Viele von uns haben berühmte dystopische Romane wie „1984“, „Brave New World“, „Fahrenheit 451“ und andere gelesen. Solche Bücher sind verlockend, weil sie uns dazu einladen, uns das Schlimmste vorzustellen, was der Menschheit widerfahren könnte. Ein gemeinsames Thema in diesen Büchern ist oft, dass diese weit in der Zukunft spielen - weit weg von unserer heutigen Gesellschaft, um keine Panik zu verbreiten. In der Tat diskutieren wir nur selten dystopische Szenarien in der nahen Zukunft und in der realen Welt.
Als wir den Vorschlag des European Citizen Action Service für einen Workshop zu diesem Thema sahen, beschloss die JEF Frankfurt, eine kurze Diskussion mit ihren Mitgliedern in einer lokalen Bar durchzuführen. Der Kern der Diskussion bestand darin, gemeinsam über die schlimmstmöglichen Ergebnisse der EU-Wahlen nachzudenken, was zu diesen Ergebnissen führen würde, ob einige dieser Dinge bereits geschehen und wie wir unseren Kurs ändern könnten. Die Antworten auf diese Fragen sind komplex und können je nach Region und Land sehr unterschiedlich ausfallen. Dennoch haben wir einige Punkte aus unserem Vortrag aufgeschrieben, die für diejenigen, die über die Europawahlen diskutieren, von Interesse sein könnten.
Was wäre das schlimmstmögliche Ergebnis bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2024?
Eine Reihe von Faktoren, vom Aufstieg der extremen Rechten bis hin zu einer zersplitterten politischen Landschaft, stellen eine erhebliche Gefahr für die europäische Demokratie dar. Die Aussicht, dass 20 bis 25 % der Abgeordneten rechtsextreme Ideologien unterstützen, gibt Anlass zu großer Sorge, die durch die mögliche Bildung einer Koalition von rechts bis rechtsextrem zwischen ID, EVP und EKR noch verstärkt wird. Ein solches Bündnis könnte in Verbindung mit einer niedrigen Wahlbeteiligung zu einer politischen Apathie in der Gesellschaft führen, die an die turbulente Geschichte der Weimarer Republik erinnert. Zu befürchten ist nicht nur eine politische Polarisierung, sondern ein grundlegender Wandel des Diskurses, bei dem rechtsextreme Ideologien in den politischen Mainstream eindringen.
Wie würde dieses schlimmstmögliche Ergebnis erreicht werden?
Um dieses Worst-Case-Szenario zu erreichen, müssten mehrere Dinge geschehen. Die Förderung der Unterstützung rechtsextremer Parteien, die Verringerung der Wahlbeteiligung und der Einsatz von Desinformationskampagnen sind bekannte Strategien. Micro-Targeting, insbesondere durch rechtsextreme Gruppierungen, zielt darauf ab, Spaltungen auszunutzen, indem die politische Lähmung und die bestehenden Unstimmigkeiten zwischen den nationalen Regierungen in Europa aufrechterhalten werden.
Tun wir bereits etwas, das diesen Dingen ähnelt?
Bestimmte alarmierende Trends sind im Moment definitiv zu beobachten. Das Fehlen eines wirksamen Marketings für die EU, die schlechte Kommunikation erfolgreicher Maßnahmen und die gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen den EU-Institutionen schwächen das Gesamtimage. Außerdem sind kritische Institutionen zu schwach, vor allem das Europäische Parlament. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen nationalen Politikern und EU-Institutionen schaden aktiv der Glaubwürdigkeit der EU. Das Hervorheben von Meinungsverschiedenheiten sowohl innerhalb als auch zwischen den Institutionen schafft ein toxisches Umfeld, das rechtsextremen Bestrebungen direkt in die Hände spielt. Und schließlich trägt das Versäumnis, auf die Sorgen der Bürger*innen einzugehen, zu einem Gefühl der Hilflosigkeit und Apathie bei. Die nicht eingehaltenen Versprechen in Bezug auf die biologische Vielfalt, den Klimaschutz und die transnationalen Wahllisten können hier als Beispiele genannt werden.
Was können wir tun, um diese Dinge zu stoppen?
Die einzige Möglichkeit, diesen Trends Einhalt zu gebieten, besteht darin, proaktiv zu handeln. Initiativen wie Demonstrationen, Streiks und verbesserte Kommunikation und Marketing für die EU sind ein Muss. Dazu gehören auch klare Aussagen gegen rechtsextreme Ideologien und konzertierte Anstrengungen zur Förderung der Wahlbeteiligung. Solche Kampagnen können nicht einfach mehr des existierenden Ansatzes sein, sondern müssen eine kreative Strategie verfolgen. Gehen wir in Bars, an Treffpunkte, in Parks und generell auf die Straße und diskutieren wir mit den Menschen über Europa. Mittelfristig sind die Stärkung der demokratischen Prozesse innerhalb der nationalen Parteien sowie die Reduzierung der Schuldzuweisungen innerhalb und zwischen den EU-Institutionen entscheidende Schritte zur Wiederherstellung des Vertrauens. Langfristig braucht es die Ermächtigung des Europäischen Parlaments, damit sich dieses wirklich mit den Anliegen der Bürger*innen befassen und Versprechen erfüllen kann. Vor allem pro-europäische und föderalistische Kräfte sollten über politische und nationale Grenzen hinweg gemeinsam handeln, um die demokratischen Prinzipien - die Grundlage des europäischen Projekts - zu schützen. Wir müssen begreifen, dass die bevorstehenden Wahlen nicht nur eine politische Übung oder ein Prozess sind; sie sind unsere Verantwortung und Chance, die Zukunft Europas zu gestalten.
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