Diese war vor allem durch den syrischen Bürgerkrieg und die daraus resultierenden hohen Zahlen an Geflüchteten nach Europa verursacht worden. Laut Angaben der Europäischen Kommission ist die irreguläre Migration seitdem deutlich zurückgegangen. Die Ausstellung legaler erster Aufenthaltstitel ist aber weiterhin auf hohem Niveau.
Die Auswirkungen der zunehmenden Migration auf die EU-Länder waren vielschichtig. So verschärfte sich die Haltung mancher migrationskritischer EU-Länder, wie zum Beispiel Polen oder Ungarn. Die Meinungsunterschiede zwischen EU-Mitgliedsstaaten zu dem Thema waren und bleiben stark, und schwer zu vereinigen. Die hohen Zahlen an Migrant*innen sorgten auch für Spannungen im Migrationsmanagement zwischen EU- und Nicht-EU-Ländern, durch die Geflüchtete oft reisen, um in die EU zu gelangen. Hier ist es wichtig zu beachten, dass nur ein kleiner Teil der Einwanderung auf Geflüchtete, also Menschen, die in der EU Asyl suchen, zurückzuführen ist.
Migration im Fokus europäischer Politik
In ihren politischen Leitlinien für die künftige Kommission schrieb Ursula von der Leyen als Kandidatin für das Präsident*innenamt: „Alles hängt zusammen.“ Die Kommission nahm sich in diesem Sinn übergreifende, ambitionierte Ziele vor, die die Migrationspolitik auf mehreren Ebenen beeinflussten.
Zu den Hauptaufgaben für die Legislaturperiode 2019-2024 gehörten:
- ein neuer Migrations- und Asylpakt;
- die Stärkung der EU-Außengrenzen;
- und vielseitige Kooperation mit Nicht-EU Drittstaaten.
- Mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine sah sich die EU außerdem mit der Aufnahme vieler ukrainischer Geflüchteter konfrontiert, eine neue Herausforderung in der EU-Migrationspolitik.
In jedem dieser Bereiche hat die EU-Kommission in den letzten fünf Jahren Veränderungen erarbeitet, jedoch konnten nicht alle Pläne umgesetzt werden. Einige Entscheidungen stießen auf Kritik sowohl von den EU-Mitgliedstaaten als auch von der Zivilbevölkerung und Nichtregierungsorganisationen. Im Folgenden wird auf die einzelnen Aktionsfelder eingegangen.
Der neue Migrations- und Asylpakt
Der neue Pakt zu Migration und Asyl wurde im September 2020 von der Kommission vorgeschlagen und im Dezember 2023 zwischen dem Rat und dem Parlament beschlossen. Hauptthemen des Pakts waren die Einführung von schnellen, effizienten Maßnahmen für den Umgang mit Geflüchteten an den EU-Außengrenzen und eine Reform der Dublin-Asylregelung. Das Dubliner Übereinkommen legt fest, dass der Mitgliedstaat, den der*die Asylsuchende zuerst betritt, allein verantwortlich für die Bearbeitung ist. Die Kommission sah diese Regelung als einschränkend ein, auch da sie seit Jahren kaum mit der Realität übereinstimmt: einige Länder Südeuropas lassen Migrant*innen oft unkontrolliert weiterreisen, oft nach Deutschland. Mit einer Veränderung der Dublin-Regeln soll eine bessere Verteilung von Geflüchteten zwischen den Mitgliedsstaaten erreicht werden. So sollen vor allem Mittelmeerstaaten wie Italien oder Griechenland entlastet werden, die aufgrund ihrer geographischen Lage einen Großteil der Geflüchteten empfangen.
Der Pakt beinhaltet fünf Kernelemente:
- Erstens, eine Screening-Regelung, um Nicht-EU-Bürger*innen bei ihrer Ankunft in der EU zu identifizieren. Bei Menschen ohne legaler Einreiseerlaubnis bedeutet das Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfungen, die Abnahme von biometrischen Daten und die Registrierung in der EURODAC-Datenbank.
- Die Erweiterung von EURODAC, einer EU-weiten Datenbank zur Erfassung irregulärer Migration, ist ein weiteres Element des Pakts. Neben Fingerabdrücken sollen hier nun auch Gesichtsbilder und Gesundheits-, Sicherheits- und Gefährdungsprüfungen gespeichert werden, und das für Kinder ab sechs Jahren.
- Drittens, eine Asylverfahrensverordnung, die Asylbearbeitung effizienter und schneller gestaltet. Das bedeutet, dass eine Entscheidung über einen Asylantrag bereits in einem Grenzverfahren in einem Lager an den EU-Außengrenzen erfolgen kann. In einigen Fällen sind diese Verfahren sogar verpflichtend durchzuführen. Erst nach positiver Entscheidung dürfen Schutzsuchende dann in die EU formal einreisen.
