Angriff auf Ungarns Presselandschaft

, von  Arthur Molt

Angriff auf Ungarns Presselandschaft
Mit der Oppositionszeitung Népszabadság wurde eine wichtige Stimme gegen das Machtmonopol der Regierung Orban ausgeschaltet. © VinceB / Wikimedia Commons/ CC 2.0-Lizenz

Mit der Oppositionszeitung Népszabadság wurde eine wichtige Stimme gegen das Machtmonopol der Regierung Orban ausgeschaltet. Am vergangenen Samstag wurden Print- und Online-Ausgabe überraschend eingestellt. In ihren letzten Ausgaben veröffentlichte die Zeitung weitreichende Korruptionsvorwürfe.

Ende einer Traditionszeitung

Als er am Wochenende mit seinen Kollegen die Montagsausgabe vorbereiten will, wird ihm der Zugang zu seinem Arbeitsplatz verwehrt, schildert ein Redaktionsmitglied die plötzliche Schließung von Népszabadság gegenüber der FAZ. Statt dem bekannten Nachrichtenportal sehen die Leser auf nol.hu eine knappe Presseerklärung, in der die plötzliche Schließung aus „ökonomischen Gründen“ gerechtfertigt wird. Eine Erklärung, die viele Ungarn nicht so recht glauben können.

Die Redaktion spricht auf ihrer Facebook-Seite von einem „Putsch“. Am Sonntag protestierten Tausende in Budapest gegen die Schließung des über 60 Jahre alten Traditionsblatts. Alle Oppositionsparteien verurteilen die Entscheidung des Managements als verdeckte politische Einflussnahme der Regierung Orban auf den Mediensektor. Die Regierungspartei Fidesz erklärt dagegen, dass die Zeitung aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit geschlossen wurde. In einem Fernsehinterview wird der stellvertretende Vorsitzende von Fidesz, Szilárd Németh deutlich politischer: Es sei höchste Zeit, dass die Zeitung geschlossen worden sei. Diese verhalte sich immer noch wie die kommunistische Zeitung Szabad Nép, die bis zur Gründung von Népszabadság 1956 erschien.

Ein Seitenhieb auf die größte Oppositionspartei MSZP. Die Sozialisten hatten erst 2015 ihre Anteile (23 Prozent) an der Zeitung verkauft. Ein Vergleich mit dem kommunistischen Parteiorgan aus den Vierziger Jahren ist angesichts der liberalen, pro-amerikanischen Linie jedoch kaum angebracht. Nach der Wende hatte Népszabadság mit Bertelsmann und einem amerikanischen Investor neues Kapital gefunden. Unter der Leitung des vormaligen Washington-Korrespondenten Andras Kereszty wurde Népszabadság in den Neunziger Jahren nach amerikanischem Vorbild umgestaltet. Ray Hiebert, Journalismusprofessor und damaliger Leiter des American Journalism Centers in Budapest schreibt 1994: „Népszabadság kann die New York Times oder Washington Post Ungarns werden.

https://www.youtube.com/watch?v=SmTBeCLM2bE

Fernsehsender mehrheitlich Fidesz-freundlich

Die Abschaltung von Népszabadság ist ein weiterer Schritt in der Einschränkung der unabhängigen Presse in Ungarn. Wie weit die Massenmedien bereits den Kurs Viktor Orbans unterstützen, war zuletzt im Vorfeld des Flüchtlings-Referendums Mitte September aufgefallen.

Ein von Democracy Reporting International (DRI) durchgeführtes Monitoring zeigt, dass die größten Fernsehsender in ihren Nachrichtensendungen Partei für die Fidesz-Regierung ergriffen. Zu 95 Prozent hätten die Sendungen des staatlichen Senders M1 die Position der Regierung - „Nein“ zur Beteiligung an einer EU-weiten Verteilung von Flüchtlingen – unterstützt. Fast die Hälfte der Sendezeit (42 Prozent) in seinen Nachrichtenprogrammen widmete der Sender M1 dem Thema Flüchtlinge.

Insgesamt sieht DRI eine deutliche Unterstützung für ein Nein-Votum in den Nachrichtensendungen der beiden größten staatlichen Sender M1 (59 Prozent) und TV2 (42 Prozent). Obwohl das Referendum ungültig ist, denkt Regierungschef Orban laut darüber nach mit Unterstützung der rechtsextremen Partei Jobbik die Ablehnung einer EU-weiten Verteilung von Flüchtlingen in der Verfassung zu verankern.

