Die europäischen linken Kräfte erlitten in den EU-Staaten in den letzten Jahren teilweise herbe Wahlniederlagen. In Frankreich musste die sozialistische PS vor fast einem Jahr ein unterirdisches Wahlergebnis hinnehmen. Seitdem ist sie um einen Wiederaufbau bemüht, angeführt vom neuen Parteichef Olivier Fauve. Allerdings ist die PS nicht mehr die führende Partei der französischen Linken und es scheint nicht, als könne die Partei genügend Kräfte für die Europawahlen 2019 mobilisieren. Ausreichend Zulauf hätte eventuell die linksextreme Partei Jean-Luc Melonchons, La France Insumise, welche sich von den Wahlen erhofft, ihre Stellung als neue führende linke Oppositionskraft in Frankreich zu bestärken. Pläne, die von DiEM 25 und Hamons Génération.s gefährdet werden könnten...
Neapel, die Geburtsstätte einer transnationalen Bewegung?
Vor mehreren Monaten verkündeten Benoît Hamon, der ehemalige Kandidat der PS für die französichen Präsidentschaftswahlen und der ehemaliger griechischer Finanzminister, Yanis Varoufakis, ihr Bestreben, ihre Kräfte zu vereinen und eine gemeinsame europäsiche Bewegung in Hinblick auf die europäsichen Wahlen 2019 auf die Beine zu stellen. Am 10. März riefen sie gemeinsam zur Gründung transnationaler, paneuropäischer Wahllisten auf - ein Novum in der politischen Landschaft Europas. Hierfür führten sie Mitstreiter weiterer progressiver Bewegungen zusamen, wie beispielsweise die 2015 gegründete polnische Partei Razem (polnisch für „zusammen“). Ziel von Razem ist es, sich mit weiteren linken Bewegungen, die eine politische Alternative anbieten, zu verbünden, wie beispielsweise die Bewegungen The Alternative aus Dänemark oder Livre aus Portugal (2013 und 2015 gegründet). In Neapel wurden sie alle vom dortigen Bürgermeister und ehemaligen Europaabgeordneten der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), Luigide Magistris, empfangen. Mittlerweile hat auch er eine Bewegung gegründet, nachdem er aus der europäischen Partei ausgetreten war.
Aus Neapel luden auch die Gründungsparteien von DiEM 25 alle progressiven, ökologischen und feministischen Bewegungen dazu ein, sich ihrer Bewegung anzuschließen, die sich als transnational und paneuropäisch versteht. Gemeinsam setzen sie sich das Ziel, ein Programm zu erarbeiten und ein Manifesto im Juni 2018 zu präsentieren, auf dessen Grundlage der anschließende Wahlkampf für 2019 geführt werden soll.
Obwohl das europäische Parlament das Prinzip der transnationalen europäischen Listen abgelehnt hatte, haben sich DiEM 25 und Génération.s zum Ziel gesetzt, dieser Entscheidung zu trotzen und ihr Programm und dessen Erarbeitung als transnationales Projekt auszulegen. Die politischen Parteien, die sich der Bewegung anschließen, unterstützen einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Komissionschefs und die gewählten Abgeordneten, die sich unter einem vereinigten Parteiformat präsentieren, bilden später im europäischen Parlament eine gemeinsame Fraktion. Ihr Wunsch wäre es sogar, im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten transnationale Kandidaten für die Wahllisten aufzustellen. Eine Spanierin oder ein Däne könnten somit für eine belgische Liste antreten.
Das Format einer Bewegungen reichte DiEM 25 nicht mehr aus
Bei seiner Gründung im Februar 2016 in Berlin präsentierte sich DiEM 25 noch in erster Linie als eine Bewegung anstatt einer Partei. Damals wurden noch keine Bestrebungen verkündet an Wahlen teilnehmen zu wollen, sondern lediglich bestehende politische Parteien zu unterstützen, deren Ideen mit denjenigen von DiEM 25 übereinstimmten. Doch die Ziele sind mittlerweile mutiger gesteckt. DiEM 25 rechtfertigt seine Strategieänderung, nun doch eine Partei zu gründen mit der Notwendigkeit „noch rechtzeitig zu handeln, bevor das europäische Projekt zerfällt“. Der paneuropäische Weckruf zielt also darauf ab, zahlreiche nationale Parteien innerhalb der Bewegung zu vereinen, um einen gemeinsamen Parteiflügel für ein transnationale Projekt zu gründen.
