Die Europa-Wahlen 2019 als politischer Gradmesser für Macron
Macrons Strategie im europäischen Wahlkampf ähnelt seiner Kampagne zu den Präsidentschaftswahlen im Frühjar 2017: er entscheidet sich für einen offensiven Kurs, welcher jedoch gewisse Risiken birgt. Der 40-Jährige reiht sich damit in die französische Tradition ambitionierter Europa-Pläne ein, welche besonders von De Gaulle, Giscard d’Estaing und Mitterrand verkörpert wurden. Dabei geht er noch einen Schritt weiter und nimmt im öffentlichen Diskurs die, bis dato unbesetzte, Rolle des Wegbereiters der Erneuerung Europas ein. Allerdings ist ihm bewusst, dass für die Erhaltung jener Rolle ein Wahlerfolg bei den Europawahlen notwendig ist.
Das Ergebnis des europäischen Urnengans im nächsten Jahr wird von entscheidender Bedeutung für den französischen Präsidenten sein, da mit ihm seine internationale Reputation auf dem Spiel steht. Zudem wird sich durch die Europawahlen 2019 weisen, ob Frankreich sich gegen den Populismus auf europäischer und transatlantischer Ebene behaupten kann oder von ihm selbst eingeholt wird. Macron kämpft zur Zeit an mehreren Fronten: er initiiert Bürgerversammlungen zur Zukunft Europas in den jeweiligen Mitgliedsstaaten, löst eine intensive Europadebatte im Straßburger Parlament aus, führt anspruchsvolle Verhandlungen mit Berlin und gilt als Träger eines seriösen aber nicht unangefochtenen EU-Programmes in Hinblick auf die Wahlen 2019.
Von noch größerer Bedeutung sind jedoch seine Reformpläne für die französische Wirtschaft. Um die Glaubwürdigkeit Frankreichs auf europäischer und globaler Ebene zu stärken wird er die Wirtschaft seines Landes wieder in Schwung bringen müssen. Dabei handelt es sich um eine komplexe Baustelle deren Vollendung Zeit brauchen wird. Die Resultate dieser Reformen werden darüber entscheiden, ob Macron die notwendige Glaubwürdigkeit gegenüber der französischen Bevölkerung aber auch seiner europäischen Partner wie Deutschland erlangt, um diese von seinen EU-Plänen zu überzeugen. Die aktuelle politische Stabilität in Frankreich, getragen von einer pro-europäischen Regierung in einer mehrheitlich pro-europäischen Bevölkerung kann nur erhalten und bestärkt werden, wenn gleichermaßen die wirtschaftliche Effizienz des Landes zurückerlangt wird.
Französische Interessen und der Wiederbelebung des europäischen Projektes gehen miteinander einher
Macron, der öffentlich den „Neo-Konservatismus“ verurteilt und die Rückkehr zum Politikstil à la De Gaulle und Mitterrand ankündigte, will Frankreich wieder ins Zentrum der internationalen Diplomatie rücken. Seit bald einem Jahr arbeitet der Staatschef an seinem ambitionierten Projekt der Neugestaltung der französischen Außenpolitik und setzt damit neue Akzente: in einer Zeit geprägt von zahlreichen komplexen Herausforderungen präsentiert sich Frankreich auf der internationalen Bühne als innovativer, unabhängiger und ausgewogener Akteur.
Ein souveränes Europa gilt als Voraussetzung um das Gewicht dieser neuen Außenpolitik noch zu vergrößern und um zentrale strategische Aspekte, wie beispielsweise Sicherheit und die Unabhängigkeit Europas auf internationaler Handlungsebene zu gewährleisten. Eine solche europäische Souveränität wurde von Macron ausdrücklich in seiner Rede im Straßburger Parlament angesprochen. Die bedeutungsvollen diplomatischen und militärischen Herausforderungen Frankreichs sind unmittelbar mit der europäischen Entwicklung verbunden. Eine Wiederbelebung der proeuropäischen Bewegung könnte für Macron auch strategisch wertvoll sein um Frankreich wieder zu einer stärkeren internationalen Rolle zu verhelfen.
Der französische Präsident verteidigt das Pariser Klimaabkommen und bemüht sich somit um Schadensbegrenzung in Hinblick auf das Fehlen der USA in der Umsetzung der Verträge. Zudem organisierte er den One Planet Summit in Paris im Dezember 2017, was die internationale Dynamik zugunsten eines Paradigmenwechsels im Klimaschutz aufrecht erhält. Dabei ließ er die zentrale Rolle Frankreichs und Europas im Kampf für den Klimaschutz nicht unbetont. Noch bleibt für Macron die Herausforderung bestehen, Frankreich zum Vorbild einer Energiewende zugunsten erneuerbarer Energien und eines geringen Kohleverbrauchs zu machen und damit in den EU-Ländern entsprechende Prozesse anzustoßen.
