Europa – Gedanken für unsere Zukunft

, von  Filip Medunić

Europa – Gedanken für unsere Zukunft
„Es beginnt eine bereits spürbare Phase des Umbruchs und die daraus sich entwickelnde neue Ordnung ist noch nicht vollständig abzusehen.“ By Amio Cajander - Flickr, CC BY-SA 2.0, Wikimedia

Wie sollte die Europäische Union von Morgen aussehen? In welchen Politikbereichen soll in Zukunft stärker zusammengearbeitet werden? Dieser Artikel gibt Antworten auf diese und andere zentrale Fragen der kommenden Jahre.

Die Welt, so wie sie die letzten 70 Jahre funktioniert hat, befindet sich im Umbruch. Als eine Auswirkung dieses Umbruchs wird Europa immer stärker hinterfragt, die Sinnhaftigkeit der Union aus verschiedenen Blickwinkeln angezweifelt. Deshalb ist gerade jetzt ein konstruktives Weiterdenken der EU unabdingbar. Ich möchte mich ganz klar für ein gemeinsames Europa, eine Europäische Union, aussprechen. Das bedeutet allerdings nicht, dass keine Korrekturen in der Architektur vorgenommen werden sollten.

Als zentralsten Punkt muss wieder bei der Legitimation der Union als Bestandteil des politischen Geschehens in Europa angesetzt werden. Es geht um die fundamentale Frage, was Europa als politisches Subjekt in Form der EU für die Bürger bedeuten soll. Von Anfang an stand die Sicherung des Friedens im Mittelpunkt dieser Bedeutung, aber auch ein Versprechen von wirtschaftlicher Prosperität. Eine Bedrohung des innereuropäischen Friedens durch das Militär einzelner Mitgliedstaaten besteht glücklicherweise schon lange nicht mehr, der Ausbau des Wohlstands, insbesondere in den südeuropäischen Mitgliedstaaten, hat allerdings Einbußen hinnehmen müssen und weist immer noch die strukturellen Probleme auf, welche bereits im vergangenen Jahrhundert existierten. Selbst wenn das Versprechen von wirtschaftlicher Prosperität nur ein Mittel zum Zweck der Inklusion war, so hatte es einen faktischen Charakter angenommen – die Menschen glaubten daran. Somit wurde ein nutzenorientierter Narrativ entworfen, welcher nicht in dem Maße erreicht wurde, wie es angenommen wurde. Seit einigen Jahren kann die Antwort daher nur sein: Europa muss neu gedacht werden.

Die normative Grundlage

Es ist notwendig, von einem nutzenorientierten zu einem wertebasierten Narrativ überzugehen. Als Basis müssen die Werte der Union verankert werden, auf welcher der Nutzen erst aufbauen kann. Die Union ist zu groß, zu sehr in dem nationalen Recht der Mitgliedsstaaten und damit im alltäglichen politischen Geschehen verankert, um sich lediglich mit regulatorischen Notwendigkeiten zu rechtfertigen. Es gibt einen Grund, weshalb sich die europäischen Staaten zusammenschließen konnten, weshalb wir uns als „Europäer“ fühlen: Wir teilen einen gemeinsamen Wertekanon. Früher war es wohl der Wunsch nach Frieden, heute sollte es der Wunsch danach sein zu erhalten, was durch diesen Frieden entstehen konnte. Das einzigartige politische Konstrukt der EU hat essenziell dazu beigetragen, dass wir heute ein vergleichsweise hohes Maß an individueller Freiheit genießen können, gegeben durch physische Bewegungsfreiheit und der Wahrung der humanitären und politischen Rechte eines jeden Bürgers. Diese beiden großen Freiheiten sind in ihrer Form nur in Europa anzutreffen. Hierauf aufbauend stellt sich aber die Frage, ob diese Rechte auch allen gleich viel nützen. Politisches Mitspracherecht ist erst dann wirklich etwas wert, wenn es allen Bürgern prinzipiell möglich ist, die gleichen gesellschaftlichen Positionen einnehmen zu können. Hierauf baut Freiheit auf. Die Herkunft eines Bürgers sollte nicht seine Zukunft beschränken. Hiervon sind wir auch in Europa noch weit entfernt, aber doch nicht soweit, dass es sich nicht lohnen, würde weiter dafür zu arbeiten. Die Europäische Union sollte ihre Werte deshalb auf zwei Prinzipien aufbauen: individuelle Freiheit und soziale Gerechtigkeit.

