Erdogan, Merkel, Böhmermann und die Meinungsfreiheit

, von  Béatrice Chahine, Hervé Moritz, übersetzt von Stéphanie-Fabienne Lacombe

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Erdogan, Merkel, Böhmermann und die Meinungsfreiheit
Jan Böhmermann, deutscher Humorist, landet auf Druck von Recep Tayyip Erdoğan, dem sein Satiregedicht missfiel, vor Gesetz. © Jonas Rogowski / Wikimedia Commons/ CC BY-SA 3.0-Lizenz

Der deutsche Kabarettist Jan Böhmermann sorgt für eine europaweite Debatte über die Meinungsfreiheit. Der Komiker wurde von Recep Tayyip Erdoğan wegen Beleidigung angezeigt. Eine Satiresendung wird zur Staatsaffäre, deren geopolitische Konsequenzen nicht unerheblich sind.

Die Affäre Böhmermann

Während der Ausstrahlung des «Neo Magazin Royale» Ende März im ZDF las Jan Böhmermann den Zuschauern ein satirisches Schmähgedicht über Erdogan vor, gespickt mit sexuellen Anspielungen sowie harscher Kritik an seinem Umgang mit Minderheiten wie den Kurden und Christen in der Türkei. Zuvor hatte sich die Satiresendung „Extra 3“ in einem Clip über Erdogans Autoritarismus lustig gemacht. Dieses Video war der Ursprung einer diplomatischen Krise. Denn kurz nach der Austrahlung wurde der deutsche Botschafter in Ankara einbestellt, Präsident Erdogan äußerte seinen Unmut gegenüber der Bundeskanzlerin.

Die „Affäre" Böhmermann reicht noch weiter. Die Türkei bedient sich dabei einem wenig bekannten Instrument in der Außenpolitik und beruft sich auf ein deutsches Gesetz aus dem 19. Jahrhundert, das die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt. Angela Merkel hat unter Druck aus Ankara der Prüfungsprozedur des Paragrafen im Fall Böhmermann zugestimmt, was nun in der deutschen Presse als Zeichen der Schwäche auf der internationalen Bühne kritisiert wird. Allerdings hat die Bundesregierung erklärt, den Paragrafen der Hoheitsbeleidigung abschaffen zu wollen. Merkels Koalitionspartner SPD hatte gegen die Prüfung des Falles gestimmt, ist aber überzeugt, dass die Justiz Böhmermann im Namen der Presse- und Meinungsfreiheit freisprechen wird. Nun liegt der Fall in den Händen der Staatsanwaltschaft.

Warum gibt die Kanzlerin nach?

Dass Angela Merkel dem Druck Erdogans nachgibt, liegt auch daran, dass die EU in Form des Flüchtlingsabkommen von Ankara abhängig ist. Am 17. und 18. März zwischen Europäischem Rat und türkischer Regierung verhandelt, ermöglicht das Abkommen Griechenland, einen Teil der ankommenden Flüchtlinge in die Türkei abzuschieben. Im Gegenzug will die EU einen Teil von ihnen aus den türkischen Flüchtlingslagern aufnehmen. Sechs Milliarden Euro sollen der Türkei darüber hinaus überwiesen werden, um gegen Schlepper vorzugehen sowie um die Aufnahmebedingungen der Flüchtlinge zu verbessern.

Das Europäische Parlament sowie mehrere NGOs kritisierten die Vereinbarung scharf. Die Parlamentarier verschafften sich bei der Plenardebatte mit Kommissionspräsient Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk Gehör. Die beiden waren gekommen, um die Konsequenzen des Abkommens zu erläutern. „Er [Erdogan] hat die Schlüssel Europas bereits in der Hand und nun lassen wir auch noch zu, dass er jeden Aspekt unserer Kultur und Lebensweise kontrolliert“, prangerte Guy Verhofstadt (ALDE) am 13. März die Entscheidung Merkels an. Gianni Pittella (S&D) erinnerte daran, dass di türkische Regierung im Verdacht stehe, Oppositionnelle zu unterdrücken und die Presseorgane der Opposition zu zensieren. „Die Kommission und der Rat müssen die Menschenrechtsverachtungen in der Türkei genau beobachten“, erklärte er. In der Tat sind nicht wenige Journalisten und Akademiker in Haft, darunter der Armenier Hrant Dink, der auf mysteriöse Weise vor incinération verstarb. Die mainmise auf das oppositionnelle Magazin Zaman ist noch präsent, Polizeigewalt gegen Demonstranten ist verbreitet und die Regierung führt weiterhin Krieg gegen die kurdische Minderheit im Süd-Osten des Landes.

Laut eines Berichts von Amnesty International respektiert die Türkei die Genfer Flüchtlingskonvention nicht und lehnt syrische Flüchtlinge ab oder führt sie gleich nach Syrien zurück. Die Genfer Konvention wird demnach missachtet, obwohl diese Vorraussetzung für den Abschluss des EU-Türkei Abkommens ist.

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