Seitdem die Migrationsströme nach Europa immer größer werden, ist das Schicksal der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afrika in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen. Diejenigen, die über das Mittelmeer von Afrika nach Europa wollen, quetschen sich zu Hunderten auf unsichere Boote, um auf das europäische Festland überzusetzen. Weit über 100 000 Menschen nahmen seit 2013 die Strapazen des Seeweges auf sich. Zwischen 2 000 und 3 000 von ihnen verunglückten und ertranken. Für die Flüchtlinge ist Europa das verheißene Land. Das Internet zeigt ihnen die Bilder der europäischen Großstädte, der wirtschaftlichen Prosperität und des Wohlstandes. Doch für viele endet die Reise noch bevor sie in die Nähe der berühmten europäischen Großstädte kommen. Immer mehr Flüchtlinge landen mehr oder weniger ungewollt auf dem Festland des geographischen Außenpostens der EU. Auf Malta.
Malta profitiert vom EU-Beitritt
Malta liegt etwa 150 Kilometer vor der Küste Süditaliens. Seit der Erweiterung im Jahr 2004 gehört der südeuropäische Inselstaat offiziell zur EU. Somit gilt auf Malta nicht nur die europäische Reisefreiheit durch das Schengen-Abkommen; auch der Euro ist seit 2008 das gesetzlich festgelegte Zahlungsmittel. Im Gegensatz zu Zypern kam Malta beim Ausbruch der Finanz- und Eurokrise glimpflich davon. Grund dafür war unter anderem die geringe Verflechtung des maltesischen Bankensektors im internationalen Interbankenhandel. Während Europas Peripheriestaaten nach wie vor mit der Krise ringen, können sich die Wirtschaftsdaten Maltas sehen lassen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei moderaten 6,5 Prozent und das Bruttoinlandsprodukt steigt im europäischen Vergleich solide an. Die bisherigen Zukunftsprognosen fallen positiv aus. Die wirtschaftliche Stabilität ist dabei stark von einem fluiden Außenhandel abhängig. Somit profitiert die heimische Wirtschaft vom verstärkten Handel mit den europäischen Mitgliedstaaten.
Kein europäischer Musterknabe
Trotz der soliden Wirtschaftsdaten ist die wachsende Neuverschuldung Maltas der EU ein Dorn im Auge. So verletzt Malta mit einer Neuverschuldung von 3,3 Prozent die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Die Befürchtung steht im Raum, dass sich die erforderliche Sparpolitik negativ auf das Wachstum auswirken könnte, da die privaten Schulden der Malteser wenig Raum für ausufernden Konsum lassen. In Anbetracht der Wirtschafts- und Haushaltspolitik der südeuropäischen Mitgliedstaaten gilt die Entwicklung Maltas dennoch als Erfolgsgeschichte und als Beispiel für eine gelungene europäische Integration.
Linksverkehr im Mittelmeer
Dabei war die Zeit, in der die Bewohner Maltas den Ansprüchen und Weisungen anderer Staaten unterlagen, eigentlich vorbei. Vor genau 50 Jahren wurde Malta in die Unabhängigkeit entlassen. Davor war die Inselgruppe 164 Jahre lang eine britische Kolonie und später Mitglied des Commonwealth. Die Spuren dieser Kolonialherrschaft sind heute noch sichtbar. Auf Malta gilt der Linksverkehr, die noch existierenden Telefonhäuschen sind rot und Englisch bleibt eine der wichtigsten Sprachen auf der Insel. Die Unabhängigkeit Maltas wird heute als große Errungenschaft gefeiert. Die Mitgliedschaft in der EU gilt als folgerichtiger Schritt, um von Fördermitteln und Handelsfreiheit zu profitieren. Durch seine geographische Lage kriegt Malta allerdings im erhöhten Maße die Probleme der europäischen Flüchtlingspolitik zu spüren und steht mit dem Problem weitestgehend alleine da.
Malta ist mit der Flüchtlingsproblematik überfordert
Schätzungen zufolge haben im Jahr 2013 32 000 Flüchtlinge Lampedusa und Malta erreicht. Die institutionellen Herausforderungen strapazieren die Kontingente der Inseln. Sie sind mit der Flüchtlingsproblematik überfordert. Der maltesische Regierungschef sieht die Mitgliedstaaten in der Pflicht. Er fordert ein Umdenken in der europäischen Flüchtlingspolitik und eine gesteigerte Aufnahme der Flüchtlinge durch die großen EU-Staaten. Mit Verweis auf die aktuellen Opferzahlen prangert er an: „So wie die Dinge sich entwickeln, machen wir aus dem Mittelmeer gerade einen Friedhof.“ Doch beim Thema Asyl und Einwanderung drängelt sich in Europa niemand vor. Die Erfolge rechter Parteien in der Europawahl haben gezeigt: Die Diskurse über Flüchtlings- und Einwanderungspolitik sind grade in den reichsten Mitgliedstaaten der EU geprägt von Ängsten, Zweifeln und Ressentiments. Malta muss sich wohl noch gedulden, bis die Mitgliedstaaten der EU sich der Problematik im gerechten Maße annehmen.
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