Brief an Europa: Die Parteispitzen von Union, FDP und Grünen

, von  Jonas Botta

Brief an Europa: Die Parteispitzen von Union, FDP und Grünen
Die Farben der jamaikanischen Flagge sind namensgebend für ein Regierungsbündnis aus Union, FDP und Grünen Foto: 3.26 / Flickr / Attribution-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)

Bereits drei Wochen sind seit der Bundestagswahl vergangen, ohne dass Sondierungsgespräche aufgenommen worden sind. Bis zum Amtsantritt einer neuen Regierung können noch Monate vergehen. Die gegenwärtigen europapolitischen Herausforderungen bedürfen jedoch nicht nur möglichst schnell einer handlungsfähigen Bundesregierung, sondern insbesondere auch deren Willen, die europäische Integration aktiv gestalten zu wollen.

Am heutigen Sonntag richten sich europaweit die Blicke auf die Nationalratswahlen in Österreich und die drohende Regierungsbeteiligung der rechtsextremen FPÖ unter ihrem Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache. Doch nicht nur in der Alpenrepublik sind die Bürger aufgerufen, zur Wahl zu gehen. Auch in Niedersachsen stehen vorgezogene Neuwahlen an. Eine Landtagswahl, der grundsätzlich nur wenig europapolitische Relevanz beikäme. Hätten die Union (wie die SPD bereits im August) nicht verkündet, erst nach der Wahl im Nordwesten Deutschlands mit Sondierungen auf Bundesebene zu beginnen.

Mut zur Gestaltung statt Formelkompromisse und Notlösungen

Ab dem morgigen Tag sind daher die Parteispitzen von CDU und CSU aufgefordert, endlich offizielle Gesprächen mit ihren potentiellen Koalitionspartnern von FDP und Grünen aufzunehmen. Denn bis zu einer Regierungsbildung ist es angesichts der bestehenden Differenzen der vier Parteien noch ein langer Weg. Europa aber kann sich keine längere politische Instabilität in seinem bevölkerungsreichsten Mitgliedsstaat leisten. Stattdessen bedarf es neuer Visionen hinzu einer vertieften Integration, einer Demokratisierung der europäischen Institutionen und mehr Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten, aber auch einer entschiedenen Verteidigung der rechtsstaatlichen Errungenschaften. Die vier kommenden Jahre sind eine zu kostbare Zeit für die Zukunft der Europäischen Union, als sich mit politischem Klein-Klein zufrieden zu geben. Ein Koalitionsvertrag des kleinsten gemeinsamen Nenners kann daher keine Antwort auf die menschenrechtlichen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen unserer Zeit sein. Es braucht innovative Ideen wie beispielsweise die parlamentarische Kontrolle der Euro-Gruppe oder ein eigenes Ministerium für die europäische Integration.

Jamaika wird sich am Umgang mit der AfD messen

Selbstverständlich wird dies kein leichtes Unterfangen sein. Zu sehr divergieren die möglichen Regierungspartner aktuell noch in Fragen der europäischen Asylpolitik, der Euro-Politik, aber auch etwa bei ihrer Haltung zu Russland und der Annexion der Krim. Am deutlichsten wird sich der Zusammenhalt des zukünftigen Jamaika-Bündnisses am Umgang mit der rechtsextremen AfD-Fraktion im deutschen Bundestag zeigen. Eine Koalition, deren kleinster Partner aus Sorge vor den heimischen Landtagswahlen im kommenden Jahr und dem Verlust der absoluten Mehrheit bereit ist, so viel AfD-Positionen wie möglich zu übernehmen, wird nicht lange gemeinsam regieren können.

Es braucht mehr europapolitische Debatten im Deutschen Bundestag

Ein solides Regierungsprogramm zur Gestaltung der EU muss jedoch nicht bedeuten, dass sich nicht weiterhin über europapolitische Themen im Parlament gestritten werden darf. Denn dies ist konstitutiv für das Interesse der Öffentlichkeit an Europa. Während in der vergangenen Wahlperiode des Deutschen Bundestages rund 90% der Bundestagsabgeordneten in Europafragen weitestgehend eine einheitliche Linie vertraten und nur die Linkspartei dezidiert in Opposition ging, ist eine inhaltliche Kontroverse zwischen schwarz-gelb-grüner Bundesregierung und einer rot-roten Opposition grundsätzlich von großem Potential für einen lebendigen Diskurs. Doch ohne Inhalte lässt sich nicht streiten. Es liegt jetzt an Union, FDP und den Grünen, mutig zu sein und neue Wege zu gehen.

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