Jeder kennt sie, keiner mag sie – sogenannte Verwertungsgesellschaften. Spätestens seit dem Rechtsstreit zwischen der Verwertungsgesellschaft GEMA und YouTube spürt man, dass im Bereich der Musik keinesfalls ein Europa ohne Grenzen existiert.
Die Google-Tochter Youtube verhandelt und streitet sich seit 2009 mit der GEMA. Der Satz „Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar….“ verärgerte schon viele Youtube-Nutzer: Man möchte beispielsweise ein Video öffnen, dass von einem Freund aus Frankreich oder Italien empfohlen wurde. Doch dann erscheint die lästige Meldung. Als junge Europäer, die im Zeitalter des Web 2.0 aufgewachsen sind, müssen wir uns deshalb fragen: Wieso gibt es hier keine einheitliche Regelung in Europa?
Europa ist ein Verwertungsjungle
Eine Organisation, die europaweit Urheber vertritt, gibt es nicht. In der EU existieren stattdessen mehr als 250 Verwertungsgesellschaften, die die Rechte von Komponisten und Textautoren von Musikstücken zu verteidigen versuchen. Im Auftrag der Musiker treiben sie Gebühren ein, etwa für das Abspielen ihrer Titel, und schütten diese aus. Jährlich summiert sich dieser Markt nach Angaben der Europäischen Union auf sechs Milliarden Euro.
In Deutschland ist diese Verwertungsgesellschaft die GEMA. Jeder, der schon einmal öffentlich Musik abspielen wollte, hat schon Post von der „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“ (GEMA) bekommen.
Aber nicht nur für das Abspielen treibt die GEMA Geld ein, sondern auch für bestimmte Hardware. Zum 1. Juli 2012 erhöhte die GEMA beispielsweise die Gebühren auf USB-Sticks und Speicherkarten von bisher 0,10 Euro pro verkauftem Stück auf nun bis zu 1,95 Euro je verkauftem Speichermedium.
Die GEMA steht in Deutschland schon lange in der Kritik. Zum öffentlichen Eklat kam es im Sommer, als die Münchner Rechteverwerter mit einer Tariferhöhung von bis zu 2.000 Prozent Musikklubbesitzer in Rage versetzten. Die Folge war eine deutschlandweite Unterschriftenaktion, an der sich 300.000 Personen beteiligten und die an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages überreicht wurde.
Der europäische Markt ist lukrativ
Der europäische Musikmarkt ist grundsätzlich insbesondere auch für viele junge Unternehmen sehr lukrativ. Jedoch machen es unsere Urheberrechtsgesetze und die GEMA innovativen Firmen oftmals schwer. Das schwedische Webradio „Spotify“ brauchte beispielsweise Jahre, um ein für beide Seiten akzeptables Abkommen mit der GEMA in Deutschland zu erreichen. Bevor es in Deutschland verfügbar war, erfolgte daher der Sprung in die USA. Gerade auch die nicht einheitlichen Gebührensätze machen es solchen Unternehmen schwer. Für Spotify & Co. liegt der Betrag bei 10,25 % der Netto-Einnahmen, was durchaus internationalen Standards entspricht. Allerdings werden pro Stream mindestens 0,6 Cent fällig. Die britische Verwertungsgesellschaft hingegen verlangt nur 0,065 Pence pro Stream. Kurzum: Rein werbefinanziertes Streaming ist in Deutschland ein Verlustgeschäft.
Wenn es aber nach Michael Barnier, Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, geht, sollen Verwertungsgesellschaften die von ihnen vertretenen Rechte künftig europaweit lizenzieren. Dafür können sie Unternehmen mit der Abwicklung und Abrechnung von Lizenzen beauftragen oder sich mit anderen Gesellschaften zusammenschließen. Ist ein Urheber mit seiner Verwertungsgesellschaft nicht zufrieden, soll das neue Gesetz ihm das Recht garantieren, sich von einer anderen Gesellschaft in einem anderen Land bei der EU-weiten Onlinenutzung vertreten zu lassen.
Aber wäre nicht der Schritt zu wenigen rein europäischen Verwertungsgesellschaften zeitgemäß und würde dies dem europäischen Gedanken nicht eher entsprechen – eine GEMA für alle Europäer?
Eine europäische GEMA ist notwendig!
Wenn wir es mit den Grundfreiheiten des Europäischen Binnenmarkts ernst meinen, dann ist dieser Schritt schon längst überfällig. Der Musikmarkt macht heute schon längst nicht mehr vor Grenzen halt. Wenn Künstler und Plattenfirmen aber in einem Land ihre Musik schwerer an die Nutzer bringen können als in anderen Ländern oder ihr geistiges Eigentum in einem Land schlechter geschützt wird als in einem anderen, dann handelt es sich dabei um nicht zu rechtfertigende Wettbewerbsverzerrungen. Es ist höchste Zeit, solchen Zuständen mittels europäischer oder zumindest intergouvernemental abgestimmter Gesetzgebung entgegenzuwirken.
Es wäre illusorisch zu glauben, dass die Nutzer plötzlich beste Freunde einer solchen europäischen Verwertungsgesellschaft würden. Doch wenn es ihr gelänge, einen einheitlichen Zugang zu Musik unter angemessener Berücksichtigung der Künstlerrechte zu ermöglichen, dann würde sie einen Beitrag dazu leisten, dass die Nutzer einen direkten Vorteil eines einheitlichen europäischen Binnenmarkts sehen. Für uns bedeutet dies: Zu einem Europa ohne Grenzen gehört auch Musik ohne Grenzen.
Dieser Artikel erschien im neuen gedruckten treffpunkt.europa, Mitgliedermagazin der JEF-Deutschland. Die aktuelle Ausgabe widmet sich der Diskussion um geistiges Eigentum in Europa und ist als kostenloser Download erhältlich.
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