Der Wertekanon sollte in Form eines Wertekatalogs die Grundlage einer politischen Union bilden, den Grund liefern, weshalb wir gerade miteinander verstärkt zusammenarbeiten wollen und unsere Stellung innerhalb einer sich verändernden Welt wahren wollen. Hierin fließen Werte der Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und auch der Solidarität ein. Sich diese Grundlage zu verleihen, bedeutet, sich zum „Geben“ zu verpflichten. Kein „Geben“ in rein finanzieller Hinsicht, sondern in Form konstanter Bemühungen, diese Werte aufrechtzuerhalten. Es kann nur ein solches gegenseitiges Versprechen die Grundlage für eine Europäische Union bilden, da der Beweggrund für die Bemühungen zur Aufrechterhaltung der Werte unabhängig von Krisen und Rezessionen steht, sobald er ernst genommen wird.

Nutzen einer Union in Zeiten des Wandels

Von dieser Grundlage ausgehend besteht nun die Möglichkeit, den Nutzen eines solchen gegenseitigen Versprechens für eine europäische Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert zu verwirklichen. Der gemeinsame Binnenmarkt bietet eine weltweit einzigartige Wirtschaftszone, die Harmonisierung von nationalem Recht beseitigt in vielen Bereichen bürokratische Hürden für ein Grenzen überschreitendes Leben und die Abschaffung eben dieser Grenzen hat uns Europäern einen Bewegungsraum eröffnet, der es zum ersten Mal erlaubt, unsere ganze kulturelle Vielfalt zu erkunden, ohne aufgehalten zu werden. Es gibt aber auch weitaus globalere Gründe für den Zusammenschluss europäischer Staaten. Die globale Ordnung der vergangenen 70 Jahre, mit den USA als Garantiemacht für Sicherheit und freien Handel in der Welt, auf die wir Europäer uns gerne verlassen haben, befindet sich im Wandel. Institutionen, auf denen diese Ordnung aufgebaut hat, verlieren an Einfluss und die Vereinigten Staaten scheinen nicht mehr in dem Maße wie vor zwei Jahrzenten gewillt, diese Ordnung aufrechtzuerhalten. Nach ersten positiven Anzeichen einer gesamtglobalen neoliberalen Weltordnung nach dem Zerfall der Sowjetunion haben die Entwicklungen doch teilweise einen anderen Weg als den erhofften genommen. Eine desaströse Intervention im Irak, eine verheerende Finanzkrise, auf die eine immer noch andauernde Wirtschaftskrise folgte und ein sich parallel ausbreitender Skeptizismus gegenüber den Methoden der politischen Eliten haben zu einer Spaltung der Gesellschaften in Europa wie auch den USA geführt. Die hieraus resultierenden Strömungen tendieren auf der einen Seite zu einer Rückkehr zu früheren Ordnungsmustern, wie sie im Europa des frühen 20. Jahrhunderts geherrscht haben, gekennzeichnet durch nationale Souveränität, bilaterale Beziehungen, protektionistische Handelspolitik und innenpolitische Autorität. Auf der anderen Seite sehen viele Menschen aber auch die Möglichkeit, die bestehenden Strukturen weiter zu entwickeln und aus Vergangenem zu lernen.

Vgl. hierzu auch Krause, Die neue Zeitenwende in den internationalen Beziehungen – Konsequenzen für deutsche und europäische Politik, 2017, SIRIUS - Zeitschrift für Strategische Analysen

Es beginnt eine bereits spürbare Phase des Umbruchs und die daraus sich entwickelnde neue Ordnung ist noch nicht vollständig abzusehen. Jedoch sollte dies von den Europäern auch als Chance gesehen werden, sich in dieser neuen Ordnung einen eigenen Platz zu geben. Die Zeit, in der andere diesen definiert haben, ist vorüber. Insbesondere die Verhandlungsmacht der Union als Handelspartner gegenüber Drittstaaten sollte nicht unterschätzt werden. Solange politische Stabilität diese Position stärkt, wird das Interesse an Partnerschaften mit Europa bestehen bleiben. Partnerschaften bieten dann auch die Möglichkeit mehr, auf europäische Werte zu setzen.

