Im August letzten Jahres hat die USA den Inflation Reduction Act (IRA) verabschiedet. Die Reaktionen aus der EU waren eher skeptisch, obwohl das Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Inflation gleichzeitig die Förderung grüner Technologien vorantreiben soll – allerdings in den USA. Der IRA soll den heimischen Klimaschutz fördern und durch gezielte Investitionen die Inflation in den USA bekämpfen. Zusätzlich verfolgt er das Ziel, Kohlenstoffemissionen bis 2030 um 40% zu reduzieren. Durch die Förderung bestimmter Branchen und Technologien soll er Anreize für neue grüne Technologien setzen, Produktionsstandorte in den USA aufzubauen. Sein gewaltiges Volumen von etwa 400 Mrd. USD ist dabei nicht limitiert. Denn das Programm bis 2029 läuft und ist finanziell nach oben offen.
Die Antwort der EU auf den Inflation Reduction Act
Die EU antwortete zu Beginn dieses Jahres mit einem eigenen Investitionsprogramm. Damit rückt sie den Standortwettbewerb einmal mehr in den Fokus internationaler Klimabestrebungen. So gut die Förderung grüner Technologien klingt, so besorgt war man in der EU über mögliche Abwanderungen europäischer Unternehmen in die USA. Denn selbstverständlich wird auch im Europäischen Wirtschaftsraum daran gefeilt, sich grün und nachhaltig für die Zukunft aufzustellen. Mit dem Green Deal Industrial Plan stellt die Kommission ihre Pläne zur EU-Wettbewerbsfähigkeit als internationalen Standort für grüne Technologien und grünen Wandel vor. Auch wenn die Finanzierung noch nicht abschließend geklärt ist, ist von Seiten der EU-Kommission von „about 250 Mrd. EUR“ die Rede.
„Um die Europäische Wirtschaft ist es gut bestellt“
Im Online-Bürger*innendialog der Europa-Union Deutschland konnten Bürger*innen ihre Fragen zum Thema an drei Expert*innen stellen: Anna Cavazzini ist für die Grünen Mitglied im Europäischen Parlament und Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. Thomas Eibl arbeitet als Referent in der Abteilung für Wirtschaftspolitik für die Wirtschaftskammer Österreich. Das Panel komplettierte Matthias Zelinger, Leiter des Kompetenzzentrums Klima & Energie des VDMA e.V..
Gleich zu Beginn stellte Cavazzini klar, dass es um die europäische Wirtschaft derzeit gut bestellt sei. Durch die Gasknappheit herrsche zwar nach wie vor eine Krisensituation. Dennoch sei der EU-Binnenmarkt durch stabile Handlungsbeziehungen, Lieferketten und hohem Ausbildungsstandard gut aufgestellt. Das sahen die Teilnehmer*innen des Bürger*innendialogs etwas anders, die der europäischen Wirtschaft in einer Online-Umfrage nur ein mittelmäßiges Zeugnis ausstellten.
Wettbewerbsnachteile in der EU und Sogwirkung aus den USA
Die prompte Antwort der EU auf den IRA weist auf einen Handlungsdruck hin, der durch zögerliches Handeln Seitens der EU entstanden ist. Da die USA und China mit Investitionen vorangehen, müsse die EU nachziehen. Dabei sei es jetzt wichtig, die richtigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Insbesondere die Erzeugerkosten seien während des Krieges in der Ukraine in den USA und China gesunken, in der EU jedoch gestiegen, merkte Thomas Eibl an. Durch den faktischen Wettbewerbsnachteil für energieintensive Unternehmen in der EU könne die Sogwirkung aus den USA besonders stark wirken.
Matthias Zelinger warf ein, dass sich auf den Aufbau neuer Branchenstränge konzentriert werden sollte. Die EU müsse grüne Transformationstechnologien durch gezielte Förderung neuer Wertschöpfungsketten adressieren. Wird gleich Planungssicherheit von Beihilfezahlungen gewährleistet, müsse man sich über Abwanderung keine Sorgen mehr machen.
