Die Opposition im Auge: Pegasus-Software verletzt europäische und demokratische Werte

, von  Leopold Herter

Die Opposition im Auge: Pegasus-Software verletzt europäische und demokratische Werte

Insgesamt vier EU-Staaten sollen die israelische Spionagesoftware Pegasus genutzt haben, um Oppositionelle zu beobachten. Nun arbeitet der Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments seit über einem Jahr an einer Aufklärung des Falls und lahmt an einem Befugnismangel. Untersucht wird nichts Geringeres als das Brechen demokratischer Grundwerte.

Was ist passiert?

Ein Jahr ist es her, als der Ausschuss des EU-Parlaments für die Aufklärung des Pegasus-Skandals ins Leben gerufen wurde. Insgesamt werden mit Spanien, Griechenland, Polen und Ungarn vier EU-Regierungen vorgeworfen die Software der israelischen NSO Group genutzt zu haben, um Journalist*innen, Aktivist*innen, oppositionelle Politiker*innen oder kritische Stimmen der Judikative zu überwachen. Alleinige Nutzer von Pegasus sind diese vier Staaten allerdings innerhalb Europas lange nicht. Wie der Untersuchungsausschuss aufdeckte, nutzen insgesamt 14 Staaten das zum Terrorschutz angedachte Programm. Darunter befinden sich Länder wie Estland oder die BeNeLux-Staaten. Auch Deutschland räumte ein Kunde der NSO Group zu sein. Die Bundesrepublik gilt zudem als Exporteur der Trojaner-Software FinSpy, auch FinFisher genannt, welche europäische Staaten wie Italien, Tschechien oder Bosnien-Herzegowina nutzen sollen. Man sieht: Der Kauf und Verkauf, das Nutzen und das Entwickeln einer Spionage-Software ist kein Einzelfall. Äußerst kritisch wird es allerdings, wenn Regierungen ihre Macht missbrauchen, um unliebsame Stimmen zu Kontrollieren. Nicht selten wird in Debatten um Chatkontrollen auf die Rechtstaatlichkeit und auf Bürgerrechte verwiesen. Ein Programm wie Pegasus ist allerdings zu weitaus mehr in der Lage, als verschlüsselte Nachrichten in Chats zu enttarnen. Illegal sollen über 20 Regierungen weltweit die Software genutzt haben. Eine visuelle Darstellung des Missbrauchs legt die Fraktion der Grünen/EFA hier da.

Die ewig alte Leier des Kompetenzmangels und der inneren Blockaden

Dass dem europäischen Parlament nicht alle Befugnisse zustehen, wie es sich ein Föderalist wünschen würde, ist keine Neuigkeit. Das fehlende Initiativrecht Gesetzesvorschläge einzubringen oder die Kommission zu ernennen sind bekannt und sorgen sowohl bei Beobachter*innen und Bürger*innen, als auch in den Sozialwissenschaften regelmäßig für Kopfschütteln. Auch dem Untersuchungsausschuss sind die Hände teilweise massiv gebunden. Beispielsweise können die Regierungen sich den Befragungen der Untersuchung entziehen, wie es beispielsweise die ungarische Justizministerin Judit Varga im Februar tat, als Mitglieder des Ausschusses nach Budapest reisten. Besonders pikant, war der öffentliche Umgang des Ausschuss-Vorsitzenden Jeroen Lenaers (Niederlande, EPP) mit der Justizministerin. Nachdem die Ministerin die Einladung der Delegation offensichtlich unbeantwortet ließ, erinnerte Lenaers sie auffällig freundlich per Tweet an eine Zusage. Die Antwort kam wie die erneute Aufforderung: online und ähnlich konfrontativ gestimmt. Scheinbar schien es seitens der ungarischen Regierung keinen Kontakt zum Ausschuss gegeben zu haben, was sichtlich für Unverständnis sorgte.

Auch die Abgeordnete Sophie in ´t Veld (Niederlande, Renew), die ebenfalls im Untersuchungsausschuss sitzt, sorgte im Herbst des vergangenen Jahres für Aufmerksamkeit, indem sie einen vorläufigen Abschlussbericht veröffentlichte. Dies kam nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für weitere Ausschussmitglieder plötzlich und unerwartet. Die Wahrheit scheint zu sein, dass der Ausschuss in sich tief gespalten ist. Mutmaßlich war der Vorstoß der Liberalen Kalkül, um der Öffentlichkeit einen vom Ausschuss unbearbeiteten Bericht präsentieren zu können. Laut Sophie in ´t Veld sei die Präsenz der beschuldigten Regierungen nämlich selbst in diesem spürbar. Ein Beispiel wäre Juan Ignacio Zoido Álvare (Spanien, EPP), welcher von 2016 bis 2018 spanischer Innenminister war. Dort wurden wohl neben Aktivist*innen, Journalist*innen oder sogar Physiker*innen über 40 Politiker*innen vom Staatstrojaner überwacht. Darunter bedeutende katalanische Politiker*innen nach dem Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2017.

Eine Aussicht auf Erfolg?

Der Ausschuss wird seine Arbeit wohl gegen Mitte des Kalenderjahres wohl final beenden und diese dem Europäischen Parlament vorstellen. Ob es allerdings zu einer Gesetzesänderung kommen wird, liegt nicht in der Hand des Parlamentes. Dem muss sich der Ministerrat annehmen. Inwiefern sich die Minister*innen bestimmter Mitgliedsstaaten kooperativ zeigen, wird sich dann offenbaren. Die Hauptforderungen des bisherigen Berichtes sind ein temporärer Aufschub von Importen und Exporten von Staatstrojanern und die Aufforderung an die Kommission beschlossenes Recht (wie die Privacy-Verordnungen) umzusetzen. Dafür muss der Ausschuss sich aber erst auf einen Bericht einigen können. Eine Niederlage der Antreiber wäre eine Niederlage der europäischen Demokratie und Bürgerrechte.

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