„Die Dinge regeln sich ohne staatliche Markteingriffe“

, von  Patrick Haase

„Die Dinge regeln sich ohne staatliche Markteingriffe“
Jan Heusmann betreibt einen Hof in Niedersachsen. Seit dem 1. April 2015 kann er durch das Ende der Milchquote so viel Milch ausliefern, wie er möchte. Foto: privat, zur Verfügung gestellt für treffpunkteuropa.de

Die EU-Milchquote ist gefallen. Das bedeutet, dass nun jeder Landwirt innerhalb der Europäischen Union unbegrenzt Milch produzieren kann. Das Ende der Quotenproduktion ist umstritten, denn vor allem Kleinbauern fürchten einen Preisverfall. Tatsächlich ist der Milchpreis in den vergangenen Wochen von 39 Cent auf 29 Cent pro Liter gesunken. Jan Heusmann, Milchbauer aus Niedersachsen, befürwortet im Interview mit treffpunkteuropa.de dagegen die Abschaffung der Milchquote.

Zur Person: Jan Heusmann (51) ist ausgebildeter Diplom-Agraringenieur und besitzt einen Hof im niedersächsischen Loxstedt. Sein Hof zählt mit 430 Milchkühen zu den größeren Milchviehbetrieben in Deutschland. Jan Heusmann ist Vorsitzender der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen e.V. Der Verein hat nach eigenen Angaben zum Ziel, die „Akzeptanz der niedersächsischen Milchwirtschaft und ihrer Produkte in der Gesellschaft“ zu fördern und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen e. V. gehören landwirtschaftliche Verbände, Gewerkschaften und Betriebe an.

treffpunkteuropa.de: Als die EU die Milchquote im Jahr 1984 einführte, wollte sie der jahrelangen Überschussproduktion – dem Nachkriegs-Verständnis, es solle nie wieder Hunger in Europa geben geschuldet – das Handwerk legen. Es waren im wahrsten Sinne des Wortes Milchseen entstanden. Ein gelungener Schachzug?

Jan Heusmann: Die Überschussproduktion war ausgelöst durch zu hoch festgelegte Garantiepreise. Einige Molkereien wurden dazu erzogen, nicht mehr für den Markt, sondern für das Interventionslager zu produzieren. Insofern war die Milchquote 1984 eine Notbremse der EU und in der Begrenzung der produzierten Menge in gewisser Weise erfolgreich. Das Versprechen, dass es mit ihrer Hilfe gelingen könnte, die Preise auf dem hohen Niveau zu stabilisieren, wurde jedoch nicht eingehalten. Die Garantiepreise wurden in der Folge nie erhöht, sondern Schritt für Schritt zurückgenommen, mit einer letzten sehr starken Rücknahme im Jahr 2007.

treffpunkteuropa.de: Ökonomen werfen der EU häufig Bürokratie und Regelungswahnsinn vor. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Milchviehhalter Romuald Schaber sieht jedoch in der Milchquote keine überflüssige Regulierung, sondern behauptet, sie habe ihren Wert schon zweimal bewiesen. Das erste Mal sei dies nach dem Abbau der Milchseen und Butterberge in den 1980er-Jahren der Fall gewesen und das zweite Mal in den ersten Monaten dieses Jahres, als sogenannte Superabgaben trotz Überlieferungen die Milchanlieferungen unter die Vorjahreslinie treiben konnten. Welcher Meinung würden sie sich anschließen?

Jan Heusmann: Ich halte die Quotenregelung für falsch. Sie hat lediglich den Milchviehhaltern geholfen, die aus der Produktion ausgestiegen sind, weil sie ihnen ein zusätzliches Einkommen ermöglichte. Dies waren keineswegs nur Landwirte, die sich zur Ruhe setzten, sondern durchaus auch Betriebsleiter, die statt der Milchviehhaltung nun andere Betriebszweige aufbauten. Die Betriebe, die in der Milchwirtschaft blieben, hat die Quote enorm viel Geld gekostet. Dr. Werner Rüther, der als Milchreferent des Niedersächsischen Bauernverbandes sein gesamtes Berufsleben hindurch mit unzähligen Fragestellungen zur Quote befasst war, hat auf dem Berliner Milchforum im März dieses Jahres die gesamten Kosten vorsichtig auf mindestens 15 Milliarden Euro für die deutschen Milcherzeuger geschätzt. Grundsätzlich wird Milch im steigenden Maße weltweit gebraucht und wenn sich der Preis am Markt bildet und die Molkereien in der Vermarktung gut aufgestellt sind, regeln sich die Dinge auch gut ohne staatliche Markteingriffe.

treffpunkteuropa.de: Sie haben auch in der im vergangenen Monat stattgefundenen Grünen Woche in Berlin ihre Meinung geäußert. Danach hielten sie es für wahrscheinlich, dass ein weiterer Preisverfall der Milch in den kommenden Monaten zu erwarten sei, jedoch eine baldige Erholung des Marktes eintreten werde. Wie hat sich der Markt ihrer Ansicht nach seit Ende der Milchquote entwickelt?