Zuletzt trieb Macron eine französische Mitbeteiligung im nahen Osten voran und gab so der Aktion Quai d’Orsay so Aufschwung. Frankreichs Beteiligung an den Militärschlägen in Syrien gemeinsam mit den Vereinigten Staaten und Großbritannien zeugt davon, dass der französische Präsident wenn nötig seinen Kurs anzupassen weiß und, wie im Mai 2017 angekündigt, gegebenenfalls Schritte wie eine solche Militäraktion wagt, wenn es die Situation erfordere. Macron ist bewusst, dass die internationale Glaubhaftigkeit Europas und Frankreichs davon abhängt, ob sie durch militärische Operationen Autorität erlangen können.
Nun ist es wichtig für Europa und Frankreich Friedliche Lösungen zu finden und konstruktive diplomatische Gespräche anzustoßen, wo doch Syrien bereits seit 7 Jahren in Gewalt, Verwüstung und Chaos versinkt. Europas Kapazitäten den Frieden in der Welt voranzutreiben bleiben nach wie vor begrenzt. Dennoch hat der alte Kontinent in seinen abgeschlossenen Missionen Effizienz bewiesen. Politischer und diplomatischer Erfolg werden nur dann erlangt, wenn sich die EU von ihrer Beobachterrolle im Syrienkonflikt zu einer Mitstreiterin für den Wiederaufbau Syriens entwickelt.
Es ist Zeit für eine Strategiedebatte auf Unionsebene
Um ein europäisches Projekt auf die Beine zu stellen, dass möglichst allen Erwartungen entspricht, muss Emmanuel Macron als französischer Staatschef den Spagat zwischen der Durchsetzung französischer Interessen und der Berücksichtigung der Anliegen der Mitgliedsstaaten bewältigen. Der Ausbau einer europäischen Verteidigungspolitik, an welche immer größere Erwartungen gestellt werden, verwirklicht sich nur dann, wenn EU-weit Gespräche über eine gemeinsame Strategie und Europas Rolle in der Welt von morgen angestoßen werden. Im Hinblick auf sich verschlechternde strategische Bedingungen und auf zahlreiche neue Bedrohungen wird sich Europa immer mehr der Notwendigkeit bewusst in den Sektoren Sicherheit und Verteidigung gemeinsam operieren zu müssen.
Daher bietet der aktuelle Zeitraum eine günstige Möglichkeit um gemeinsame Überlegungen anzustoßen und die jeweiligen EU-Staaten in Verantwortung zu ziehen um zu garantieren, dass Europa auf internationaler Ebene gemeinsam intervenieren kann. Gleichzeitig müssen mehr gemeinsame Ziele in Bezug auf Verteidigung und Sicherheit herausgearbeitet werden. Frankreich kann nur gewinnen, wenn es den Interessen der anderen europäischen Mitgliedsstaaten mit Neugier und Aufmerksamkeit schenkt. Sogleich ist wichtig, die Notwendigkeit einer stärkeren europäischen Verteidigungs- und Außenpolitik zu betonen. Zwar hat sich die europäische Union zu einem wichtigem diplomatischen Akteur entwickelt, doch ist sie nach wie vor unzureichend anerkannt und im Vergleich zur Außenpolitik der mächtigen Mitgliederstaaten, wie Deutschland oder Frankreich immer noch zweitrangig. Die EU muss sich die Mittel schaffen um als unabhängiger Akteur auf der internationalen Bühne aufzutreten, um bezüglich großer diplomatischer Fragen Stellung zu beziehen und um somit seine Einheit zu wahren. Es Bedarf einer echten Debatte über die Rolle, die die Union im Umgang mit Konflikten, als Vermittler und Friedensgarant in der Welt einnehmen soll. Im Kontext des Brexit stellt sich nun die bedeutungsvolle Rolle Frankreichs für Europa in Fragen Sicherheit und Diplomatie heraus. Emmanuel Macron wird aus dieser neue Rolle heraus nun die Weiterentwicklung der EU-Außenpolitik in Absprache mit seinen europäischen Partnern und Partnerinnen vorantreiben müssen.
Kommentare verfolgen: |