Die EU-Taxonomie - Greenwashing auf EU-Ebene?

, von  Helen Geyer

Die EU-Taxonomie - Greenwashing auf EU-Ebene?
Atomkraftwerk am Rhein Foto: Pixabay / Markus Distelrath / Pixabay Lizenz

In der letzten Plenarwoche vor der Sommerpause billigten die Abgeordneten nach langen Diskussionen nun doch einen umstrittenen Gesetzentwurf: den “Climate Delegated Act” der EU-Taxonomie. Damit werden Atomenergie und Gas als nachhaltige Energiequellen eingestuft und in die Übersicht der EU-Taxonomie aufgenommen. Bedeutet das ein Ende der EU-Klimaziele?

Die EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie ist eine Übersicht, die alle ökologisch nachhaltigen Aktivitäten auflistet. Damit wird eine Orientierungshilfe für private und unternehmerische Investitionen gegeben, denn sie definiert den Begriff “nachhaltig” - eine Formulierung, die vorher noch keinen konkreten Rahmen hatte. Die Taxonomie trat am 12. Juli 2020 in Kraft. Darauf basierend kann die Kommission nun eine Liste mit ökologisch nachhaltigen Aktivitäten erstellen, die helfen, die zugehörigen Kriterien für die EU-Klimaziele erreichen. Die nun verabschiedete Gesetzeserweiterung tritt am 01. Januar 2023 in Kraft.

Dass die EU nun auch noch Gas und Atomkraft in die EU Taxonomie aufgenommen hat, sorgte für große Verwirrung und Unmut. Die Argumentation der Kommission war, dass - unter strikten Regeln - auch Gas und Atomkraft als nachhaltige Energiequellen dienen können. Sie sollen helfen, den Übergang von klassischen Energiequellen hin zu erneuerbarer Energie zu erleichtern.

Atomenergie - nachhaltige Alternative in Krisenzeiten?

Faktisch ist das für Atomenergie zumindest nicht falsch. Während der Produktion von Atomenergie werden keine CO2-Emissionen frei, weshalb Atomenergie aus diesem Blickwinkel als nachhaltig gelabelt werden kann. Allerdings beinhaltet die Taxonomie die Voraussetzung, “do no significant harm”. In diesem Aspekt kann die Atomkraft nicht so sehr punkten: “Auch wenn das Risiko gering ist”, bemerkt eine Expertengruppe, die Atomenergie für die Taxonomie analysierte, “müssen bei der Atomkraft die Endlagerung des Atommülls sowie die Verwendung von Ressourcen in Betracht gezogen werden. Bei einer sehr unwahrscheinlichen Atomkatastrophe kann dies gravierende Folgen für Menschen und Natur haben.” Alles in allem ist das Unfallrisiko jedoch gering, weshalb Atomkraft trotz alledem in die EU-Taxonomie aufgenommen wurde.

Trotzdem kann auch die Atomenergie nicht ganz sauber sein: Vor allem die osteuropäischen Mitgliedstaaten sind für die Produktion von Atomkraft vom russischen Nachbarn abhängig. Somit kann auch Atomkraft nur bedingt dazu helfen, sich von der weiterhin bestehenden Energieabhängigkeit von Russland zu lösen.

Empörung und Proteste in der EU

Die Entscheidung des EU-Parlaments, die neue EU-Taxonomie durchzuwinken, löste europaweit große Empörung aus. Unter dem Hashtag #notmytaxonomy warnten Klimaaktivist*innen, Influencer*innen und auch Privatpersonen vor den Auswirkungen, die diese Änderung mit sich bringen wird. Das Hauptargument: die Taxonomie verleitet dazu, dass Unternehmen und Privatpersonen sich weiterhin auf die konservativen, nun “grünen” Energiemethoden verlassen und keinen Anlass mehr sehen, in erneuerbare Energien zu investieren. Außerdem bietet es die Möglichkeit für viele, ihre Investitionen einfach so als “Grün” bzw. “Nachhaltig” zu markieren. So verliert die gesamte Taxonomie ihre Glaubwürdigkeit. Der Europäische Grüne Deal sei damit gescheitert, meinen viele. Es ist also ein schmaler Grat zwischen nachhaltigem Handeln und Greenwashing.

Wie geht’s weiter?

Noch bis Mitte Juli konnte der Rat oder mindestens 20 Mitgliedsstaaten der EU gegen die neue EU-Taxonomie stimmen. Diese Deadline ist jedoch ohne genug Widerspruch verstrichen, weshalb die Taxonomie mit ihren neuen Regeln ab 01. Januar 2023 in Kraft treten wird. Die Kommission selbst hatte bereits versprochen, dass Atomkraft und Gas nur als Übergangslösung mit sehr strengen Kontrollen dienen werden. Ob diese zwei Energiequellen schlussendlich dabei helfen werden, nachhaltige Investitionen langfristig zu fördern oder ob der Europäische Grüne Deal damit nun gescheitert ist, lässt sich erst in einigen Jahren beurteilen.

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