Die Union als „Plattform“

Die Europäische Union hat bereits viele große Integrationsschritte in den vergangenen 50 Jahren erreicht. Es scheint eher unwahrscheinlich, dass es viele weitere Schritte solchen Ausmaßen in der nahen Zukunft geben wird. Die Frage muss aber lauten: Ist dies überhaupt notwendig? Es wird oft kritisiert, und das mit gutem Grund, dass die Integration nicht zum Selbstzweck der Union werden darf. Die Angleichung der Mitgliedsstaaten durch politischen Zwang hat in den vergangenen Jahren ein Ausmaß angenommen, welches nicht nur realitätsfern ist, sondern auch gefährlich. Es kann nicht sein, dass das Leitmotiv „Einheit in Vielfalt“ tatsächlich bedeutet, dem wirtschaftlich und politisch Stärksten in jeder Hinsicht folgen zu müssen. Andernfalls aber, bedarf eine solche Hegemonialpolitik großer Initiative und Investitionen vonseiten des Stärksten, wenn er seine Vorstellungen für alle verwirklichen möchte. Deutschland scheint diese Rolle allerdings nicht annehmen zu wollen (und vielleicht auch nicht zu können), weshalb es gerade zu diesem Zeitpunkt Sinn macht über neue Formen der Zusammenarbeit und damit des Nutzens einer Europäischen Union nach zudenken.

Die Union sollte eine Plattform für die Zusammenarbeit ihrer Mitgliedstaaten sein. Zusammenarbeit in Form kleinerer und regionalerer Gruppen. Es ist nicht schädlich für die Berechtigung der Europäischen Union, wenn Initiativen einzelner Mitgliedstaaten nicht von allen getragen werden und sich auch auf partikulare Notwendigkeiten beziehen, solange sie keinem Mitglied schaden. Die Bereitstellung der Institutionen und der Infrastruktur der Union, womit eine Plattform geboten wird, ermöglicht es erst, den vollen Nutzen eines solchen Zusammenschlusses freizusetzen. Regionale Ähnlichkeiten halten sich weder an Staatsgrenzen, noch sind sie so umfangreich, dass immer mindestens neun Mitgliedsstaaten von einer Kooperation profitieren würden. Den Bürgern der Union würde es aber dennoch sehr nützen, wenn Maßnahmen, die auf nationaler Ebene wie auch auf gesamteuropäischer Ebene nicht im Fokus stehen, dennoch durch die Plattform EU durchgeführt werden könnten. Hierzu wäre es notwendig, ein Instrument für diese Zusammenarbeit zu schaffen, ähnlich dem der „erweiterten Zusammenarbeit“, allerdings ohne die Begrenzung, dieses nur im Fall der Ultima Ratio anzuwenden und nur bei mindestens neun willigen Mitgliedstaaten. Es ist wichtig, dass auch bei diesem neuen Instrument das Initiativrecht bei den Mitgliedstaaten liegt und nicht bei der Kommission. Darüber hinausgehend dürfen aber regionale und europäische Interessen nicht vergessen werden. Deshalb sollte die Rolle des Ausschusses der Regionen(AdR)erneuert werden und er zusammen mit dem Europäischen Parlament in den legislativen Prozess dieses Instruments eingebaut werden. Der AdR war bisher nur in einer beratenden Funktion als Vorinstanz des Europaparlamentes aktiv, welches nicht an seine Empfehlungen gebunden ist. Es bietet sich an dieses bereits bestehende Organ, besetzt mit Vertretern der Regionen eines Mitgliedstaats, welche die Bedürfnisse ihrer Region meist besser kennen als Politiker auf nationaler Ebene oder Parlamentarier, ganz bewusst mit Gesetzgebungskompetenzen zu versehen. Mit dem Europaparlament als supranationalem und dem Rat der EU als nationalem Gegengewicht fällt auch die Interessenverteilung ausgewogen aus. Somit handelt es sich um ein Instrument, welches sowohl auf Bestreben der Mitgliedstaaten als auch durch eine gemeinsame Initiative des EP und des AdR ausgelöst wird. Anknüpfend an die „erweiterte Zusammenarbeit“ würde eine „differenzierte Zusammenarbeit“ entstehen.

Außen- und Sicherheitspolitik

Ein Bereich, in dem weitere Integration auf gesamteuropäischer Ebene noch möglich und auch notwendig ist, stellt die Außen- und Sicherheitspolitik dar. Zum einen befinden sich bisherige Ordnungsstrukturen im Wandel und Ordnungsmächte wenden sich stärker ihren nationalen Interessen zu. Doch Europa ist und bleibt ein Ort weitgehender Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und relativ hohen Wohlstands im globalen Vergleich. Es ist uns daran gelegen, dass sich dies nicht ändert. Die Welt jedoch sieht an vielen Orten anders aus. Viele Bürger sehen die Union aufgrund ihrer politischen Macht auch in der Verantwortung ein Maß an Sicherheit zu gewähren, welches die Bewahrung europäischer Werte weiterhin möglich macht. Deshalb muss sich Europa mit zwei Herausforderungen in Zukunft auseinandersetzen: einer humanen Migrationspolitik, und der Frage, ob es seine Werte auch aktiv in der Welt verteidigen möchte.