Von der Vetternwirtschaft ablenken

Die ungarische Regierung hat gute Gründe die Diskussion über Flüchtlinge auch nach dem gescheiterten Referendum und der Schließung der Balkanroute weiter zu befeuern. Die Aufmerksamkeit wird so von Veruntreuung und Vetternwirtschaft abgelenkt.

Auf kritische Berichterstattung über die weitreichende Korruption im Lager der Regierungspartei Fidesz reagierte die Regierung bereits in der Vergangenheit scharf. Der ungarische Ableger der RTL-Group sollte 2014 durch eine umstrittene Rundfunksteuer – Höchstsatz von bis zu 50 Prozent des Umsatzes – zum Schweigen gebracht werden. Nach Verhandlungen mit der RTL-Group im letzten Jahr sah die ungarische Regierung von den Steuerplänen ab. Investigative Reportergehen davon aus, dass es Ziel der Verhandlungen war, die – für die Sendeformate von RTL ungewohnt – kritische Berichterstattung zu zähmen.

Népszabadság gehört bisher zu der Medienholding Mediaworks Hungary Zrt., die in Ungarn über 60 Medienprodukte vertreibt. Gegründet wurde die Holding 2014 nach dem Aufkauf von ungarischen Medienprodukten der Gruppen Ringier und Springer durch die Vienna Capital Partners. Vienna Capital Partners ist im Besitz des Österreichers Heinrich Pecina, einem Businesspartner des bekannten ungarischen Medienmoguls Zoltàn Speder.

Speder galt in der Vergangenheit als Unterstützer und Nutznießer der Regierung Orban. Ungarische Beobachter sehen jedoch Anzeichen dafür, dass die Regierung den Druck auf Speder erhöht, um Medienprodukte an Unternehmer abzutreten, die der Regierungspartei Fidesz nahe stehen. Zuletzt hatte die Polizei eine Hausdurchsuchung bei Speder durchgeführt. The Budapest Beacon sieht unter Verweis auf das ungarische Nachrichtenportal 444.hu auch die Schließung von Nébszabadsag als Vorbereitung zum Verkauf eines großen Medienportfolios an einen Fidesz-nahen Unternehmer. Ein Verkauf der Zeitung wurde bisher von Vienna Capital Partners nicht eingeräumt. Nach Informationen des österreichischen Standards stehe jedoch der Name Lörinc Meszaros als Käufer im Raum, Multimillionär und Familienfreund Orbans. Auch die Redaktion von Népszabadság habe inzwischen angeboten die Print- und Online-Version für einen symbolischen Euro abzukaufen.

Nébszabadsag hatte zuletzt wiederholt über Korruptionsverdacht gegen den von der Fidesz installierten Chef der Zentralbank György Matolcsy berichtet. Privatbanken hatten dem eigentlich zu Unabhängigkeit verpflichteten Matolscy eine luxuriöse Wohnanlage auf dem Budapester Burgberg zur Verfügung gestellt. Die letzte Ausgabe titelte über den Ausflug eines Regierungsmitglieds mit dem Helikopter auf sein privates Anwesen.

Ihr Kommentar
  • Am 14. Oktober 2016 um 19:24, von  mister-ede Als Antwort Angriff auf Ungarns Presselandschaft

    Man kennt noch den Spruch „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt“, doch müssen wir erkennen, wir hätten viel eher die EU und die europäischen Werte verteidigen müssen, z.B. in Budapest.

    Auch wenn ich zum aktuellen Fall noch zu wenig weiß, so ist doch in der Vergangenheit schon mehr als deutlich geworden, dass es um die Pressefreiheit in Ungarn schon lange nicht mehr gut steht. Dass trotzdem von konservativer Seite Jean Asselborn für seine klaren Worte an Orbán kritisiert wurde und nicht Orbán für seine martialische Flüchtlingspolitik oder die Einschränkung der Pressefreiheit, ist für mich, wie ich auch in einem Blog-Artikel klar schreibe, vor allem Ausdruck eines bürgerlich-konservativen Elitenversagens.

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