- Viertens soll es eine Krisenverordnung geben, um die EU auf besonders hohe Migrationszahlen vorzubereiten. In solch einem Krisenfall können die Grenzverfahren auf weitere Personengruppen erweitert und Asylsuchende an der Grenze sogar für 18 statt 12 Wochen festgehalten werden.
- Fünftens gibt es einen neuen Solidaritätsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten. Dieser soll die Verteilung von Flüchtlingen ausbalancieren, denn aktuell sind eine Handvoll EU-Länder noch für einen Großteil der Asylanträge verantwortlich. Insgesamt soll das Asylsystem europaweit modernisiert und verbessert, und die Belastungen auf verschiedene Mitgliedstaaten im Sinne der Dublin-Reform ausgeglichen werden.
#Brüssel | Die #SPD werde für den #EU-#Migrationspakt stimmen, so René @repasi, Vorsitzender @SPDEuropa. Trotz einiger Bedenken, werde man "diese Kröte [...] schlucken". @TheProgressives pic.twitter.com/PkmguwpgY4
— phoenix (@phoenix_de) April 10, 2024
Laut der Kommission wurden manche Aspekte des Pakts schon vor dessen Verabschiedung im Dezember umgesetzt. Im Juni 2022 traten 23 EU-Mitgliedstaaten einem freiwilligen Solidaritätsmechanismus bei und versprachen, Asylsuchende aus überlasteten Staaten umzusiedeln sowie finanzielle Beiträge für die Aufnahmeländer zu leisten. Die Umsiedlungen sind noch nicht abgeschlossen, bis jetzt wurden über 1000 Asylsuchende aus Zypern, Griechenland, Italien, Malta und Spanien umgesiedelt. Der neue Pakt macht Solidaritätsmaßnahmen nun verpflichtend, obwohl Staaten weiterhin entscheiden können, ob sie sich an der Aufnahme selbst beteiligen oder stattdessen das aufnehmende Land finanziell unterstützen.
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Seit März 2022 gibt es auch eine EU-Rückkehrkoordinatorin. Ihre Aufgabe ist es, ein gemeinsames System für die Rückkehr von Geflüchteten in ihr Heimatland zu entwickeln und die Koordination von Aktionen zwischen der EU und individuellen Mitgliedsstaaten zu verbessern. Denn momentan sind nur etwa 16% der Rückführungen erfolgreich - eine Herausforderung für alle Mitgliedstaaten, die Menschen nur ausweisen können, wenn ihre Heimatländer sie auch zurücknehmen.
Auch die Regeln zur Rückführung von Migrant*innen sollen als Teil des neuen Migrationspakets überarbeitet werden. Die Pläne sollen das bestehende Grenzverfahren vereinfachen und schnellere Entscheidungen für Asylanträge vorsehen. Eine Entscheidung im Rahmen des vereinfachten Verfahrens soll laut des Plans innerhalb von zwölf Wochen getroffen werden. Für unbegleitete minderjährige Personen, Kinder unter zwölf Jahren ohne Familie und Personen mit medizinischen Bedingungen gilt das vereinfachte Verfahren jedoch nicht. Eine solche Rückführungsrichtlinie würde bei idealer Umsetzung schnelleren Schutz für erfolgreiche Asylbewerber*innen bedeuten sowie eine schnellere Rückführung der nicht erfolgreichen. Das EU-Parlament forderte im April 2023 die Einrichtung unabhängiger Kontrollmechanismen, um zu gewährleisten, dass das neue Vorgehen nicht die Grundrechte verletzt.
Nach jahrelangen Verhandlungen konnte der Asyl- und Migrationspakt in der letzten Woche mit einer knappen Mehrheit im EU-Parlament verabschiedet werden. Die über 4-jährigen Verhandlungen sind nun erst einmal abgeschlossen, aber viel Beifall gab es nach der Abstimmung nicht. Laut dem EU-Abgeordneten Erik Marquardt der Grünen wird das neue System “mehr Bürokratie, einen Asylflickenteppich und mehr Leid erzeugen”. Für die EU-Kommission ist es trotzdem wohl ein Erfolg, die Verhandlungen doch noch vor den Wahlen abgeschlossen zu haben. Der neue Pakt muss aber erst noch seine Tauglichkeit in der Realität unter Beweis stellen.
