Die Welthandelsorganisation gibt den USA recht
Vor 15 Jahren am 6. Oktober 2004 haben die USA die Aufnahme von Konsultationen mit den deutschen, französischen, britischen und spanischen Regierungen und der Europäischen Union „bezüglich der den Handel mit Großraumflugzeugen betreffenden Maßnahmen“ gefordert. Die USA erklärten, dass die Subventionen für Airbus der Firma einen technologischen und finanziellen Wettbewerbsvorteil verschafft hätten, da sie die Einführung neuer Modelle von Flugzeugen des Typs LCA (Large Civil Aircraft) auf dem Markt erleichtert hätten. Laut den USA wären diese neuen Modelle ohne die finanziellen Hilfen der EU niemals entwickelt worden. Ein Kausalzusammenhang zwischen den Subventionen und einem Rückgang der Verkäufe und den auf lange Sicht erlittenen Handelsbehinderungen auf Seiten des amerikanischen Herstellers Boeing sei damit hergestellt. Da die Konsultationen erfolglos blieben, hat das Streitbeilegungsorgan (DSB dispute settlement body) (gegründet durch den Allgemeinen Rat) am 5. Mai 2005 ein Panel beauftragt, welches seinen Bericht am 30. Juni 2010 vorgestellt hat. Dieser hat den USA insoweit recht gegeben, dass einige Subventionen zu Verkaufseinbußen geführt hätten und damit amerikanische Interessen bedrohen würden. Die EU hat dagegen am 21. Juli Berufung eingelegt. Das Berufungsgremium legte seinen Bericht am 15. Mai 2011 vor und kam zu denselben Ergebnissen wie das Panel. Die EU hatte in Folge sechs Monate Zeit das Urteil umzusetzen.
Die USA allerdings waren nicht zufrieden mit den von der EU getroffenen Maßnahmen und forderten beim DSB am 13. April 2012 die Einsetzung eines weiteren Panels zur Überwachung der Urteilsumsetzung (compliance panel). Dessen Bericht vom 22. September 2016 gab erneut den USA recht. Die EU hat auch gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt, allerdings ohne großen Erfolg.
Daneben haben die USA am 9. Dezember 2011 beim DSB eine Anfrage gestellt, Gegenmaßnahmen gegen die EU ergreifen zu dürfen, gegen welche die EU sich auflehnte. Ein Schiedsgerichtsverfahren wurde angestrebt und das Ergebnis fiel erneut zu Gunsten der Vereinigten Staaten aus.
…aber die USA geben nicht der WTO recht
Der DSB besteht aus Mitgliedern des Allgemeinen Rates der WTO und vertritt die Gesamtheit der Mitgliedsregierungen durch Botschafter*innen oder hohe Beamt*innen. Der momentane Präsident ist der Neuseeländer David Walker. Dieses Gremium setzt die Panels ein und nimmt deren sowie die Berichte des Berufungsgremiums an.
Das Berufungsgremium wiederum besteht aus sieben Richter*innen, eingesetzt vom DSB. Im Moment besteht dieses aus lediglich drei Mitgliedern: Ujal Singh Bhatia (Indien), Thomas R. Grahman (USA) und Hong Zhao (China), letzterer ist auch Präsident des Gremiums ist. Tatsächlich muss die Nominierung der Richter*innen auf einem Konsens zwischen den Mitgliedstaaten der WTO basieren. Die USA blockieren allerdings jede neue Nominierung. Um die laufenden Verfahren abwickeln zu können, sind Richter*innen, deren Mandat bereits abgelaufen ist, autorisiert, Berufungsverfahren weiter zu behandeln, in die sie schon vor Ablauf ihres Mandats involviert waren. Das war in dieser Frage der Fall beim compliance panel. Die Mandate des indischen und des amerikanischen Richters sollten jedoch Ende 2019 auslaufen. Dem DSB würde dann nur noch das chinesische Mitglied bleiben. Diese Tatsache stellt das Streitschlichtungssystem der WTO vor erhebliche Probleme. Und genau das ist das Ziel der Regierung unter Trump. Eine der großen Kritikpunkte der Vereinigten Staaten an der WTO ist der zwingende Charakter der Streitschlichtung. Unter dem GATT (General Agreement on Tarifs and Trade) basierte das System auf Konsens, was allerdings sehr schlecht funktionierte, da die Mitglieder allzu häufig von ihrem Veto-Recht gebraucht machten. Heute ist in der WTO das Konsensprinzip umgedreht worden. Das bedeutet, um sich gegen eine Entscheidung zu stellen, braucht es nun die Gesamtheit der Staaten. Es gibt also kein Veto-Recht mehr. Die USA trauern den Zeiten hinterher, als Streitigkeiten hinter verschlossenen Türen beigelegt worden sind. Darüber hinaus konnten sie in ihrer Position als Weltmacht ihre Verhandlungsmacht gegenüber wirtschaftlich schwächeren Staaten ausnutzen. Seitdem es unabhängige Richter gibt, deren Entscheidungen bindend sind, verfügen die Vereinigten Staaten nicht länger über diesen Vorteil.
Welche Konsequenzen ergeben sich für die transatlantischen Beziehungen? Donald Trump reagierte auf die Entscheidung der WTO, indem er behauptet, dass diese lediglich ein Versuch sei, die Zustimmung der Amerikaner*innen wiederzuerlangen. Die Europäische Kommissarin für Wettbewerb, Cecilia Malmström, erklärte, dass der Flugzeugriese Boeing ebenfalls unrechtmäßige Subventionen von Seiten der USA erhalten habe, welche von der WTO ebenfalls verurteilt worden seien. Das dürfe der EU erlauben, ebenfalls Gegenmaßnahmen zu erlassen. Die Kommissarin erklärte darüber hinaus auch, dass die EU den Konflikt lieber freundschaftlich lösen wolle.
Tatsächlich könnte die Einführung gegenseitiger Handelssanktionen zu einer internationalen Krise führen, die sich auf andere Industriezweige und auf den gesamten internationalen Handel ausweiten könnte. Kommissarin Malmström hat ihrerseits unterstrichen, dass die EU nicht zögern würde, sollten die USA Gegenmaßnahmen gegen die EU erlassen, ebenfalls mit Gegenmaßnahmen zu antworten – die Karten seien in der Hand von Donald Trump. Am 18. Oktober 2019 haben die Amerikaner*innen erklärt, die Zölle auf 7,5 Milliarden Dollar anzuheben. Diese Zahl entspricht in der Tat der von der WTO vorgeschlagenen Zahl. Nichtsdestotrotz zeigt sich der amerikanische Wirtschaftsminister, Robert Lighthizer, durchaus zu Verhandlungen bereit. Ein Sieg für Donald Trump, der seine Verhandlungsmacht wieder stärkt und die WTO ein Stück weiter in die existentielle Krise treibt.
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