Brief an Europa: Ein sozialdemokratischer Bundespräsident

, von  Gesine Weber

Brief an Europa: Ein sozialdemokratischer Bundespräsident
Vom Außenminister zum Präsidenten: Frank-Walter Steinmeier Foto: Maik Meid / Flickr / CC BY SA 2.0 - Lizenz

Bevor die Bundesversammlung heute Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum neuen Bundespräsidenten wählen wird, nutzt Gesine Weber die Gelegenheit, um ihm den heutigen Brief an Europa zu widmen.

Lieber Frank-Walter,

mal unter Genossen: Gut, dass endlich wieder ein Sozialdemokrat Bundespräsident wird! Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Briefes und auch zu seiner Veröffentlichung bist du zwar noch nicht von der Bundesversammlung in dieses Amt gewählt worden, aber es ist kein Geheimnis, dass es sich hierbei um eine reine Formsache handelt. Dir wurden auf den Weg ins Schloss Bellevue kaum Steine in den Weg gelegt – so sieht dein neues Amt, zumindest vor seinem Antritt, wie die Krönung deiner politischen Karriere aus.

Ich weiß nicht, ob du im Juni 2016, als Bundespräsident Gauck den Verzicht auf eine weitere Kandidatur seinerseits angekündigt hat, schon ein Auge auf dieses Amt geworfen hast. Eine Person hätte dich sicherlich sehr viel lieber weiterhin als verhandelnden Außenminister gesehen als im Schloss Bellevue: Angela Merkel. Für sie ist es schon das zweite Mal, dass sie und ihre Partei keinen Kandidaten für das Amt des Staatsoberhaupts aufstellen können. Mit Joachim Gauck konnte sie sich arrangieren; für Merkel und die CDU muss es jedoch eine bittere Pille sein, dass ausgerechnet ihr kleiner Koalitionspartner und gefährlichster Gegner bei der Bundestagswahl 2017 den zukünftigen Präsidenten stellen wird. Bei guter Verhandlungsführung hätte man hier vielleicht in Hinblick auf eine neue Große Koalition vorsichtshalber Vereinbarungen treffen können, von denen die CDU hätte profitieren können, zum Beispiel: Bellevue an die SPD, das Auswärtige Amt dafür an die CDU. Zu dumm nur, dass in den Reihen der CDU nicht mal annähernd ein geeigneter Kandidat oder eine geeignete Kandidatin zu finden war. Damit war dein Weg als aussichtsreichster Kandidat in die Bundesversammlung nicht nur geebnet, dir wurde geradezu der rote Teppich ausgerollt. Deine konstant hohen Beliebtheitswerte zeigen deinen Rückhalt in der Bevölkerung, über Parteigrenzen hinweg erhältst du Zuspruch, zumindest öffentlich. Daraus solltest du etwas machen.

Politischen Gestaltungsspielraum hat das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik nicht; dennoch haben deine Vorgänger in dem Amt oft Impulse geben oder Akzente setzen können, sei es durch die Repräsentation Deutschlands nach Außen oder als Reserveautorität und moralische Instanz nach Innen. Zum Amt des Außenministers, das du über zwei Legislaturperioden ausgeübt hast, steht das natürlich nicht in einem hundertprozentigen Gegensatz. Repräsentation gehört bei beiden Ämtern dazu, jedoch auf anderen Ebenen, denn während der Minister verhandelt, tauscht sich der Präsident aus; und während der Minister vom einen Arbeitsbesuch zum anderen fliegt, sind Besuche des Präsidenten offizielle und prestigeträchtige Staatsbesuche. Während deiner Tätigkeit als Außenminister hat dich die deutsche Öffentlichkeit als besonnen Chefdiplomaten kennengelernt, der unermüdlich verhandelte und selbst bei schwierigen Partnern nicht die Contenance verlor. Dieses Bild hat sich verändert, als du den Wahlkampf von Donald Trump kommentiert und ihn einen „Hassprediger“ genannt hast: Diplomatisch war das sicher nicht einwandfrei, aber es war ein wichtiges Signal an Amerika und Deutschland. Du hast unmissverständlich deutlich gemacht, dass Trump zu weit geht und impliziert, dass derartige Hetze in einer demokratisch-freiheitlichen Gesellschaft keinen Platz hat und keinen Platz haben darf– in meinen Augen zu Recht.

Klare Bekenntnisse zu Demokratie und unserer freiheitlichen Grundordnung brauchen wir heute mehr und stärker als in den letzten 20 Jahren, da genau diese Prinzipien durch rechte Parolen und blinden Fremdenhass in Frage gestellt werden. In meinen Augen ist es Aufgabe eines Bundespräsidenten, auf genau solche Entwicklungen kritisch hinzuweisen. Joachim Gauck hat das oft getan; er hat es geschafft, dem Amt nach den zwei Wulff-Jahren wieder seinen Stellenwert zurückzugeben, auch wenn er dabei (leider!) das Bild des evangelischen Pfarrers mit der wortwörtlichen Moralpredigt nie wirklich loswurde. Du trittst also nicht gerade in kleine Fußspuren, aber davor musst und solltest du dich auch nicht verstecken. Nun hast du als Bundespräsident eine Amtszeit vor dir, die jede Menge Herausforderungen für Freiheit und Demokratie in der Welt, in Europa und Deutschland birgt, nicht alle davon wirst du gleichermaßen meistern und angehen können und deshalb Prioritäten setzen müssen. Wie wirst du auftreten – als Außen-Reserveautorität in der Hinterhand deines Nachfolgers im Außenministerium, Sigmar Gabriel, als Europaverteidiger oder als politischer Präsident in Deutschland? Ich würde mir wünschen, dass du als Stimme für Vernunft, Weltoffenheit, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung den Diskurs innerhalb von Deutschland prägst und dieses Wertefundament in Europa und der Welt vertrittst. Dass du auf Missstände und Gefahren hinweist und ein Präsident bist, dem die Bürgerinnen und Bürger Deutschlands, unabhängig von ihrer und deiner politischen Couleur, Vertrauen schenken. Ich bin überzeugt, dass du dafür gute Ausgangsvoraussetzungen mitbringst.

Eine Sache noch zum Ende: Ein politischer Präsident sollte nicht mit einem parteipolitischen Präsidenten gleichgesetzt werden. Wir beide wissen, wofür die Sozialdemokratie steht, was ihre Errungenschaften und Werte sind, und warum die Bundesrepublik sozialdemokratische Stimmen braucht. Ich denke, es wird dir gelingen, ein sozialdemokratischer Präsident zu sein, ohne das Amt als parteipolitisches Ass im Ärmel vor oder nach der Bundestagswahl zu verwenden. Ich würde dir an dieser Stelle gern zur Wahl gratulieren, vor der Veröffentlichung des Ergebnisses widerspricht das allerdings jedem guten Stil. Über eine Antwort auf diesen Brief würde ich mich übrigens sehr freuen; bis zu deiner Vereidigung im März sind es noch ein paar Tage, und vielleicht findest du ja Zeit. So unter Sozialdemokraten geht das bestimmt auch als Bundespräsident, oder?

Beste Grüße

Gesine

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