Finanzierung des Green Deal Industrial Plan
Eine Frage die viele Teilnehmer*innen beschäftigte, war die der Finanzierung des Green Deal Industrial Plans. Diese sei noch nicht vollständig abgeschlossen, da z.B. auch Hilfsgelder aus dem Corona-Wiederaufbaufonds genutzt werden könnten. Außerdem gäbe es verschiedene Instrumente zur Förderung grüner Produkte, erläutert Anna Cavazzini. Beispielsweise könne über Ausschreibungen der Europäischen Kommission schon bei der Beschaffung grüner Produkte gesteuert werden, welche Unternehmen Zuschläge erhalten. Mit den Vorgaben der Kommission im Net Zero Industry Act, einer Verordnung, um Produktionskapazitäten von sauberen Technologien in der EU zur Erreichung der Klimaneutralität („Netto-Null-Technologien“) auszubauen, sollen nun verpflichtende Nachhaltigkeitskriterien bei der Beschaffung Eingang finden.
Die Frage vereinfachter Auszahlung von Fördergeldern in der EU spielte ebenfalls eine Rolle in der Diskussion des Online-Bürgerdialogs. Im Gegensatz zu den USA bestehe die EU aus einem komplexen Binnenmarkt inklusive EU-Haushalt, in dem die Mitgliedstaaten weitaus größere Kompetenzen haben als in den USA die Bundesstaaten. Einfache und direkte Förderzahlungen seien daher kaum umsetzbar. Insgesamt mangele es nicht an Fördergeldern in der EU, doch der einfache Zugang zu diesen und die Zusicherung von Planungssicherheit seitens der EU stehen für Transformationstechnologien noch aus.
Den globalen Süden mitdenken
Cavazzini warnte vor einem sogenannten Subventionswettlauf, bei dem Unternehmen über Jahre gefördert würden. Stattdessen sollten mit Anschubfinanzierungen die richtigen Anreize gesetzt werden, um Unternehmen dabei zu unterstützen die Transformation anzustoßen. Dabei müssten auch Länder des globalen Südens mitgedacht werden. Durch Kooperationen und Wertschöpfungsaufbau vor Ort könnten stabile und nachhaltige Handlungsbeziehungen geschaffen werden.
„Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend, um die Transformation voranzutreiben“
Bei der Frage, welchen Fokus die EU mit dem Green Deal Industrial Plan verfolgen sollte, votierte die Mehrheit des Publikums für „Klimaschutz und Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft“. Die Expert*innen betonten aber, dass auch Aspekte wie „Wirtschaftswachstum in der EU“ und eine „Vertiefung der europäischen Integration“ mitgedacht werden müssten. Denn es ist der Zusammenschluss ähnlich denkender, demokratischer Länder und gemeinsames Handeln in internationalen (Handels-)Beziehungen und Klimaschutz, was einem Green Deal Industrial Plan zum Erfolg verhelfen könnte.
Es bleibt abzuwarten, wie sich der Green Deal Industrial Plan in seiner Finanzierung und Wirkung auf die europäische Wirtschaft genau ausgestaltet. Mit Blick auf das EU-Ziel, Emissionen bis 2030 um 55% zu senken, ist jedoch klar, dass an der grünen Transformation kein Weg vorbei führt.
Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Kooperation zwischen der Europa-Union Deutschland e.V. und treffpunkteuropa.de entstanden, in der wir über die bundesweite Bürgerdialogreihe „Europa - Wir müssen reden!“ berichten.
Der Online-Bürgerdialog wurde von der überparteilichen Europa-Union Deutschland e.V. veranstaltet und ist Teil des Bürgerdialogprojekts „Europa– Wir müssen reden!“. Die Veranstaltung wurde durch das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung gefördert.
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