China im Nordkorea-Konflikt: Ende des Abwartens?

, von  Gesine Weber

China im Nordkorea-Konflikt: Ende des Abwartens?
Chinas Präsident Xi Jinping: Ende der passiven Außenpolitik und Stärkung der chinesischen Rolle als Regionalmacht? Foto: Global Panorama / Flickr / CC BY SA 2.0-Lizenz

China hat die Sanktionen gegen Nordkorea im UN-Sicherheitsrat mitgetragen, hält sich aber darüber hinaus zurück. US-Präsident Trump hofft auf Hilfe der Volksrepublik angesichts der Kriegsdrohungen aus Nordkorea - doch die wird er aus dem Reich der Mitte nicht zum Nulltarif erhalten.

Bis China auf dem internationalen Parkett in Erscheinung tritt und aktiv Stellung zu einer aktuellen Krisensituation bezieht, muss viel passieren: Passivität und Zurückhaltung sind zentrale Elemente der chinesischen Außenpolitik. Die Volksrepublik verbittet sich die Einmischung von außen in ihre Angelegenheiten und solle sich deshalb, so die Grundidee, selbst international zurückhalten, sofern ihr nicht durch ihre Inaktivität gravierende Nachteile entstehen. Dieses Denken spiegelt sich oftmals im chinesischen Verhalten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, wo die Volksrepublik als Ständiges Mitglied über ein Vetorecht verfügt und dieses auch konsequent einsetzt, sofern die Zustimmung für eine Resolution nicht einen direkten Gewinn für die eigenen politischen Ziele bedeutet. Während die Unterstützung von Russland als wichtigem Partner ein solches Ziel sein kann, ist das chinesische Interesse an Multilateralismus als Instrument zur Lösung globaler Probleme und Krisen im Rahmen des Sicherheitsrates eher gering - so etwa erklärt sich dasBlockadeverhalten der Volksrepublik bei Resolutionen im Syrien-Konflikt.

Dieses Paradigma hat die Volksrepublik angesichts der jüngsten Provokationen zwischen den USA und Nordkorea zumindest in Teilen aufgegeben: Vor gut einer Woche hat China im VN-Sicherheitsrat dem US-amerikanischen Resolutionsentwurf zur Verschärfung der Sanktionen gegenüber Nordkorea als Reaktion auf dessen erneute Raketentests zugestimmt. Darüber hinaus hat der chinesische Präsident Xi Jinping die USA und Nordkorea zur Zurückhaltung und einer politischen Lösung des Konflikts aufgerufen. Für eben diese sieht US-Präsident Trump aber China als unverzichtbar an. Dass China kein Interesse an einer Eskalation des Konflikts in seiner direkten Nachbarschaft hat, bedeutet jedoch nicht im Umkehrschluss, dass es automatisch den Schulterschluss mit den USA üben wird - oder zumindest nicht, ohne damit der Verfolgung seiner eigenen Interessen gleichzeitig nachzukommen.

China: ein schwieriger, aber wichtiger Kooperationspartner

Zunächst einmal befindet sich die Volksrepublik derzeit zwar in der direkten Nachbarschaft des Konflikts und hat daher zumindest an dessen Entschärfung ein gewisses Interesse; dass jedoch eine dauerhafte Konfliktlösung nicht zu den oberen Prioritäten der chinesischen Außenpolitik gehört, hat es über die vergangenen Jahre gezeigt. China verhielt sich in Fragen um Nordkorea bisher weitgehend passiv, da der bisherige Status Quo auf der koreanischen Halbinsel für China nicht die schlechteste Lösung war. Trotz der geopolitischen Spannungen gilt die Lage in Nordkorea auf Grund des totalitären Regimes King Jong Uns als stabil; dies erlaubt Peking einerseits ein gewisses Maß an Handel im Rahmen der Sanktionen, andererseits bedeutet diese Stabilität Grenzsicherheit - und damit keine nordkoreanischen Flüchtlinge in China, was die Regierung in Peking vermeiden will. International koordinierte Maßnahmen, die mehr als eine Mäßigung Nordkoreas erreichen, sind daher nicht primär im Interesse der Volksrepublik, zumal China das provokante Verhalten der USA als Grund für die atomare Bewaffnung Nordkoreas betrachtet und damit die Hauptverantwortung bei den USA sieht. Damit befindet sich China in einer komfortablen Verhandlungsposition gegenüber all denen, die auf der koreanischen Halbinsel einen essentiellen Politikwechsel herbeiführen wollen.