Die Stärkung der EU-Außengrenzen
Ein weiterer Plan der Kommission war die Stärkung der EU-Außengrenzen, um die Sicherheit innerhalb der EU zu erhöhen. Zunächst startete die Kommission zwei Pilotprojekte mit Bulgarien und Rumänien im März 2023. Ziel dieser Sicherung sollte die Bekämpfung von illegaler Migration sein, darunter auch von Menschenschmugglern. Ein Projekt fokussierte sich auf die Grenzsicherung zwischen dem EU-Land Bulgarien und der Türkei und das andere Projekt fokussierte sich auf die Außengrenze zwischen Rumänien und den angrenzenden nicht-EU-Ländern Serbien, Ukraine und der Republik Moldau. Laut EU-Kommission gehörten zu der eingesetzten Infrastruktur bei den Projekten überarbeitete Grenzüberwachungssysteme, Transportmittel (wie zum Beispiel Wärmebildfahrzeuge), Kameras zur Bewegungserkennung und für Wärmebilder, und weitere. Andere Quellen erwähnen zudem Straßen und Wachtürme sowie Gelder für Grenzzäune.
Die EU-Kommission erklärte sich jedoch nicht bereit, Zäune oder Mauern direkt zu finanzieren. Die Projekte erzielten laut der Kommission „konkrete Ergebnisse“ und zählten für sie als Erfolg. Deshalb führte die Kommission Anfang März diesen Jahres Kooperationsrahmen mit beiden Ländern ein, die „den Übergang von Ad-hoc- zu dauerhaften Lösungen [ermöglichen]“.Diese Rahmen sollen die beiden Länder vor allem dabei unterstützen, geplante Maßnahmen umzusetzen, sowie die Umsetzung des neuen Migrations-und Asylpakts durch nationale Pläne vorzubereiten.
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Zu der Stärkung der EU-Außengrenzen gehörten auch Pläne für die Ausbauung von Frontex, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache. Ursprünglich diente Frontex der Koordination von gemeinsamen Operationen der Grenzschutzbehörden von Mitgliedsstaaten. Durch die neue Frontex-Verordnung, die Dezember 2019 in Kraft trat, wurden das Frontex-Mandat sowie die technische Ausrüstung und das Personal erweitert. Das Mandat beinhaltet nun eine stärkere Unterstützung der Mitgliedsländer, insbesondere bei der Grenzkontrolle, Rückführung oder Kooperation mit Drittländern. Frontex darf durch die Verordnung auch Operationen an den Außengrenzen und im Territorium von Drittländern durchführen, wenn dafür eine Erlaubnis erlangt wurde. Bezüglich der Personalerweiterung soll die Reserve schrittweise aufgebaut werden und bis 2027 10.000 Personen umfassen. In der Leitlinie von 2019 war eine „ständige Reserve von 10 000 Frontex-Grenzschutzbeamt*innen“ vorgesehen, die ab 2024 an den Außengrenzen eingesetzt werden sollte. Diese Zielmarke wurde klar verfehlt: Zu Beginn 2024 bestand das ständige Frontex-Team aus knapp 2500 Beamt*innen.
Der Ausbau der EU-Außengrenzen scheint angesicht der hohen Zahlen an irregulärer Migration eine Lösung zu sein, doch Kritiker*innen sehen dabei eine Entwicklung zur “Festung Europa”, obwohl sich die EU doch auf die Werte von Freiheit und Gleichheit beruft. Zudem beobachteten Nichtregierungsorganisationen in den vergangenen Jahren verstärkt den Einsatz von illegalen Pushbacks von staatlichen Sicherheitsbehörden und auch direkt von Frontex. Laut European Center for Constitutional and Human Rights sind Pushbacks “staatliche Maßnahmen, bei denen flüchtende und migrierende Menschen – meist unmittelbar nach Grenzübertritt – zurückgeschoben werden, ohne die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen oder deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen.” Pushbacks im Mittelmeer, aber auch an der EU-Außengrenze auf dem Balkan, wie etwa an der Grenze zu Kroatien, werden immer alltäglicher. Die Organisation 11.11.11 spricht von mehr als 300.000 Pushbacks allein im vergangenen Jahr.
