Der Oktober ist überhaupt ein seltsamer Monat. Nach den Erfahrungen mit der Kälte im September geht man in einem warmen Mantel hinaus, um gleich in der Sonne zu schwitzen, die plötzlich am Horizont erschienen ist. Man weiß nicht, was in diesem Oktober vom Leben zu erwarten ist. Das Studienjahr beginnt, man geht zur Uni, lernt neue, mehr oder weniger freundliche Leute kennen. Vielleicht trifft man jemanden, mit dem man am Freitagabend auf ein Bier gehen kann. Aber man kann diesen Abend auch unter der Decke mit Netflix verbringen. Die Mehrheit wird jedoch zustimmen, dass man es durchhalten muss und dann nur bis zu Weihnachten. Was nun, wenn ich euch sage, dass der Oktober auch anders sein kann?
TRAURIGE GESICHTER AUF DEN POSTERN
Am 21. Oktober finden die Wahlen statt. Woher weiß ich das? In der Stadt gibt es viele Poster merkwürdiger Damen und Herren. Normalerweise würde ich denken, es sei die neue Kampagne von H&M, aber neben den traurigen Gesichtern sieht man keine Preise. Mal im Ernst: Am 21. Oktober finden die ersten Wahlen seit Oktober 2015 statt und zwar die Kommunalwahlen. Die Präsidenten- und Parlamentswahlen 2015 haben die starre politische Szene erschüttert. An die Macht ist die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gekommen. Sie baut das Land nach den eigenen Vorstellungen um, was einem doch und dem anderen nicht besonders gefällt. Die eingeführten Reformen waren so bedeutend und tiefgreifend, dass die Erklärung für eine oder andere Seite notwendig war. Aber wo waren wir – die junge Leute?
KLUGE UND SENSIBLE KÖPFE
Laut Dorota Wellmann, einer berühmten Journalistin, hat sich die Mehrheit von uns mit Netflix beschäftigt, Soja Latte geschlürft oder Bier am Zbawicielplatz getrunken, statt auf die Straße zu gehen, um die eigene Meinung preiszugeben. Jetzt sollte man sich nicht darüber empören, dass die politischen Parteien uns vergessen haben, deshalb interessiert uns nicht das ganze Drumherum. Alle Stimmen der Empörten gehören zu den Linksidealisten, die wohl auf den Straßen waren und protestiert haben. Und ich war auch dabei und habe protestiert. Na und? Für uns sollte es wichtig sein, die Leute zu erreichen, die der nächste Streit zwischen einer klugen Dame aus der Zeitung und einem klugen Herrn von Facebook um ihre soziale Sensibilität nicht interessiert.
BRITNEY ZUM PRÄSIDENTEN
Es gibt einen Unterschied zwischen dem kompletten Desinteresse an Politik und der Teilnahme an den Facebook-Events wie „Britney zum Präsidenten“. Stimmt, das ist lustig. Aber es bringt nichts! Ja, man kann der Politik den Rücken kehren, denn: „unsere Stimme ändert sowieso nichts“, „keine Partei vertritt meine Weltanschauung in 100%“, „alle sind eh gleich“. Ja, das alles stimmt! „INTERESSIERE DICH FÜR DIE POLITIK, BEVOR SIE SICH FÜR DICH INTERESSIERT“ Es stimmt aber auch, dass man sich für die Politik interessieren sollte, bevor sie sich für einen interessiert. Und das tut sie früher oder später. Nehmen wir das Thema Schwangerschaftsabbrüche. Ist die Mehrheit von uns 2015 nicht zuhause geblieben, weil sie geglaubt hat, dieses Thema betreffe sie nich? Oder eine alltäglichere Sache: haben wir einen Zusammenhang gesehen zwischen der Zuneigung der Regierung zu den Rechtsextremen und der Frage, ob sich unsere Bekannte mit einer anderen Hautfarbe auf der Heimreise mit dem Bus sicher fühlt? Werden wir weiterhin in den Urlaub nach Italien ohne Pass fahren können, wenn wir uns im Streit mit der EU befinden? Diese Themen betreffen uns doch, nicht wahr? Diese Liste könnte man ohne Ende weiterführen. Nichtsdestotrotz hat jede Regierung – entweder von links oder von rechts – einen großen Einfluss auf unser Leben.
UNSERE STIMME ZÄHLT
Die Frage, ob man wählen geht, betrifft keine abstrakten ideologischen Einteilungen. Es geht einfach um das Verständnis, dass die einzelne Stimme zählt. Dass der kurze Moment des Wählens am Sonntag von großem Belang ist. Geht also am 21.10. und 4.11. (zweiter Wahlgang) wählen. Macht aus diesem Oktober etwas mehr als nur einen Monat zum Durchhalten. Es sind die Kommunalwahlen – wir wählen Stadtrat, Gemeinderat, Bürgermeister der Städte oder Landgemeinden. Von ihnen wird es abhängen, ob die Parks schön und sauber sind, ob wir zur Schule mit der U-Bahn kommen oder im Sommer Bier am Flussufer trinken dürfen.
Lasst Polen links oder rechts sein. Lasst es vor allem unser Polen sein. Ohne unsere Teilnahme an der Demokratie geben wir sie an die Leute ab, die für uns entscheiden werden.
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