Die Auswahl an Partnern, die eine multilaterale Lösung des Konflikts ermöglichen, ist für den US-Präsidenten jedoch beschränkt: Nordkorea unterhält nahezu keine diplomatischen Beziehungen zu anderen Staaten, die möglicherweise Einfluss auf sein Verhalten nehmen könnten, und von VN-Sanktionen zeigte sich die Führung in Pjöngjang in der Vergangenheit unbeeindruckt, obwohl sie für das Land erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen bedeuten. Auch wenn sich China in der Vergangenheit langsam, aber etwa durch die Einstellung von Importen merklich von Nordkorea distanziert hat, begreift Nordkorea China noch immer als seine Schutzmacht - und damit ist Peking in der besonderen Situation, mit Nordkorea und den USA gleichzeitig den Dialog suchen zu können.

Die USA sehen sich damit einem schwierigen Verhandlungspartner gegenüber - ohne den eine Lösung des derzeitigen Konflikts jedoch sehr unwahrscheinlich ist. Auf Grund der sich zuspitzenden Kriegsrhetorik, aber auch auf Grund der Unberechenbarkeit von Kim Jong Un und Donald Trump ist nicht davon auszugehen, dass die beiden Staaten auf bilateraler Ebene eine Deeskalation des Konflikt erreichen, noch dass die USA nicht weiter auf die Provokationen aus Nordkorea eingehen. Aus diesem Grund baut US-Präsident Trump auf die Unterstützung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der sich derzeit für Kooperation offen zeigt. Laut übereinstimmenden Medienberichten sind die beiden Staatschefs in einem Telefonat übereingekommen, dass eine atomare Abrüstung der koreanischen Halbinsel im gemeinsamen Interesse der USA und China sei. Solche Einigungen sind zumindest ein kleiner Erfolg auf dem Weg zu einer diplomatischen Lösung des Konflikts.

Die Karten in Ostasien werden geopolitisch neu gemischt

China wird sich jedoch nicht aus Freundschaft zu den USA um eine diplomatische Lösung bemühen - sondern auch, um seine eigene geopolitische Position im ostasiatischen Raum aufzuwerten. In der Vergangenheit hat Peking deutlichsein Missfallen gegenüber den US-amerikanischen Manövern im Südchinesischen Meer geäußert, auf das China einen Vormachtsanspruch erhebt. Auch hier verhielt sich die Volksrepublik zurückhaltender, als sie hätte auftreten können; wenn sie nun jedoch als Regionalmacht für die Entschärfung der Situation auf der koreanischen Halbinsel gebraucht wird, stärkt das ihre Position in der Region und in der Folge möglicherweise auch ihre Ambitionen im Südchinesischen Meer. Das Ziel der atomaren Abrüstung der koreanischen Halbinsel spielt Peking ebenfalls in die Hände: China wird sich um eine entsprechende Regelung nämlich nur dann bemühen, wenn die gesamte koreanische Halbinsel atomwaffenfrei wird - und damit auch die Stationierung von US-Atomwaffen in Südkorea Geschichte ist. So würde China die einzige Regionalmacht, welche über Atomwaffen verfügt. US-Präsident Trump muss sich als darauf einstellen, dass China, sofern es als Mediator auftritt, gestärkt aus der Nordkorea-Krise hervorgehen wird. Langfristig könnte nicht mehr davon ausgegangen werden, dass China auf Grund seiner verbesserten Position und der regional geschwächten Position der USA wie bisher seine geopolitische Unterordnung im ostasiatischen Raum akzeptiert.

Die Volksrepublik China wird sich sicherlich nicht - und vor allem nicht ohne Gegenleistung - zum Vasallen der USA machen. Viel eher werden es die USA sein, die Zugeständnisse an China machen müssen, wenn sie an einer diplomatischen Lösung des aktuellen Konflikts interessiert sind. Letzteres gilt trotz allen nuklearen Säbelrasselns als wahrscheinlich, da ein US-Angriff auf Nordkorea nicht nur für das Land selbst, sondern auch für US-Verbündete wie Südkorea oder Japan, aber auch China verheerende Folge hätte und daher selbst als Ultima Ratio schwer vorstellbar ist. Die USA können in Folge des Nordkorea-Konflikts in der ostasiatischen Region geopolitisch nur verlieren - die spannende Frage ist, wie gestärkt China daraus hervorgehen wird.

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