Nach der Benennung eines neuen Botschafters

Das Verhältnis EU-China

, von  Rita Campus

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Das Verhältnis EU-China
Foto: European Union, 2023 / Dati Bendo / Copyright EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Botschafter der VR China bei der EU Fu Cong, 26. Januar 2023

Die bilateralen Beziehungen zwischen China und der Europäischen Union wurden sowohl von der Pandemie als auch von handelspolitischen Problemen auf eine harte Probe gestellt. Heute bekräftigen beide Parteien die Bedeutsamkeit ihres Verhältnisses auf globaler Ebene, aber neue Funde bezüglich der sogenannten Seltenen Erden in Schweden könnten das sino-europäische Gleichgewicht erneut stören.

Die Qualität der bilateralen Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und China (oder VR China) wurde in letzter Zeit häufig diskutiert - nicht nur von der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sondern auch vom neuen chinesischen Botschafter bei der EU, Fu Cong, wurde dieses Thema wiederholt aufgegriffen.

Am 22. Dezember 2022 gab Botschafter Fu einem Korrespondenten der South China Morning Post (SCMP) ein exklusives Interview, in welchem er betonte, dass die positive Entwicklung des Verhältnisses zwischen der EU und China sehr wichtig sei, weil dieses insbesondere in einer unruhigen Phase wie jener, die wir derzeit erleben, bestimmend dafür sein werde, in welche Richtung sich die Welt weiterentwickeln wird.

Spielraum für Kooperation?

Botschafter Fu nannte vier vorrangige Bereiche der Kooperation, welche er zu fördern beabsichtige, um die sino-europäischen Beziehungen zu verbessern:

  • Optimierung der Kontakte zwischen der EU und China auf allen Ebenen: Aufgrund der Pandemie wurden die Kontakte zwischen der VR China und der EU unterbrochen, aufgeschoben oder abgebrochen. Der Auftrag des Botschafters bestehe genau darin, diese Kontakte, und darunter vor allem jene persönlicher Natur, wieder aufzunehmen, um zumindest teilweise die virtuellen Verbindungen zu ersetzen, die sich während der Pandemie durchgesetzt haben. Insbesondere erwähnte Botschafter Fu den EU-China-Gipfel, den strategischen Dialog, den Wirtschafts- und Handelsdialog (HED), die digitale und umweltpolitische Kooperation sowie mehr als 70 Dialogmechanismen auf der Ebene der GD (Generaldirektion) der EU.
  • Förderung der praktischen Kooperation: Nach der Wiederaufnahme der verschiedenen Dialoge erachtete der Botschafter es für notwendig, die praktische sino-europäische Zusammenarbeit in diversen Bereichen (durch gemeinsame Maßnahmen und Projekte), vor allem auf technologischem, wirtschaftlichem und naturwissenschaftlichem Gebiet, zu erwähnen.
  • Stärkung der sino-europäischen Kooperation bei der Bewältigung globaler Fragen: Globale Herausforderungen wie der Klimawandel seien für China ebenso wie für die EU von äußerster Wichtigkeit. Aus diesem Grund sei es unerlässlich, die Zusammenarbeit und Koordination zwischen der Union und der VR China zu intensivieren.
  • Vertiefung der interpersonellen Kontakte: Der Tourismus und der kulturelle Austausch wurden stark von der Pandemie eingeschränkt und nun, da die Gefahr gebannt oder zumindest verringert scheint, sei es an der Zeit, diese Sektoren zu forcieren und die Kontakte so schnell wie möglich wieder aufzunehmen.

Chinas Rolle im Krieg Russlands gegen die Ukraine

Ein weiteres Thema von größter Bedeutung, das während des Interviews angesprochen wurde, ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der seit nunmehr einem Jahr Unruhe in der globalen Ordnung erzeugt. Der chinesische Botschafter kam mehrmals darauf zurück, dass ihm bewusst sei, dass die „Krise“ in der Ukraine die europäischen Politiker*innen und Diplomat*innen stark beschäftigt, und diese die chinesische Position bezüglich des Konflikts als ambivalent erachten. Jedoch betonte Fu Cong, dass die Position der VR China keine Ambivalenz aufweise, da für China sowohl Russland als auch die Ukraine gute Freunde seien, und man daher danach strebe, gute Beziehungen zu beiden Ländern aufrechtzuerhalten. Da China gleich der EU das Ziel verfolge, so bald wie möglich einen Waffenstillstand zu erreichen, sollte der Konflikt keinen Anlass zu Auseinandersetzungen zwischen der Union und der VR China geben.

Dem Sender CGTN (China Global Television Network) gab der Botschafter vor kurzem ein weiteres Interview. In diesem erklärte Fu Cong, dass „die Beziehung zwischen China und der Europäischen Union weiterhin sehr gut ist“ und befürwortete außerdem die Aussetzung der Handelssanktionen zwischen China und der EU, um die sich noch im Stillstand befindlichen Investitionspläne fortzuführen. Kurz nach seiner Ernennung zum Gesandten der VR China in Brüssel forderte Botschafter Fu ein Ende der gegenseitigen Sanktionen und empfahl der EU, dies ebenfalls zu tun. Davon, so argumentiert er, würde das sino-europäische Verhältnis profitieren. Darüber hinaus griff Fu Cong die Diskussion über den russisch-ukrainischen Konflikt wieder auf und bemerkte, dass „(die Union) die Haltung der VR China zum Konflikt versteht und respektiert und daher die Basis der sino-europäischen Beziehungen nur als gut angesehen werden kann“. Der chinesische Botschafter betonte, dass der Austausch zwischen ihm und seinen europäischen Gesprächspartner*innen für ihn eine Lernerfahrung sei, um den europäischen Standpunkt zum Konflikt zu verstehen, seine Aufgabe aber auch darin bestünde, die chinesische Denkweise zu erläutern und zu verfolgen.

