Sehr geehrter Herr Andrzej Duda,
eigentlich bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich Ihnen diesen Brief schreiben soll. Aber unser Format „Brief an Europa“ sieht es nun einmal vor, dass ich mich direkt an Sie wende. Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes habe ich nicht vor. Weder habe ich ein Schmähgedicht vorbereitet, noch gehe ich davon aus, dass Sie das Temperament Ihres türkischen Amtskollegen Erdogan haben. Aber schließlich vergisst das Internet nichts und man weiß nie, ob einem das einmal geschriebene später auf die Füße fällt. Denn ob Kritik und Satire gegenüber Ihnen und der polnischen Regierung in Zukunft straffrei bleiben, hängt ganz von den Entscheidungen der nächsten Monate ab. Von Ihren Entscheidungen.
Als „anti-polnisch“ weist die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ gerne Kritik von sich. Polska jest jedna – es gibt nur ein Polen, lautet derzeit die Devise der Partei. Da ist es egal ob die Kritik vonseiten der Opposition, den Demonstranten in polnischen Städten, von der EU-Kommission oder aus den europäischen Partnerländern kommt. Sie selbst haben der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ angehört bis Mai 2015, als Sie zum Staatspräsidenten gewählt wurden. Ein Hüter der Verfassung wollten Sie sein.
Aber schon ein halbes Jahr nach Ihrer Wahl, nachdem Ihre ehemalige Partei auch die Parlamentswahlen gewann, mussten Sie sich anhören, dass Sie die Verfassung gebrochen hätten. Nicht von irgendjemandem, sondern von Ihrem Doktorvater an der Jagiellonen-Universität Krakau. Mit Bedauern stellte Prof. Zimmermann fest, dass ein „ausgezeichnet ausgebildeter Jurist“ wie Sie, in mindestens drei Fällen Gesetzesentwürfe, die von der Regierungspartei beschlossen wurden entgegen der Verfassung unterschrieben hätte.
Sie würden sich nach den politischen Strömungen richten und nicht nach dem Recht, so lautete damals der Vorwurf. Als „Kugelschreiber des Vorsitzenden“ wurden Sie gar von polnischen Bürgern bezeichnet. Die Vorstellung, Sie würden dem Parteivorsitzenden Jaroslaw Kaczynski nach dem Mund reden setzte sich in der Opposition durch, als Gesetze zuerst im Eilverfahren im Parlament beschlossen wurden um dann am selben Abend mit dem Taxi zu ihrer Residenz gebracht zu werden. Ihre Unterschrift haben Sie bei der Entmachtung des Verfassungsgerichts genauso wie im Falle des umstrittenen Mediengesetzes geleistet.
Vor einer Woche dann haben Sie uns überrascht. Zweimal haben Sie ein Veto ausgesprochen und damit Gesetze auf Eis gelegt, die der Exekutive eine weite Machtbefugnis über die Judikative erlaubt hätten. Manche Ihrer Kritiker reiben sich verwundert die Augen, haben die Hoffnung, dass Sie sich emanzipiert haben von der Parteiführung, die Sie damals ins Rennen für das Präsidentenamt schickte. In Ihrer Videoansprache an die polnischen Bürger bekräftigen Sie, wie wichtig es Ihnen ist, dass die Richter unabhängig sind und Ihre Entscheidungen nach formalen und ethischen Grundsätzen treffen. Wir sollten diese Worte auch über die Sommerpause nicht vergessen.
Nun lieben die meisten Polen die EU ebenso innig wie ihre persönliche Freiheit. Und viele werden Sie, den ehemaligen EU-Abgeordneten Andrzej Duda gerade deshalb gewählt haben, weil sie Ihnen zutrauen, Polens Platz in der europäischen Wertegemeinschaft und die persönliche Freiheit der Bürger zu garantieren.
Denn viele Polen, die sich um den Rechtsstaat in ihrem Land sorgen, konnten sich nur verhalten freuen, weil die beiden Gesetze zur Besetzung des Obersten Gerichts und des Nationalen Justizrates verändert und in zwei Monaten wieder zum Beschluss vorgelegt werden sollen. Und außerdem, weil ein drittes Veto ausblieb. Der Justizminister der jetzigen Regierung, Zbigniew Ziobro ist ein mächtiger Mann, der auch das Amt des Generalstaatsanwalts ausfüllt. Mit dem neuen Gesetz darf er darüber hinaus die Richter an den ordentlichen Gerichten entlassen und neue benennen.
Gegen dieses Gesetz hat die EU-Kommission gestern ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Geht die polnische Regierung nicht darauf ein, drohen Geldstrafen. Die EU als strafender Lehrmeister. Das ist ein Bild, dass niemand gerne sieht. Und wir können davon ausgehen, dass die Regierung Szydlo die Stimmungen im Land entsprechend versucht zu beeinflussen, dass sich die Wut gegen die Beeinflussung aus Brüssel – oder um auf traditionellen Ängsten aufzubauen: aus Berlin – und nicht gegen die eigene Regierung richtet.
Nun lieben die meisten Polen die EU ebenso innig wie ihre persönliche Freiheit. Und viele werden Sie, den ehemaligen EU-Abgeordneten Andrzej Duda gerade deshalb gewählt haben, weil sie Ihnen zutrauen, Polens Platz in der europäischen Wertegemeinschaft und die persönliche Freiheit der Bürger zu garantieren.
Die EU ist auch eine Rechtsgemeinschaft. Der Jurist Maximilian Steinbeis beschreibt, dass die Umbesetzung der Gerichte in Polen auch einen Einfluss auf die Rechtslage in anderen EU-Ländern hat. Sollte sich Parteichef Jaroslaw Kaczynski oder – um die Verbindungen noch deutlicher zu machen – sein Parteikollege Justizminister Zbigniew Ziobro durch die Berichterstattung eines Journalisten aus einem EU-Staat beleidigt fühlen, so wäre es unter der neuen Gesetzgebung leicht, ein polnisches Gericht zu finden, dessen Richter ein politisch gefälliges Urteil fällen. Die deutsche Richtervereinigung hat als Antwort darauf bereits überlegt, ob sie die Zusammenarbeit mit den polnischen Behörden aussetzen sollte, und Straftäter, die mit einem europäischen Haftbefehl gesucht werden, nicht mehr ausliefert.
Als Jurist wissen Sie das, Herr Duda. Und vermutlich verfallen Sie deshalb auch nicht in die Rhetorik Ihrer ehemaligen Parteigenossen, die hinter jeder Kritik ausländische Einmischung und „anti-polnische“ Agitation sehen. In einer Rechtsgemeinschaft wie der EU ist es beileibe nicht nur eine Angelegenheit der Polen, wie die Beziehungen zwischen Regierung und Justiz aussehen. Aus diesen Gründen wurde ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Spätestens nach der Sommerpause stehen für Sie also sehr grundsätzliche Entscheidungen an.
Z poważaniem
Arthur Molt
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