Datenschutz: Europa erreicht den Wendepunkt

, von  Stefano Rossi, übersetzt von Christina Bettati

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Datenschutz: Europa erreicht den Wendepunkt

Im April hat das Europäische Parlament zwei wichtige Verordnungen zum Thema Datenschutz beschlossen. Einerseits die Datenschutz-Grundverordnung und andererseits die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von Passagierdaten, welche alle europäischen Fluggesellschaften verpflichtet, die Passagierdaten sowohl an alle europäische Staaten als auch an die europäische Polizeibehörde Europol weiterzugeben.

Die Datenschutz-Grundverordnung

Die Datenschutz-Grundverordnung ist Teil der EU-Datenschutzreform, die die Europäische Kommission dem Parlament schon im Januar 2012 vorgeschlagen hatte. Im Oktober 2015 ging es dann plötzlich schnell, als der Europäische Gerichtshof das sogenannte Safe-Harbor-Abkommen für ungültig erklärte. Die Entscheidung soll zu einer wesentlich beschränkteren Übermittlung europäischer personenbezogener Daten in die USA führen. In die gleiche Richtung hat auch das EU-Parlament gearbeitet: Durch die Vorschriften der kürzlich beschlossenen Datenschutz-Grundverordnung wird einerseits der Schutz personenbezogener Daten innerhalb der Europäischen Union sichergestellt, andererseits der freien Datenverkehr innerhalb des Europäischen Binnenmarktes gewährleistet.

Laut dem Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments Jan Philipp Albrecht (MEP der Grünen) schaffe das Gesetz erstmalig einen EU-Datenschutz auf höchstem Niveau und ersetze den ausgedienten Flickenteppich 28 unterschiedlicher Datenschutzregelungen in den Mitgliedstaaten. „Das ist ein großer Schritt für die Grundrechte, für den Verbraucherschutz und einen fairen Wettbewerb“, schreibt er in der Pressemitteilung auf seiner Webseite weiter. „Die neuen Datenschutzregeln machen die EU fit für das digitale Zeitalter“. Außerdem würden die neuen Regeln den Verbrauchern das Recht zurückgeben, selbst über ihre Daten entscheiden zu können, so Albrecht.

Die Richtlinie zur Fluggastendatenspeicherung

Gleichzeitig wurde eine EU-Richtlinie zur Speicherung von Fluggastdaten auf den Weg gebracht. Bereits im Jahr 2011 hatte die EU-Kommission eine Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung vorgeschlagen, die aber 2013 kurz vor dem Aus stand. Datenschutz-Verstöße und Mangel an Kontrolle waren nur einige der zahlreichen Probleme, welche der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte Sorgen bereiteten. Nach dem Terroranschlag in Brüssel am 22. März 2016 setzten die EU-Innenminister die Richtlinie erneut auf die Agenda.

Die nun beschlossene Richtlinie verpflichtet alle europäischen Fluggesellschaften, die Passagierdaten – unter anderen Essenspräferenzen sowie Kreditkartennummer, Mitreisende, Wohnort und E-Mailadresse - an alle EU-Staaten weiterzugeben, welche sie für fünf Jahre speichern dürfen. Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Aus dem Europäischen Parlament gab es auch Kritik an der Regelung. Mit der massenhaft Speicherung von Fluggastdaten würden einmal mehr „unbescholtene Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht“ gestellt, sagte der ALDE-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff (FDP).

Kommentar: Ein Beschluss auf Kosten der Bürger

von Stefano Rossi

Anstatt die Daten von Millionen von Fluggästen flächendeckend zu speichern, könnte sich die EU in ihren sicherheitspolitischen Maßnahmen auf die Daten potenzieller Gefährder konzentrieren. Die Mitgliedstaaten würden tatsächlich bereits über eine ausreichend große Menge an Daten über diese Personengruppe verfügen, wenn die nationalen Sicherheitssysteme Schnittstellen hätten. Doch dieser Austausch scheitert bislang am Beharren der Nationalstaaten auf ihrer Souveränität in Sicherheitsfragen.

Bei alledem ist es offensichtlich, dass grenzüberschreitende Verbrechen für nationale Sicherheitssysteme schwer zu verhindern bleiben werden. Noch wirksamer wäre daher die seit langem geforderte Aufstellung einer europäischen Behörde für die öffentliche Sicherheit, welche sich nur auf internationale Straftaten wie Terrorismus und organisierte Kriminalität konzentrieren könnte. Die Unfähigkeit der Mitgliedstaaten, dieses gesamteuropäische Instrument im Bereich Sicherheit einzurichten, müssen nun alle EU-Bürger bezahlen - mit einer Einschränkung der eigenen Privatsphäre.

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