Vgl. Koenig, The EU’s external migration policy, 2017, Jaques-Delors Institut

Die europäischen offenen Grenzen sind dafür geschaffen worden die Migration innerhalb Europas zu erleichtern. Zwar wird es immer Kritiker geben, die es verhindert sehen wollen, dass Menschen aus anderen Herkunftsländern in ihrem Heimatland einer Arbeit nachgehen, jedoch stellt dies kein Problem für die Idee hinter Schengen dar, noch kann es am Erfolg der Politik der offenen Grenzen kratzen. Allerdings gibt es Herausforderungen, welche nicht mit den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Mechanismen zu bewältigen sind. Der durch den syrischen Bürgerkrieg ausgelöste Zustrom von Flüchtlingen hat uns Europäern zum ersten Mal vor Augen geführt, dass wir uns aktiv mit dem Thema Asyl beschäftigen müssen. Diese Einsicht hätten wir zwar bereits ein Jahrzehnt zuvor haben können, doch ist dies versäumt worden. Die Zustände im Nahen Osten und vielen afrikanischen Staaten lassen darauf schließen, dass auch in Zukunft noch sehr viel mehr Menschen ihren Weg nach Europa suchen werden, um dem Unheil, der Gewalt und Perspektivlosigkeit in ihren Herkunftsländern zu entkommen. Europa muss beginnen sich als einen Kontinent mit Peripherie zu sehen, welche nicht südlich der Alpen, sondern südlich von Gibraltar, Lampedusa und Malta und östlich von Zypern beginnt.

Als Geburtsstätte des Humanismus verfolgt Europa einen halbherzigen Ansatz diesem gerecht zu werden. Bisher wurde insbesondere durch Abkommen mit Drittstaaten wie der Türkei, Libyen und Mali versucht eine Migrationspolitik zu entwickeln, welche diesem Konzept entspricht. Die wesentlichen Punkte, die es zu beachten gilt, sind die menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen, die Eindämmung von illegaler Migration, die Eliminierung von lebensgefährlichen und illegalen Migrationsrouten, die Bekämpfung von Schmugglern und Schleusern sowie die Aufrechterhaltung einer konstruktiven Beziehung zu Ausreise- und Transitstaaten. Die bereits aufgewendeten Mittel sind zum Teil ineffizient und unzureichend, weshalb es an der Zeit ist, einen ernsthafteren und dauerhafteren Ansatz zu wählen. Eine Möglichkeit für einen solchen Ansatz würden beispielsweise EU Asylzentren in Drittstaaten darstellen. Vom Europäischen Auswärtigen Dienst verwaltete und kontrollierte Zentren in denen Asylsuchende einen Antrag stellen können, ohne sich dafür über das Mittelmeer oder durch die Türkei, sowie den Westbalkan begeben zu müssen. Zudem können direkte Aufklärung und Weiterbildung vor Ort stattfinden, die Unterbringung der Menschen unter humanen Bedingungen besser garantiert werden, sowie ein direkterer Kontakt zu Behörden vor Ort aufgebaut werden. Der administrative Aufwand einer Asylbehörde ist gewaltig und für viele Staaten schwer zu bewältigen. Hinzukommt eine Beziehung der Abhängigkeit vom Handeln der politischen Akteure in den Drittstaaten für die EU. Stattdessen sollte der Aufwand von Europa ausgehen und die betroffenen Drittstaaten in den Koordinierungsprozess, aber nicht ausschließlich in den Ausführungsprozess, eingebunden werden. Da solche Zentren eine enorme logistische Herausforderung bedeuten, könnte auch über die Einbeziehungen von lokalen Gemeinschaften nachgedacht werden.