1/ Europe’s border agency Frontex denies involvement in pushbacks but their own database shows the exact opposite. By analysing @Frontex data @LHReports can reveal how illegal push backs are registered and concealed pic.twitter.com/vS2Y6f1MKu
— Lighthouse Reports (@LHreports) April 27, 2022
Migrationsabkommen mit Drittstaaten
In ihrer Leitlinie schrieb die Kommission, dass für die Eindämmung illegaler Migration “eine stärkere Zusammenarbeit mit Drittländern [entscheidend sei], seien es Herkunftsländer oder Transitländer.” Diese Zusammenarbeit umfasste mehrere Arten. Zum einen arbeitet die EU verstärkt mit Drittländern an regulärer Migration, zum Beispiel durch die Vereinheitlichung der Einreise- und Aufenthaltsrechte verschiedener Arbeitnehmer*innen. Andererseits verlagert die EU zunehmend die Aufnahme von Geflüchteten sowie die Asylverfahren in Drittstaaten, um ihre Mitgliedstaaten zu entlasten. So soll Migration schon deutlich vor den EU-Grenzen reduziert werden, und Asylprüfungen wann möglich noch vor der Weiterreise in die EU durchgeführt werden. Für diesen Zweck traf die EU mehrere Migrationsabkommen mit Drittstaaten.
Schon die vorige Kommission hatte Abkommen mit der Türkei und Libyen verabschiedet, im vergangenen Jahr kamen Deals mit Tunesien, Mauretanien und Ägypten hinzu. Das Prinzip dieser Abkommen besteht darin, dass die EU Gelder an ein Drittland zahlt; im Gegenzug soll das Land gegen illegale Migration vorgehen und Geflüchtete in nicht-EU-Länder umleiten oder selbst aufnehmen. Beim Treffen des Abkommens mit Tunesien beschrieb die Kommission die Zahlung als Förderung der tunesischen Wirtschaft. Obwohl die Partnerschaft als Entwicklungsarbeit präsentiert wird, werden sie von Nichtregierungsorganisationen und mehreren Medienquellen dafür kritisiert, dass sie die Eindämmung von Flüchtlingen über die Einhaltung der Menschenrechte priorisierten und kein sicheres Umfeld schafften. Ein Bericht des UN-Menschenrechtsrat im Jahr 2021 nannte die Bedingungen in libyschen Migrationsauffangslagern sogar als potenzielle Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zu den Problemen bei den Deals gehört der Mangel an Schutzmechanismen und Menschenrechtsbestimmungen in den Einigungen, sowie der Mangel an humanitärer Unterstützung vor Ort. Die Notlage der Flüchtlinge in diesen Drittländern wird von Organisationen inklusive der Vereinten Nationen dokumentiert. Wie kann die EU also rechtfertigen, dass diese Migrationspolitik mit ihren Grundwerten von Menschenrechten, Freiheit, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit im Einklang steht?
Während Kommissionspräsidentin von der Leyen dieses Mal mit Kollegen aus Ö, Italien, Belgien & Griechenland dem Drittstaat ihre Aufwartung macht, wurde sie im Sommer 2023 vom italienischen und niederländschen Staatsoberhaupt nach Tunesien begleitet. https://t.co/ImVsud7iiY pic.twitter.com/UU5zKN8pcp
— Judith Kohlenberger (@J_Kohlenberger) March 17, 2024
Zudem haben viele der Länder, mit denen die EU Migrationsabkommen aushandeln will, kein Interesse an einer solchen Partnerschaft. Sie wollen einerseits gut gebildete Menschen im Land halten und nicht an den europäischen Markt verlieren. Auch die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten aus anderen Ländern, beispielsweise aus Subsahara-Afrika sei nicht in ihrem Interesse, wollten diese größtenteils nach Europa weiterreisen. Aufgrund von Differenzen kündigte Tunesien im vergangenen Jahr einen Deal mit der EU auf und zahlte 60 Millionen Euro an die EU zurück. Man wolle “nichts an[nehmen], was Gnaden oder Almosen ähnelt", hatte der autokratische Präsident Kais Saied mitgeteilt.
Der Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine
Zu der Komplexität dieser Vorhaben kommt hinzu, dass die Kommission im Jahr 2019 den russischen Angriff auf die Ukraine nicht vorhersehen konnte. Der Krieg in der Ukraine führte dazu, dass viele Menschen die Ukraine verlassen mussten. Laut UNO-Flüchtlingshilfe leben nun etwa 6 Millionen Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, in europäischen Staaten.
Um eine schnelle Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine zu ermöglichen, richtete die EU nach dem EU-Ratstreffen in Brüssel im März 2022 eine Massenzustrom-Richtlinie ein. Diese Richtlinie ermöglicht den ukrainischen Geflüchteten eine schnellere Aufnahme in die EU, sie erhalten für einige Jahre einen vorübergehenden Schutz ohne Einzelfallprüfung durch das Asylsystem, wenn sie einen biometrischen Reisepass vorlegen können. Zudem erhalten sie EU-weit bestimmte Rechte; neben dem Aufenthaltsrecht erlangen sie zum Beispiel den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Wohnraum, medizinische Versorgung, Sozialhilfe und Zugang zu Bildung für Kinder. Im September 2023 wurde die Dauer des Schutzmechanismus vom ursprünglichen Enddatum, dem 4. März 2024, bis zum selben Tag im Folgejahr verlängert. Der Einsatz einer Massenzustrom-Richtlinie erfolgte das erste Mal im Jahr 2001, als hohe Zahlen von Geflüchteten aus dem ehemaligen Jugoslawien in die EU kamen.