Hamon und Varoufakis ist bewusst,dass die von DiEM 25 organisierten Diskussionsrunden, Konferenzen und Aktionen, sowie die rezente Gründung von Génération.s in Frankreich noch nicht ausreichen, um in einem Jahr europäische Abgeordnete unter ihrem Namen ins Parlament zu wählen. So hoffen sie, dass sie zahlreiche verschiedene Bewegungen aus dem linken Spektrum in der ganzen EU zusammenführen können. Ihre Nachricht, die aktuelle Austäritätspolitik, dirigiert von Merkel, Macron und Juncker, zu beenden, ist eindrücklich und sicherlich für weitere politische Parteien interessant. DiEM und Génération.s bekräftigten, dass aktuelle Krisen wie der Klimawandel, die Flüchtlingssituation und die Arbeitslosigkeit nicht auf nationaler sondern nur auf europäischer Ebene gelöst werden können Die Gründer von DiEM 25 und Génération.s hoben zwei Kernziele für die Agenda ihrer Bewegunge hervor: zum einen wollen sie die Wahlergebnisse der Europawahlen mitbeeinflussen und die EU-Politik ab 2019 aktiv mitgestalten. Zum anderen streben sie für 2025 an, eine europäische Verfassung umzusetzen.
Die europäische Linke: vereint oder gespalten?
Es ist noch unklar, ob dieser Appel seitens DiEM und Génération.s die europäischen linken Kräfte (sowohl progressiv als auch ökologisch) vereinen kann. Im Gegenteil, ihr Projekt sieht sich besonders durch die komplexe Auffächerung des linken politischen Flügels vor Herausforderungen gestellt. Schon allein in Frankreich existieren im linken politischen Spektrum zahlreiche Parteien: Von Génération.s und DiEM abgesehen wären bereits drei Parteien zu nennen: Melonchons La France Insoumise, die von Olivier Fauvre geführte PS oder die proeuropäischen grünen EELV (Europe Écologie Les Verts). Die französische kommunistische Partei PC könnte der neuen transnationalen Bewegung eventuell beitreten – die Verhandlungen sind momentan im Gange. In Spanien kooperieren zwar mehrere linke Parteien mit der neuen Bewegung, ohne sich ihr jedoch verbindlich anzuschließen. Die Divergenzen könnten die Gemeinsamkeiten überlagern. Überraschend ist nicht nur die Abwesenheit der spanischen Podemos-Partei in Neaopel sondern auch, dass sich DiEM 25 mehr der Izquierda Anticapitalista (deutsch = links antikapitalistisch) zuwendet als der Partei von Pablo Inglesias. Es könnte an der aktuellen Spaltung bezüglich der Katalonien-Frage innerhalb der Podemos-Partei liegen, dass letztere noch nicht Stellung zur neuen europäischen Bewegung bezogen hat. So stehen bezüglich Spanien noch Fragen offen.
Auf der anderen Seite des Mittelmeers, in Griechenland, ist es nicht Aléxis Tsipras’ Partei Syrizza, die mit DiEM 25 zusammenarbeiten wird, sondern, die von Yanis Varoufakis am 26 März gegründete MeRA 25-Partei. Diese neue politische Gruppierung ist „integrativer Bestandteil der paneuropäischen Bewegung DiEM 25“ und somit die griechische Ablegerpartei, die die Bewegung in Griechenland für die Europawahlen repräsentieren wird.,wenngleich Varoufakis mit den griechischen Kommunalwahlen im Herbst 2019 bereits ein weiteres Ziel vor Augen hat. Jedoch stellt sich auch hier die Frage, ob die Gründung einer neuen Partei in der bereits sehr aufgefächerten politischen Landschaft die linke Wählerschaft noch weiter auseinandertreibt. Zudem ist Varoufakis’ Popularität in Griechenland ungewiss. Es bleibt noch offen, ob die Griechen ihrem ehemaligen Fnianzminister, während dessen kurzer Amtszeit im Sommer 2015 ein Austritt aus der Euro-Zone zur Option stand, Vertrauen schenken werden.
Bezüglich des Gründers von Génération.s, Benoît Hamon stellt sich dich Frage, ob er (in Hinblick auf die schwachen Wahlergebnisse für die Präsidentschaftswahlen in Frankreich im letzten Jahr) es schaffen wird, die notwendige Zustimmung aus der französischen Linken für die Europawahlen 2019 zu erlangen. Sind die linken Parteien in der Lage sich zu der Frage eines gemeinsamen Programms und einer/s gemeinsamen Kandidatin/en zu einigen? Die neue linke Bewegung in Europa sieht sich vor einer großen Herausforderung. Ihr bleibt knapp ein Jahr um ein Maximum an Parteien von Estland bis Portugal, von Finnland bis Malta von ihrem „European new Deal“ für die Wahlen 2019 zu überzeugen. Diesem neuen europäischen Deal fehlt es bis dato noch an inhaltlicher Konkretion und so stehen noch so manche Fragen offen: Mit welchen Maßnahmen wollen DiEM und Génération.s „die Europ-Zona stabilisieren“? Unterstützen sie die Idee des Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten? Wie wollen sie Europa demokratisieren?
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