Zypern: Eine Insel als Brücke zu Europa

EU-Pässe kann man kaufen

, von  Marie Menke

EU-Pässe kann man kaufen
Straße auf dem Weg nach Limsassol: Weil zahlreiche Investor*innen aus Russland in die Küstenstadt gezogen sind, bezeichnen Einwohner*innen sie scherzhaft als „Limassolgrad“.
Foto: Unsplash / Michael Voroshnin / Unsplash License

Die syrische Küste ist Zypern weitaus näher als die griechische: Geografisch zählt Zypern zwar zu Asien, liegt es doch weit östlicher als der Bosporus. Kulturell wird die Insel dennoch oftmals zu Europa gezählt, auch ist die Republik Zypern inzwischen EU-Mitglied. Eine Brücke zum europäischen Kontinent ist Zypern für einige jedoch nicht nur im geografischen Sinne: Nicht-EU-Bürger*innen, die auf der Mittelmeerinsel ausreichend investieren, winkt die zyprische Staatsbürgerschaft – und damit faktisch auch ein EU-Pass – als Belohnung.

An der Schnellstraße, die die Küstenstädte Paphos und Limassol miteinander verbindet, stehen hohe Plakatwände. „Easy access to 155 plus countries“, wirbt eine von ihnen für einen in Paphos ansässigen Immobilienentwickler. Auf einem vorbeifahrenden Bus ist der Slogan „Start in Cyprus. Enjoy Europe“ des Unternehmens Leptos Estates aufgedruckt. An die in Paphos durchaus auch omnipräsenten, meist europäischen Rentner*innen, die in Zypern ein Haus in der Sonne suchen, wenden sich die beworbenen Luxusimmobilien kaum. Stattdessen wird die in Zypern zu kaufende Immobilie zum Mittel zum Zweck auf dem Weg zum EU-Pass.

Zwei Millionen Euro kostet die zyprische Staatsbürgerschaft. Letztere ist nicht per se käuflich: Stattdessen nennt die Republik Zypern innerhalb ihres „Cyprus Investment Programmes“ eine Reihe von Kriterien, die Nicht-Bürger*innen erfüllen müssen, damit ihnen die zyprische Staatsbürgerschaft verliehen wird. Eines davon kann das Investieren von zwei Millionen Euro in zyprische Immobilien sein.

Der Staat erlaubt es, involvierte Immobilienentwickler*innen ermöglichen es. Sie präsentieren auf ihren Webseiten vorgefertigte Pakete, zu denen verschiedene Immobilien oberer Preisklassen zählen, deren Preise addiert die gewünschte Summe ergeben. Damit gehen sie nicht schüchtern um: Stattdessen werben sie offenkundig auf ihren Facebookseiten mit der Möglichkeit, mithilfe eines Investments auf Zypern die Türen zu Europa für den*die Kunden*in und seine*ihre Familie zu öffnen.

2996 Staatsbürgerschaften zwischen 2014 und 2017

Es sind generell eher zwielichtige Geschäfte, die Zypern berühmt gemacht haben. Die niedrigen Steuern auf der Insel lockten zuerst kaum ausländische Investor*innen an. Zu fragil war die politische Lage: Gewaltvolle Auseinandersetzungen zwischen den beiden größten Volksgruppen in den 1960ern und 1970ern, ein von der griechischen Junta unterstützter Coup und eine Invasion durch das türkische Militär im Jahr 1974 hinterließen die Insel zerrissen. Dann brach jedoch die Sowjetunion zusammen: Gewaltige Vermögen sollten aus ihr in Sicherheit gebracht werden und landeten auf Zypern. Dessen Finanzsektor wuchs rasant, bis er der zyprischen Volkswirtschaft schließlich zum Problem wurde und der Insel eine harte Finanzkrise bescherte. Geldwäsche, Korruption und Steuerhinterziehung sind seither Themen, die auf der Insel eher bekämpft als gefördert werden müsen.

Das sogenannte Cyprus Investment Programme ist ein vom Staat aufgebautes und durchaus legales System. Mehr als fünf Milliarden Euro soll die Republik inzwischen darüber eingenommen haben. Wenn jede*r Investor*in zwei Millionen Euro ins Land brachte, wären das 500 Investor*innen, die sich die zyprische Staatsbürgerschaft für sich und ihre Familienmitglieder gesichert haben. Addiert man letztere rechnet die englischsprachige Cyprus Mail mit 2 996 über das Programm erlangten Staatsbürgerschaften zwischen 2014 und 2017. Die Anwaltskanzlei, die mit 184 Bewerbungen dabei die meisten bearbeitet hat, ist PricewaterhouseCoopers. Mit 41 Bewerbungen mischt auch die Anwaltskanzlei von Präsident Nicos Anastasiades, die inzwischen von seinen Töchtern geführt wird, mit. Die meisten Interessent*innen kommen aus Russland und China, aber auch aus osteuropäischen und arabischen Ländern. Allein ist Zypern damit übrigens nicht: Ganze 20 EU-Länder haben ähnliche Programme.

Zypern auf der schwarzen Liste

Die Kritik der internationalen Gemeinschaft ließ dennoch nicht lange auf sich warten. Im Oktober 2018 veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine schwarze Liste, auf der sie Länder aufführte, dessen sogenannte „Golden Passport“-Programme sie als Gefahr für internationale Bemühungen im Kampf gegen Steuerhinterziehung einstufte: Zypern und Malta sind die einzigen EU-Mitglieder auf der Liste. Die OECD sieht sowohl die niedrige Vermögenssteuer auf Einkommen aus ausländischen Finanzanlagen als auch die Tatsache, dass eine Person sich vor und nach der Antragsstellung nicht zwingend im Land aufhalten muss, als problematisch und wies darauf hin, dass derartige Programme zur Geldwäsche genutzt werden können.

