„Ärzte ohne Grenzen“ kritisieren Situation von Flüchtlingen in Griechenland

, von  Steffen Stierle | Euractiv.de

„Ärzte ohne Grenzen“ kritisieren Situation von Flüchtlingen in Griechenland
Rettungsaktion auf dem Mittelmeer Foto: Noborder Network / Flickr / CC BY 2.0

Die EU-Hotspots seien völlig überfüllt, kritisiert die Hilfsorganisation – und fordert eine rasche Umsiedelung von Flüchtlingen aufs Festland.

Kaum eine Region in der EU ist so schwer von den Flüchtlingsströmen betroffen wie die griechischen Inseln. Vor allem seit die Balkan-Route dicht ist, machen sich viele Kriegsflüchtlinge mit dem Boot auf dem Weg Richtung Europa – und enden nicht selten auf der griechischen Insel Lesbos, wo die EU einen so genannten Hotspot eingerichtet hat.

Ausgelegt ist der Hotspot eigentlich für 2.500 Menschen. Derzeit leben dort 7.000. Und die Zuströme reißen nicht ab. Nach Angaben von „Ärzte ohne Grenzen“ kommen jede Woche weitere 500 Menschen dazu. Deswegen schlägt die Organisation nun Alarm: „Wir behandeln jeden Tag Patienten mit zahlreichen Problemen, die mit den unzureichenden hygienischen Bedingungen zusammenhängen“, beschreibt Declan Barry, der medizinischer Koordinator. „Zum Beispiel Erbrechen und Durchfall, Hautinfektionen und andere Infektionskrankheiten. Wir müssen diese Menschen dann wieder in dieselbe krankmachende Umgebung zurückschicken. Es ist ein untragbarer Teufelskreis.“

Dabei sei eigentlich die griechische Regierung für die medizinische Versorgung der Asylsuchenden zuständig. Dennoch leisten die freiwilligen Teams seit Ende 2017 nahe des Lagers medizinische Hilfe, insbesondere für Kinder und Frauen. Sie behandeln nach eigenen Angaben jeden Tag etwa 60 Kinder und müssen täglich etwa 15 weitere mit weniger starken gesundheitlichen Problemen vertrösten.

„Ärzte ohne Grenzen“ weißt zudem darauf hin, dass das einzige öffentliche Krankenhaus auf Lesbos völlig unterbesetzt und überlastet ist. Nachts und am Wochenende gebe es im Lager so gut wie keine medizinische Versorgung. Doch die medizinischen Bedürfnisse der Menschen wachsen. Die Zahl der von den Helfern behandelten Kinder und Frauen habe sich in den vergangenen Wochen jeweils verdoppelt.

So kann es nicht weitergehen. Deswegen soll das Lager nach dem Willen der Hilfsorganisation nun durch Umsiedlungen auf das Festland entlastet werden. Dabei sehen die Mediziner die politische Verantwortung keineswegs allein bei der griechischen Regierung, der sie allerdings auch schwere Vorwürfe macht. „Europäische Staaten und insbesondere Deutschland tragen eine Mitverantwortung für diese unmöglichen Zustände“, kritisiert etwa Florian Westphal, Geschäftsführer der deutschen Sektion von „Ärzte ohne Grenzen“. Die Anstrengungen Griechenlands, Geflüchtete vom europäischen Festland fernzuhalten, sei Teil einer europäischen Strategie, die auf Abschreckung und Abschottung setzte. „Den Preis dafür zahlen Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, und die ständig fürchten müssen, zurückgeschickt zu werden“, kritisiert Westphal.

Die unhaltbaren Lebensumstände in den Lagern auf den griechischen Inseln seien Ausdruck des Unwillens von EU und Bundesregierung, endlich eine menschenwürdige europäische Politik zum Schutz der Betroffenen zu gestalten. Vor allem der EU-Türkei-Deal von 2016 habe diese inhumanen Zustände provoziert, während gleichzeitig die Versprechen, legale Fluchtwege zu schaffen, nicht eingehalten worden seien. Westphal: „Der EU-Türkei-Deal ist alles andere als ein Erfolg. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben aus humanitärer Sicht versagt – allen voran die Bundesregierung, die diesen Deal auf Kosten der Flüchtenden maßgeblich ausgehandelt hat.“

Hintergrund

Ärzte ohne Grenzen arbeitet derzeit nach eigenen Angaben an 20 Standorten in Griechenland. Flüchtlinge erhalten psychologische Hilfe, sexuelle und reproduktive Gesundheitsversorgung sowie medizinische Behandlung für chronische Krankheiten. Auf den Inseln leben die Geflüchteten meist in überfüllten laut der Hilfsorganisation Unterkünften unter prekären hygienischen Bedingungen. Kritisiert werden zudem der langsame Registrierungsprozess, der fehlende Zugang zu rechtlicher Beratung und ein allgemeines Unsicherheitsgefühl in den sogenannten „Hotspots“, den geschlossenen Flüchtlingszentren. Auf dem griechischen Festland sei die Lage von Camp zu Camp sehr unterschiedlich. In vielen Flüchtlingslagern reiche die Grundversorgung nicht aus, und einige Unterkünfte seien weder für einen längeren Aufenthalt noch für den Winter geeignet. Weiterhin schleppend sei zudem die behördliche Kooperation in Griechenland, beklagt die Organisation: „Flüchtlinge und Migranten sind die Leidtragenden dieses Prozesses.“

Dieser Artikel ist zuerst bei unserem Medienpartner Euractiv erschienen.

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