Es ist nicht neu, dass auch das Fliegen Folgen für das Klima hat. Laut einer Studie des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments werden Flugreisen bis zum Jahr 2050 für 22 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich sein. Dies auch Dank oder gerade wegen der unzähligen Billigflüge wie es auch der von Berlin nach Skopje und zurück ist. Die Zahl der Flugreisen steigt stetig. Zwar treiben Inlandsflüge und Wochenendreisen in nahegelegene europäische Städte bereits Vielen die Schamesröte ins Gesicht. In Ermangelung erschwinglicher Alternativen tun sie es dennoch.
Es stellt sich die Frage, ob wir wirklich am Wochenende nach Barcelona fliegen müssen und ob der Flug von Berlin nach München aus geschäftlichen Gründen tatsächlich notwendig ist. Schließlich gibt es heute Kommunikationsmöglichkeiten, die in vielen Fällen ein persönliches Erscheinen nicht mehr nötig machen. Die alternativen Reisemöglichkeiten sind zwar nicht emissionsfrei, aber bei weitem nicht so schädlich wie das Fliegen.
Weg aus dem Alltag
Doch was ist mit dem Flug von Berlin nach Skopje und zurück? Seit Dezember 2009 dürfen die Bürger*innen Nordmazedoniens für 90 Tage ohne Visum in die Europäische Union einreisen. Davor mussten Staatsangehörige aus diesem Land Tage oder Wochen für ein Visum anstehen, welches mit vielen Auflagen wie z.B. einer Verpflichtungserklärung der einladenden Person im betreffenden EU-Staat, dem Nachweis über ausreichende Mittel für den Besuch und vielem mehr verbunden war. Die Visafreiheit und die Billigflüge haben für die Menschen in Nordmazedonien Türen geöffnet, die für viele EU-Bürger*innen schon seit langem geöffnet sind.
Besonders für die jungen Menschen in Nordmazedonien bedeuten Visafreiheit und Billigflüge buchstäblich das Wegkommen aus einem Land, in dem Rechtstaatlichkeit, Pressefreiheit und die Möglichkeit auf freie Entfaltung der Person auch nach 14 Jahren der Beitrittskandidatur immer noch von der EU streng angemahnte Bereiche sind. Aus einem Land, in dem sich besonders die jungen Menschen einer schier ausweglosen Perspektivlosigkeit gegenübersehen. Der Flug nach Berlin ist eine der wenigen Möglichkeiten, Horizonte zu erweitern, sich auszutauschen, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die anderswo ähnliche Ideen haben, Neues zu sehen und zu erfahren; kurz die Welt außerhalb des Westbalkan zu sehen und vielleicht auch etwas mit zurück zu nehmen.
Für viele sind diese Billigflüge die einzige bezahlbare Möglichkeit, für kurze Zeit außerhalb des Alltags zu leben. Nicht zu vergessen sind auch die nicht geringe Zahl der Reisenden, die ihre Familien, kranken Großeltern oder seit langem ausgewanderte Kinder, in Deutschland oder anderswo in Europa besuchen möchten und umgekehrt.
Zwischen Freiheit und Klimaschutz
Mit einem deutschen Pass können 171 Länder der Welt visafrei bereist werden; der*die Inhaber*in eines Passes Nordmazedoniens kann nur in 77 Staaten ohne Visum einreisen. Eine wesentliche Rolle in Bezug auf die Reisefreiheit spielt selbstverständlich auch das Einkommen. Während in Deutschland die Selbstfindungsreise nach Südamerika für einkommensstärkere Familien zu einem Alltagsgespräch unter Jugendlichen geworden ist, ist für die Mehrheit der Bürger*innen Nordmazedoniens diese Tür noch fest verriegelt. Das zeigt sich auch in der Statistik, denn weniger als 20 Prozent der Gesamtbevölkerung der Erde können von sich behaupten, jemals geflogen zu sein. Obwohl es den Anschein nimmt, dass Fliegen für alle zugänglich ist, zeigt diese Zahl, dass Fliegen immer noch ein Privileg ist, welches sich nur wenige leisten können.
Reisefreiheit jedoch sollte kein Privileg sein; nicht in einer Welt, in der sich Menschen innerhalb von Sekunden austauschen können und nicht in einer Welt, die behauptet, sich noch nie so nah gewesen zu sein. Die allgemeine Freizügigkeit ist eine wesentliche Errungenschaft der Europäischen Union, doch leider wird dies mittlerweile von einem großen Teil der Bürger*innen der EU als selbstverständliche Normalität wahrgenommen. Der Wunsch, sich durch die sogenannte EU-Außengrenze gegenüber der restlichen Welt abzugrenzen, wird nicht mehr nur im Stillen geäußert. Klimagerechtigkeit funktioniert indes nicht ohne eine ernsthafte und vor allem, wirklich ernstgemeinte Auseinandersetzung mit dem bestehenden kapitalistischen, sich nach innen schließenden System. Fliegen, besonders das billige Fliegen, ist nicht nur für einen vermeidbaren CO2-Ausstoß verantwortlich, sondern auch dafür, dass bei Billigairlines arbeitende Menschen sehr oft unter absolut schlechten Bedingungen arbeiten müssen und natürlich auch „billig“ bezahlt werden. Deshalb müssen gerechte Wege gefunden werden, die einerseits Nachhaltigkeit fördern und andererseits die Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit nicht einschränken.
Gerechte Lösungen, bitte!
Fördert Bahnfahren, überdenkt Subventionen und Staatshilfen für Fluggesellschaften! Staat und Wirtschaft müssen zur Verantwortung gezogen werden, bevor Menschen, die sich einmal im Jahr einen Flug leisten (können), um sich von schlechten Arbeitsbedingungen und Perspektivlosigkeit auszuruhen, zur Rechenschaft gezogen werden.
Die wachstumskritischen Diskussionen sowie die Konzepte für eine Postwachstumsgesellschaft müssen ernst genommen werden und insgesamt muss gesellschaftlich umgedacht werden, damit wir auch künftig noch Ressourcen und Leistungen verteilen können; vielleicht endlich einmal gerecht.
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