtigten Cameron einer Isolationspolitik: „David Cameron has joined a bunch of nutters, anti-Semites, people who deny climate change exists, homophobes”, sagte Brown wortwörtlich und bezog sich damit auf den recht fragwürdigen Ausstieg der britischen Konservativen aus der EVP-Fraktion im Europaparlament. Die beiden anderen Kandidaten wollen hingegen vor allem in Europa kooperieren und betonen, dass man nur gemeinsam die Herausforderung der Zukunft meistern könnte. Während Brown probierte, sich als internationaler Führer zu profilieren, sah Nick Clegg, ehemaliges Mitglied des Europaparlamentes mit Erfahrungen in Brüssel, englische Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen nur in und über Europa gewahrt. „Die Chinesen und Russen hören in Verhandlungen vor allem deswegen auf uns, weil der europäische Binnenmarkt der größte auf der ganzen Welt ist.“

Hung Parliament?

Nach derzeitigen Umfragen wird keine der Parteien die Mehrheit erlangen. Man spricht dann von einem sogenannten „Hung Parliament“. Gerade davor haben die Briten Angst, gilt es im Land der Queen vor allem stabile Mehrheiten zu erreichen. Das von einem Mehrheitswahlrecht geprägte Land hat keinerlei Erfahrungen in Koalitionsbildung. Die Queen ernennt nach Konvention den Führer der Partei mit der absoluten Mehrheit als ihren Premierminister. Gibt es eine solche Mehrheit nicht, liegt es am Führer der regierenden Partei, eine eventuelle tolerierte Minderheitsregierung aufzubauen. Gelingt ihm das nicht, wird die Partei mit den meisten Stimmen mit der Regierungsbildung beauftragt. Die kann dann entweder versuchen eine dauerhafte Koalition zu bilden oder um jedes Gesetz einzeln zu kämpfen. Eine solches Hung Parliament gab es bisher nur 1974 und hielt damals nicht einmal ein ganzes Jahr.

Gerade in Zeiten finanzieller Not steht eine solche Situation, die anderen Ländern normal ist, auf der Insel nicht unbedingt für Stabilität. Konsequenterweise versuchte Cameron, die Differenzen zwischen Brown und Clegg auszuschlachten: „Seht her! Die sind sich ja jetzt schon nicht einig.“

Bildquelle: http://www.reuters.com/resources; Beim ersten TV-Duell stand Nicc Glegg noch ganz links. Beim zweiten Duell wurde er von Cameron und Brown in die Zange genommen.

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