Das ungarische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet nach dem Flüchtlinge nur noch in einer Transitzone an der ungarisch-serbischen Grenze Asylanträge stellen können. Mit den Stimmen von Fidesz (EPP) und Jobbik (NI) wurden die Bedingungen für Asylbewerber in Ungarn weiter verschärft.
Amnesty International beklagt Bruch internationaler Vereinbarungen
Das Büro von Amnesty International in Ungarn beklagte in einem Papier, das der Redaktion vorliegt, dass mit dem Gesetz Verletzungen internationaler Vereinbarungen einhergehen. Die Auffassung der Regierung Orban, wonach die Transitzonen gegenüber dem restlichen Staatsgebiet einen rechtlichen Sonderstatus hätten verstößt nach Ansicht von Amnesty gegen die Bestimmungen der UN. Auch in den Transitzonen befänden sich die Asylbewerber auf ungarischem Staatsgebiet, es müsse ihnen deshalb entsprechend der Zugang zu Grundrechten gewährt werden.
Die Neuregelung betrifft auch unbegleitete Minderjährige im Alter von 14 bis 18 Jahren. Darin sieht Amnesty International einen Bruch mit der UN-Kinderrechtskonvention. Diese erlaubt den Gewahrsam von Minderjährigen nur im Rahmen der geltenden Gesetze und als „äußerstes Mittel“. Auch die EU-Direktive über den Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen sieht den Gewahrsam von Minderjährigen als letztes Mittel. Die Dauer müsste dabei so kurz wie möglich sein. Außerdem müsste ein Vertreter die Minderjährigen über die Konsequenzen der Anhörungen im Asylverfahren informieren.
Geringe Zahl von Asylanträge in der Transitzone angenommen
Die Unterbringung in der Transitzone stellt Asylbewerber vor die Wahl auf die Bearbeitung ihres Antrags zu warten oder zurück in das Nachbarland Serbien zu gehen. Nach Informationen von Amnesty Ungarn werden in den beiden Aufnahmeeinrichtungen an der südlichen Landesgrenze jeweils nur von 5 Personen pro Werktag Asylanträge angenommen. Seit dem 23. Januar 2017 hätten demnach nur 10 Personen täglich an der ungarischen Grenze Asyl beantragen können.
Amnesty Ungarn spricht vor diesem Hintergrund vor einer de facto Inhaftierung von Asylbewerbern. Seit Anfang März wurde in Ungarn der Ausnahmezustand von der Grenzregion auf das gesamte Land ausgeweitet. Die Gewahrsamnahme in Transitzonen gilt unter der Bedingung des Ausnahmezustands, der bis September verhängt wurde. Amnesty befürchtet deshalb in Zukunft auch eine willkürliche Verlängerung des Ausnahmezustands im Falle von Unregelmäßigkeiten an der Grenze.
Push backs nach Serbien, weniger Rückführungen nach Ungarn
Konkret bedeutet die Neuregelung, dass ab Mitte März verstärkt Flüchtlinge in sogenannten push backs aufgegriffen und aus dem Landesinneren an die Grenze gebracht werden.
Die Co-Vorsitzende der Ungarischen Helsinki Stiftung, einer Menschenrechtsorganisation in dem postsozialistischen Land verurteilte das Gesetz und äußerte Bedenken, dass diese Gesetzesänderungen „es noch unwahrscheinlicher machten, dass nationale Gerichte in anderen EU Ländern Rückführungen gemäß der EU Dublin-Verordnung akzeptieren würden.“ Schon zuvor verzichteten deutsche und österreichische Gerichte häufig auf Überstellungen nach Ungarn wegen menschenrechtlicher Bedenken.
Immer wieder berichten Flüchtlinge von Misshandlungen durch die ungarische Polizei. Von Spuren systemischer Gewalt sprach zuletzt ein Vertreter von Ärzte ohne Grenzen. In der Transitzone werden Flüchtlinge in Eisenbahncontainern untergebracht.
Ungarn hatte im Jahr 2015 die höchste Zahl an Asylbewerbern pro Kopf innerhalb der EU. Zugleich lag die Anerkennungsrate auf einem niedrigen Stand. Nach Angaben von ProAsyl wurden von Januar bis November 2015 lediglich 450 Personen ein internationaler Schutzstatus zugesprochen. Viele Asylbewerber verließen Ungarn nach der ersten Antragstellung. Im dritten Quartal 2016 waren es laut Eurostat dagegen lediglich 413 Asylbewerber pro eine Million Einwohner. Damit liegt Ungarn derzeit auf Platz 10 der EU-Staaten mit den meisten Asylanträgen.
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