Europas Abhängigkeit

Während des Weltwirtschaftsforums (WEF), das zwischen dem 16. und 20. Januar in Davos (in der Schweiz) stattfand, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass die EU gewillt sei, ihre Handelsabkommen mit China zu überdenken, und plane, ihre Abhängigkeit von dem asiatischen Land zu verringern. Eine Abkopplung von der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt jedoch werde nicht beabsichtigt. Von der Leyen räumte zudem öffentlich ein, dass „die Union bei kritischen Mineralien, die eine Schlüsselrolle beim Übergang zur sauberen Energie spielen, zu 98 % von China abhängig ist“. Im europäischen Kontext wäre eine hypothetische Entkopplung zwischen der VR China und der EU aufgrund der Tatsache, dass China nach wie vor der primäre Handelspartner der Union ist, nicht nur unmöglich, sondern auch unwirtschaftlich. Laut Susan Ariel Aaronson, Professorin an der Elliott School of International Affairs der George Washington University, seien die VR China und die EU nicht nur aufeinander angewiesen, sondern „man hat auch mehr Einfluss, wenn man eine Beziehung zueinander hat. Daher ist es sinnvoller, Risiken in der Handelsbeziehung zu beseitigen, als diese komplett abzubrechen“.

Das Thema des ökologischen Wandels ist auf der europäischen Agenda von größter Bedeutung. Wie in einem am 19. Dezember 2022 veröffentlichten Bericht des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) des Europäischen Parlaments angeführt wird, machte der Beginn der Energie- und Digitalwende im Rahmen des European Green Deal die Beschaffung sogenannter Seltener Erden (Rare Earth Elements – REE) erforderlich, um die Zielvorgaben zu erreichen: eine 55-prozentige Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 und deren Nullstellung bis 2050.

Was sind Seltene Erden?

Seltene Erden sind nichts anderes als eine Gruppe chemischer Elemente, die bei zahlreichen Hightech-Anwendungen wie etwa elektronischen Geräten, Flüssigkristallanzeigen, Batterien und Magneten verwendet werden. Der Bezeichnung zum Trotz ergibt sich die Seltenheit dieser Komponenten nicht aus ihrem geringen Vorkommen, sondern aus der Komplexität des Abbau- und Verarbeitungsprozesses des reinen Minerals. Die EU kompensiert den Mangel an diesen Elementen durch Importe, und China, das circa 80 % der weltweiten Produktion Seltener Erden kontrolliert, ist das Land, von dem die EU beim Erwerb dieser Rohstoffe am stärksten abhängig ist.

Allerdings scheint die Situation vor kurzem einen Wendepunkt erreicht zu haben: Im Januar wurde in Schweden das größte Vorkommen an Seltenen Erden in Europa entdeckt. Diese Entdeckung gelang LKAB, einem staatlich kontrollierten schwedischen Bergbauunternehmen mit Sitz in Kiruna. Der Fund ist eine gute Nachricht, könnte jedoch die Beziehung zur VR China belasten, da die EU nun die Möglichkeit hat, neue Investitionen im Bergbausektor zu beschließen und über alle Voraussetzungen verfügt, die Abhängigkeit der EU von China in einem für die Weltwirtschaft strategischen Sektor zu verringern – so wie es sich die Präsidentin der Europäischen Kommission auf dem WEF erhoffte.

Selbstverständlich ist der Weg dorthin noch weit. Der erste zu bewältigende Schritt ist die Beantragung einer Konzession, mit deren Gewährung LKAB innerhalb des Jahres 2023 rechnet. Anschließend wird es erforderlich sein, die Rohstoffgewinnung auf nachhaltige und verantwortungsvolle Weise handzuhaben, um Umweltschäden so weit wie möglich zu vermeiden. Um all dies zu bewältigen, sind mindestens 10-15 Jahre notwendig, bevor mit der Förderung von Materialien begonnen werden kann. Trotz dieser Schwierigkeiten sollten die Worte der Kommissionspräsidentin von der Leyen in einer Rede zur Lage der EU im September 2022 nicht in Vergessenheit geraten. Sie erinnerte in dieser Rede daran, dass „ohne einen sicheren und nachhaltigen Zugang zu den erforderlichen Rohstoffen unser Ziel, der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, gefährdet ist“.

Es ist nun klar, dass die Beziehungen zwischen der VR China und der EU vor bedeutenden Veränderungen stehen, die auch auf globaler Ebene erhebliche Auswirkungen haben werden. Die Wichtigkeit, freundschaftliche Verbindungen aufrechtzuerhalten, und die Notwendigkeit, den Dialog über die als relevant erachteten Themen zwischen den Parteien so weit wie möglich zu vertiefen, sollten daher im Auge behalten werden. Trotz der positiven Vorzeichen, die sich aus den Worten von Botschafter Fu und Kommissionspräsidentin von der Leyen ergeben, darf nicht übersehen werden, dass die jüngsten Entwicklungen hinsichtlich der Seltenen Erden die Zukunft der sino-europäischen Beziehungen gefährden könnten.

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