Einige EU-Mitgliedstaaten forderten eine Quotenregelung für die Verteilung von aus der Ukraine Geflüchteten auf die EU-Länder. Diese Forderung wurde von der EU-Kommission mit der Begründung abgelehnt, dass die Bewegungsfreiheit der ukrainischen Geflüchteten innerhalb der EU gewährleistet sein soll. Diese Entscheidung zeigte ein deutliche Beachtung der Menschenrechte und Bedürfnisse der ukrainischen Menschen und ein Interesse, sie so wenig wie möglich durch unfreiwillige Umsiedlungen zu belasten.
Doch während diese Entscheidung lobenswert ist, kritisieren manche NGOs, Mitglieder des Europäischen Parlaments und nationaler Regierungen die indirekte Diskriminierung gegenüber nicht-ukrainischen Geflüchteten, die sich seit 2022 bemerkbar macht. So schrieb der grüne Bundestagsabgeordnete Kassem Taher Saleh auf Twitter über die Reaktion Deutschlands zur EU-Migrationspolitik: “Die Zweiklassenpolitik und der dahinter versteckte Rassismus schadet Deutschland.”
Kritisiert wird vor allem, dass viele der nicht-ukrainischen Geflüchteten auch aus Kriegs- und Krisengebieten kommen, ihr Verfahren jedoch nicht vereinfacht wird. Das Thema ist schwierig und wirft viele Fragen auf. Hat die EU zum Beispiel eine größere Verantwortung gegenüber der Ukraine, da sie geographisch näher gelegen ist und der Konflikt die Sicherheitssituation innerhalb der EU direkt beeinflussen kann? Oder sollte die EU für alle Länder der Welt dieselbe Priorität und Aufnahmebereitschaft zeigen? UNHCR, die Geflüchtetenorganisation der Vereinten Nationen, veröffentlichte in ihrem Report zu globalen Trends, dass Ende 2022 70%der Geflüchteten weltweit von Nachbarländern aufgenommen werden. Welche Erwartungshaltung sollte der EU gegenüber also für die Aufnahme von nicht-europäischen Geflüchteten gezeigt werden?
Bewertung – Aber aus welcher Perspektive?
Insgesamt legte die von der Leyen-Kommission ihren Fokus auf Vereinheitlichung, Balancierung und Kooperation an allen Fronten. Dabei nannte sie auch starke Werte in der Leitlinie, wie etwa „menschenwürdige[ ] Bedingungen“ und die „moralische Pflicht„,“Geflüchteten, die Hand [zu] reichen“. Aus der Perspektive von Menschenrechts- und Geflüchtetenorganisationen, sowie von unterschiedlichen Politiker*innen verletzten die Veränderungen in der Migrationspolitik aber genau diese Werte. Wie kann man Fortschritt oder Erfolg in der EU-Migrationspolitik definieren? Aus welcher Perspektive sollte er definiert werden?
Diese Frage wird von verschiedenen Personen unterschiedliche Antworten erhalten. Man kann sich aber wahrscheinlich darauf einigen, dass von Not betroffene Geflüchtete und Migrant*innen selbst die Entwicklungen der Migrationspolitik als positiv bewerten sollten, da die Kommission dies in der Leitlinie immerhin als Ziel festhielt. So ein Fortschritt ist aber nicht eindeutig erkennbar geworden. Viele der Maßnahmen und Änderungen aus dem Zeitraum 2019-2024 sind dafür zu komplex und vielschichtig und müssen noch weiterentwickelt werden.
Insgesamt entsteht bei den Zielen der EU-Kommission in den letzten fünf Jahren und ihrer Umsetzung vor allem ein Eindruck von Dringlichkeit und Verschärfung. Vor allem die rechten Parteien instrumentalisieren das Thema Migration und lenken es regelmäßig in den Vordergrund, sowohl auf EU- als auch auf nationaler politischer Ebene. Bei den Projekten der Kommission bleibt zum Teil die Frage offen: Wem dienen diese Projekte wirklich? Den Betroffenen oder den EU-Bürger*innen? Erhöhen sie die Sicherheit von Schutzbedürftigen oder nur das Sicherheitsgefühl der Menschen innerhalb der EU?
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