Jan Heusmann: Wir sind erst sechs Wochen ohne Quotenregelung und so ist es für eine Einschätzung noch reichlich früh. Zurzeit steigen die Milchmengen in einem für diese Jahreszeit normalen Rahmen und die gesamte Anlieferung liegt sogar geringfügig unter Vorjahresniveau. Weil jedoch vielfach das Szenario stark steigender Milchmengen prophezeit wurde, herrscht nach meiner Einschätzung im Augenblick Unsicherheit im Markt, was zu unbefriedigenden Milchpreisen führt. Die Lagerbestände insgesamt sind jedoch nicht sonderlich hoch, so dass sich die Situation auch schnell verändern kann. Außerdem führen die niedrigen Preise weltweit dazu, dass eher verhalten Milch angeliefert wird.

treffpunkteuropa.de: Viele Kleinbetriebe haben trotz allem Angst um ihre Existenz. Unter anderem deswegen beteiligten sich zahlreiche Milchviehhalter zum Auslaufen der Milchquote an Protestaktionen. Vor dem Bundestag wurde sogar ein Milchpulverberg errichtet. Was halten sie von der Idee einer Flexi-Quote in Krisenzeiten? Halten sie Instrumente für kurzfristige Verbote der Ausweitung der Produktion in Zeiten des Preisverfalls der Milch für notwendig?

Jan Heusmann: Ich glaube, dass eine Flexi-Quote schwer zu handhaben ist. Herr Weber vom Thünen Institut hat das ja auch im letzten Jahr in seinem Fachbeitrag für das Landwirtschaftsministerium dargestellt. Eine Marktsteuerung kommt in der Regel zu spät, weil man Marktkrisen nicht vorhersehen kann und es eine gewisse Zeit braucht bis die Maßnahmen wirken. Außerdem erfordert sie eine Abschottung der internationalen Märkte. Weiterhin ist solchen Systemen zu eigen, dass erfolgreiche Betriebe bezahlen müssen und weniger erfolgreiche Betriebe Mitnahmeeffekte generieren können. Eine Marktsteuerung in privater Hand halte ich zudem für sehr anfällig für Umgehungen der Regelung bis hin zur Korruption.

treffpunkteuropa.de: Was würden sie Kleinbauern zur Existenzsicherung raten?

Jan Heusmann: Kleinbauern sind oftmals etwas weniger anfällig für Marktkrisen, weil sie zwar einen höheren Anteil kalkulatorischer Kosten haben, die jedoch nicht liquiditätswirksam sind. Während der große Betrieb Pachten, Zinsen und Löhne auch in Krisenzeiten zahlen muss, wirtschaftet der kleinere Betrieb in der Regel mit höheren Eigentumsanteilen, was ihn etwas unanfälliger macht. Jeder muss für sich entscheiden, welchen Lebensstandard er haben will und ob er diesem aus seinem Betrieb heraus finanzieren kann. Allgemeine Ratschläge sind da eher fehl am Platze.

treffpunkteuropa.de: Trotz der vielen Sorgenträger ist es Tatsache, dass vor allem die Nachfrage nach Milch in Schwellenländern ständig steigt. Das Ausland schläft hier keineswegs. Neuseeland hat seine Produktion allein im letzten Jahr um 14,2 Prozent über dem Vorjahresniveau ausgebaut. Ist die Abschaffung der Quote ein sinnvolles Mittel, um Europa wettbewerbsfähiger in der Milchproduktion im internationalen Vergleich zu machen?

Jan Heusmann: Durch die Abschaffung der Milchquote werden die europäischen Milcherzeuger von künstlich erzeugten, unnötigen Kosten entlastet und dies trägt sicherlich zu einer Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit bei. Bei freien internationalen Märkten ist dies meiner Meinung nach ein wichtiger Teil der Wettbewerbsgerechtigkeit.

treffpunkteuropa.de: Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen für treffpunkteuropa.de stellte Patrick Haase.

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