Europa und der Orient sind seit Urzeiten Nachbarn und voneinander abhängig. Lange Zeit fiel es den Europäern zu ihre Nachbarschaftsverhältnisse zu pflegen, doch in den vergangen Jahrzenten wurde diese Aufgabe zu häufig unserem nordamerikanischen Partner überlassen. Die unmittelbaren Interessen Europas und seines Partners jenseits des Atlantiks decken sich jedoch nur zum Teil, und die angewendeten Mittel zur Erreichung dieser Interessen wurden immer wieder sehr kritisch von Europa aus betrachtet. Es besteht nicht nur ein pragmatisches Interesse für Europa daran sich um seine Nachbarschaftsverhältnisse zu bemühen, es ist sogar höchste Zeit. Die Vereinigten Staaten haben sich aus eigenem Interesse in den vergangenen Jahren immer weiter aus dem Nahen Osten zurück gezogen und konzentrieren sich zunehmend auf den Pazifikraum. Das Ausbleiben einer direkten Intervention in Syrien, auch nach Überschreitung der „roten Linie“, sollte für Europa ein Weckruf sein. Ebenso ist ein Rückgang des Einflusses der traditionellen Institutionen liberaler Ordnung zu sehen. Insbesondere die Vereinten Nationen (VN) konnten unglücklicherweise wenig zu einer Befriedung der gesamten Region beitragen. Die scheinbar machtlose von den VN unterstütze Regierung in Libyen ist kaum in der Lage ihre Stellung in der eigenen Hauptstadt zu verteidigen und Resolutionen zu Syrien wurden immer wieder hauptsächlich durch Russland im Sicherheitsrat geblockt. Stattdessen lässt sich beobachten wie Parallelformate zu den Friedensbemühungen der VN in Genf durch Russland, in Kooperation mit dem Iran und der Türkei in der kasachischen Hauptstadt Astana, entstehen und sogar effektivere Resultate liefern.

Europa muss sich demnach auch mit einem wiedererstarkten Russland abfinden. Auch hier fehlt das Interesse der traditionellen Schutzmacht USA sich wirklich um eine Eindämmung zu bemühen, denn die russischen Interventionen in Georgien, der Ukraine und nicht zuletzt Syrien blieben alle ohne wirkliche Reaktion. Russlands Außenpolitik ist bestimmt von innenpolitischen Gründen des Machterhalts und in gewisser Weise von einem Bestreben nach Respekt in der Welt. Europa muss sich langfristig mit seinem östlichen Nachbarn arrangieren. Dabei würde es helfen die Bereiche der Kooperation, der wirtschaftlichen Verzweigung, aber auch der europäischen Interessen klar abzustecken und zu kommunizieren. In diesem Lichte ist auch das Fortbestehen der NATO zu sehen. Ihrem Zweck kann und sollte sie weiterhin dienen, jedoch wäre es wohl auch im Hinblick auf die russische Sichtweise auf die NATO sehr riskant in dieser Allianz eine Alternative zu einem eigenständigen europäischen Engagement zu sehen.

Nicht zuletzt ist die innere Sicherheit der EU Mitgliedstaaten ein Anliegen für das die Kräfte der Union gebündelt werden sollten. Terrorismus, Cyberkriminalität und –krieg sind die zwei wichtigsten Punkte in denen die Kapazitäten der Mitglieder der Europäischen Union einzeln unzureichend sind. Auch hieraus ergibt sich Forderung nach echter europäischer Außenpolitik und strategischer und militärischer Kooperation.

Eine koordinierte Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik und damit auch in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist deshalb nur sinnvoll. So eine Zusammenarbeit kann nur Schrittweise entstehen und bevor von einer EU-Armee gesprochen wird, wenn überhaupt irgendwann, gilt es Synergien zu nutzen, Kosten zu reduzieren und gemeinsame Interessen zu vertreten. Die ersten beiden Aspekte sind Teil der bereits seit vielen Jahren bestehenden Forderung nach mehr Zusammenarbeit und Angleichung der militärischen Ausrüstung und Infrastruktur. Und es bestehen bereits europäische Auslandsmissionen. Der letztgenannte Aspekt ist jedoch brisanter, denn er stellt die Frage nach der Legitimation von zukünftigen gemeinsamen Aktionen der Mitgliedstaaten unter europäischer Flagge. Ein Mandat vom Europäischen Rat und vom EP sollte notwendig sein. Eine zentrale Koordinierungsstelle für solche Einsätze befindet sich bereits in Planung.

Bildung

Nicht zuletzt muss bedacht werden, dass auch die EU nur dann funktionieren kann, wenn sie verstanden wird. Es wurde im Text mehrfach deutlich gemacht, weshalb es nicht sinnvoll ist die Union als ein Elitenprojekt weiter zuführe. Ihre Größe und Macht, aber auch die Europa betreffenden Herausforderungen sollten Anlass dazu geben die Union in das Bewusstsein aller Bürger zu bringen. Der erste, viel zu lange aufgeschobene Schritt dorthin kann nur sein: Ein europapolitisches Grundwissen muss bereits an Schulen vermittelt werden. Das ist der Ansatz zur Vermeidung von falsch geleiteter Berichterstattung und frustrationsmotivierter Abneigung gegen Institutionen, die häufig in ihrem negativen Einfluss überschätzt und ihrem positiven Einfluss unterschätzt werden. Europa an die Schulen!

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