Im Januar 2019 mischte sich schließlich die Europäische Kommission ein und äußerte sich nicht weniger kritisch zu den von Zypern und Malta ebenso wie von Bulgarien durchgeführten Programmen. Bis zum Ende des Jahres soll nun eine Gruppe von Expert*innen Maßnahmen ausarbeiten, um den Risiken der Programme entgegenzuwirken. Neben Geldwäsche und Steuerhinterziehung nannte die Europäische Kommission auch Korruption als mögliche Folge. Als Hauptproblem sah sie, dass die Wege, über die antragstellende Individuen an ihren Reichtum gelangten, nicht ausreichend geprüft würden. Auch warnte sie Länder wie Zypern davor, dass sie in der Zukunft relevante Informationen wie die Zahl der Bewerber*innen transparent machen müssten. Schlagzeilen machte währenddessen der Oligarch Igor Kolomojskyj, dem die ukrainische Verfassung den Besitz zweier Pässe verbot, woraufhin dieser argumentierte, dass sie aber nichts zum Besitz dreier Pässe sage. Inzwischen besitzt er neben dem ukrainischen einen zyprischen und einen israelischen Pass.

Der zyprische Präsident Nicos Anastasiades reagierte scharf auf die Kritik. Er sah das Verhalten der Europäischen Kommission als Ausdruck ihrer Doppelmoral: Dabei berief er sich vor allem darauf, dass Zypern ihm zufolge nur 0,3 Prozent aller innerhalb der EU neu ausgestellten Staatsbürgerschaften verlieh und unter den 20 EU-Mitgliedern, die derartige Programme durchführen, die striktesten Kriterien hat. Tatsächlich macht Zypern es Bewerber*innen vergleichsweise schwer: In Malta müssen nur 350 000 Euro investiert werden, die dabei erworbene Immobilie kann außerdem nach fünf Jahren wiederverkauft werden. Auch müssen Investor*innen bereits eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, um für das Programm in Frage zu kommen. Zyperns Pluspunkt war lange Schnelligkeit: Der zyprische Pass ging in nur 90 Tagen über den Tisch, erst jetzt soll die Wartezeit auf sechs Monate verlängert werden. Um der Kritik entgegenzuwirken, heißt das Programm außerdem nicht länger „Cyprus Citizenship by Investment“, sondern „Cyprus Investment Programme“. Jene, die das Programm bewerben, dürfen Ausdrücke wie „fast track procedure“ und „sale of passports“ nicht länger verwenden. Das mögen kosmetische Änderungen bei vehementem Festhalten am Programm sein, jedoch scheint Zypern den Druck der EU durchaus zu spüren.

Kritik aus der Gesellschaft bleibt aus

Die zahlreichen Investitionen aus dem Ausland, sowohl innerhalb des Programmes als auch außerhalb dessen, verändern die Insel. In Limassol werden auch bei sommerlichen Temperaturen Pelzmäntel am Hafen verkauft. Mit „The Russian Wave“ gibt es einen russischen Radiosender, die Straßen sind voller russischer Supermärkte, im Hafen liegen Yachten. In Paphos öffnen währenddessen mehr und mehr ukrainische und chinesische Restaurants. Auch Wegbeschreibungen in chinesischen Schriftzeichen auf öffentlichen Plakaten nehmen zu. Obwohl der Zypernkonflikt den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit vor allem den griechischen und den türkischen Zypriot*innen zuspielt, ist die Insel darüber hinaus längst multikulturell. Ihr Straßenbild ist bunt und von den unterschiedlichsten Einflüssen geprägt.

Während die EU sich über das „Cyprus Investment Programme“ beschwert, bleibt die Kritik der zyprischen Gesellschaft weitgehend aus. Die Oberschicht profitiert von den milliardenschweren Vermögen, die ins Land gebracht werden. Nur vereinzelt wird die Sorge laut, dass die Tatsache, dass Investor*innen nur zum Zeit des Antrags, nicht aber zwingend danach auf Zypern anwesend sein müssen, kurzfristig zu unbewohnten Luxusimmobilien und langfristig zu ganzen Geisterstädten führen könne. Auch Präsident Anastasiades wird an den Pranger gestellt: Er betont zwar, dass er seit Amtsantritt nicht in die Geschäfte der Anwaltskanzlei seiner Familie involviert sei. Kritische Stimmen zweifeln das jedoch an.

Die Finanzkrise scheint Zypern jedoch allmählich hinter sich zu bringen: Auf der Insel wird wieder gebaut. Bevor die Krise Zypern traf, waren es noch 10 Millionen, die ausländische Investor*innen im Tausch gegen die zyprische Staatsbürgerschaft aufbringen mussten. 2013 wurde die geforderte Summe erstmals gesenkt, zunächst auf drei Millionen. Der Versuch, ausländisches Geld in den Banken zu halten, indem mit allen Mitteln Investor*innen angelockt werden, sollte Zypern dabei helfen, die Finanzkrise durchzustehen. Expert*innen vermuten, dass die Kriterien für das „Cyprus Investment Programme“ in den nächsten Jahren wieder schärfen werden können – nicht nur weil die internationale Kritik laut wird, sondern auch weil Zypern inzwischen hat, was es wollte.

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