Der Ministerrat: Sinnbild des Demokratiedefizits der EU?

Serie: Europäische Institutionen erklärt - Wie sie arbeiten, was sie bewegen können

, von  Simon Schmitz

Der Ministerrat: Sinnbild des Demokratiedefizits der EU?
Foto: © Der Rat der Europäischen Union 2013

Lange Zeit galt der Ministerrat als die Beispielinstitution in der anhaltenden Diskussion um das Demokratiedefizit der Europäischen Union. Ist dieses Argument bis heute tragbar? Wie wichtig ist der Ministerrat in den Entscheidungsfindungsprozessen und was sind seine Aufgaben?

Was machen die da eigentlich in Brüssel?

Die Aufgaben des Ministerrats sind sehr vielfältig. Er entscheidet zumeist gemeinsam mit dem Europaparlament über Gesetzesentwürfe der Kommission, koordiniert die Zusammenarbeit der Minister und die gemeinsame europäische Wirtschaft. Zudem erarbeitet er eine gemeinsame Position zu Sicherheits- und Außenpolitik der Union. Gerade in diesem Gebiet hat sich die länderübergreifende Kooperation in der Vergangenheit als eines der ambitioniertesten aber auch schwierigsten Kapitel der EU herausgestellt.

Eine weitere wichtige Aufgabe des Rats besteht darin, den jährlichen Haushalt der EU zusammen mit dem Europaparlament zu bestimmen. Im vergangenen Jahr war diese durch besonders zähe Verhandlungen gekennzeichnet. Die Minister schließen außerdem internationale Abkommen zwischen der EU und Drittstaaten ab. Auch im Bereich der Justiz läuft die Kooperation hauptsächlich über das Consilium. Es koordiniert die gemeinsame Arbeit der nationalen Gerichte und die Polizeikräfte der EU Mitglieder.

Mehr Macht für Griechenland

Welche Fachminister der 28 Mitgliedsländer sich gerade in Brüssel treffen, ist abhängig von den besprochenen Themen. Anders als im Europäischen Rat, in dem nur die Staatsoberhäupter sitzen, tagen im Ministerrat immer eine Vielzahl von Vertretern der Länder, der Europäischen Kommission und dem Council Secretariat.

Letzteres ist für den reibungslosen Übergang des halbjährig wechselnden Präsidentschaftsvorsitzes zuständig. Noch bis zum Jahresende hält Litauen die EU Ratspräsidentschaft und übergibt dieses Amt im Januar 2014 an Griechenland. Das Land hat dann die Aufgabe, die Sitzungen zu organisieren und als Vermittler zwischen Konfliktparteien hervorzutreten. Gleichzeitig kann es die Themenschwerpunkte der Agenda entscheidend mitbestimmen.

Fast alle Treffen des Rats sind mittlerweile öffentlich und werden im Stile von diplomatischen Konferenzen gehalten - ausgenommen die wichtigsten und kontroversen Themen. Zwar muss das Europaparlament die Zustimmung zu fast allen vorgeschlagenen Gesetzen erteilen, trotzdem bleibt der Rat sehr viel einflussreicher als das Parlament.

28 Interessen- eine gemeinsame Position?

Dass der Rat bei 28 verschiedenen- und zum Teil konträren nationalen Standpunkten überhaupt zu Entscheidungen kommt, ist nicht nur den Ministern zu verdanken. Die meisten Streitpunkte sind bereits vor deren Zusammenkunft aus dem Weg geräumt. Diese Arbeit übernehmen die Botschafter der einzelnen Länder im sogenannten Ausschuss der ständigen Vertreter (AStV), auch Coreper, nach der französischen Bezeichnung, genannt. In zwei Gremien werden die Einzelheiten der Vereinbarungen ausgehandelt. Nur in den wenigen Fällen einer Nicht-Einigung wird dann die Diskussion auf höchster Ebene im Ministerrat weiter geführt.

Der Rat bestimmt somit über den EU-Haushalt und muss jeglichen Gesetzesvorschlägen der Kommission zustimmen, bevor sie verabschiedet und implementiert werden können. Der Vertrag von Lissabon hat die Rechte des Europaparlamentes zwar entscheidend ausgebaut, Fakt bleibt aber: der Ministerrat besitzt mehr Entscheidungsmacht, obwohl er nur über die nationalen Parlamente und nicht direkt über die Bürger legitimiert ist. Damit trägt er eindeutig zum Demokratiedefizit der EU auch weiterhin bei.

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